Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic
Biel Konzerte 2022
Musikalische Tektonik
6. Sinfoniekonzert TOBS
Biel Konzerte 2018
Bewusste und souveräne Gestalter
Simon Wiener und Silvia Fraser in der Reihe REVELATIONS-JEUNES MAITRES
In der Reihe REVELATIONS – JEUNES MAITRES spielte im Saal des Farel in Biel der junge Schweizer Violinist Simon Wiener mit der Pianistin Silvia Fraser ein reichhaltiges und kontrastreiches Programm und konnte das Publikum sehr für sich einnehmen.
Die beiden Solisten begannen sehr mutig mit der komplexen, sowohl für das Publikum wie für die Spieler schwierigen Sonate Nr. 1 von Bela Bartók. Sonst behält man solche Brocken eher für den Schluss auf, doch das Wagnis ging auf. Die Pianistin wie auch der Geiger wirkten absolut sicher und konnten von Anfang an punkten. Der Geiger mit sauberem Bogenstrich ohne falsche Akzente und mit klug und logische gestalteten Linien, die Pianistin mit Arpeggien, die an Cimbalum-Klänge errinnert und im weiteren Verlauf mit forschem aber nicht zu hartem Anschlag. Man spürte, dass sich das Duo mit dieser Sonate gründlich auseinander gesetzt hat und so gestalteten sie auch den Formverlauf und die kontrastierenden Teile zu einem in sich geschlossenen Ganzen. Ausser der technischen Souveränität und der Energie bewunderte man auch den sublimen Ton und die reichhaltige klangliche Gestaltung des Violinisten. Als zweites Stück folgte die Sonate c-moll BWV 1017 von Johann Sebastian Bach mit einer Siciliana zu Beginn, die aus einer anderen Welt zu kommen schien. Die raschen Sätze gerieten mit viel Elan und sehr guter Artikulation von beiden Instrumentalisten. Auch hier keine grossen Töne vom Violinisten, der im meist dreistimmigen Gewebe gut eingebettet war, und mit einem eher leichtfüssigen aber akzentuiertem Spiel gefiel.
Die neuste Komposition „für februar“ des Geigers Simon Wiener erweckte Interesse und Gefallen. Es ist ein sehr bewusst aufgebautes Gebilde aus verschiedenen Elementen, welche in beiden Instrumenten variert und im Kontrast zueinander ausgespielt werden. Das Stück ist für den Hörer durchschau- und durchhörbar und trotzdem interessant zu verfolgen und konnte auf Anhieb auch Gefallen erwecken.
Zum Abschluss des sehr gut aufgenommenen Konzertes folgte die Sonate B-Dur KV 378 von Wolfgang Amadeus Mozart, ein meisterliches Werk aus den letzten Salzburger Jahren, das sowohl dem Klavier wie auch der Violine gleichermassen Gelegenheit zum glanzvollen Spiel bereitet und auch durch formale Eigenwilligkeiten für Überraschungen sorgt. Das lebhaft applaudierte Rezital ging mit einer der Romanzen für Oboe und Klavier von Robert Schumann in der Fassung für Violine zu Ende und entliess eine dankbare Zuhörerschaft.
Biel Konzerte 2017
Meisterliches Klavierspiel Nelson Freire in der Pasquartkirche
Selten gespielte Musik in ungewöhnlicher Besetzung 1. Kammermusikkonzert TOBS
Von Befürchtungen und Bestätigung von Vorurteilen 1. Sinfoniekozert 2017_18
Kammermusikalische Übereinstimmung TRIORARO in Werken von Debussy und Ravel
Die vergessenen
Lieder
Konzert mit Liedern von Walter Furrer
Strahlender Saisonabschluss 10. Sinfoniekonzert TOBS in Biel
Die klanglichen Wunder des späten Schubert Streichquintett C-Dur mit dem "Trans Atlantic Quintet"
Energie und Überzeugungskraft Solo-Rezital Arata Yumi
Meister und Schüler 8. Sinfoniekonzert TOBS in Biel
Gebändigt und überlegt Klavierrezital Rémi Geniet
Eindrückliches Zusammenwirken 7. Sinfoniekonzert TOBS
Hohe Erwartungen erfüllt Rezital Joseph Moog
Inhalt und Geist der Musik vermitteln Rezital Luka Okros
Meisterliches Klavierspiel
Wieder mal ein richtiger Meister des Klavierspiels in Biel. Der 73-jährige Nelson Freire – eingeladen von der Société philharmonique Bienne – spielte vor vollem Haus in der Pasquart-Kirche ein klassisch-romantisches Programm. In den Werken von Bach-Busoni, Beethoven, Villa-Lobos und Chopin konnte er Vielseitigkeit wie Reife aufzeigen. Wie wohltuend, einem Meister zuzuhören, der nichts beweisen muss, dessen Technik unzweifelhaft ist und dessen Erfahrung ihm erlaubt, mit den Werken aus überlegener Distanz (nicht Distanziertheit) umzugehen. So waren die vier Bearbeitungen Bach'scher Werke zwar noch keine Offenbarung, aber eine schöne Einstimmung. Statt der Fantasie opus 17 von Schumann spielte er die Sonate Nr. 31 in As-Dur op. 110 von Beethoven. Da spürte man die jahrzehntelange Auseinandersetzung und eine wie selbstverständlich wirkende Begegnung mit dem Werk, das aber trotzdem unmittelbar auf den Hörer wirkte.
Fünf Stücke von Heitor Villa-Lobos – Bachianas brasileiras Nr 4 - bildeten eine Überleitung zu Frédéric Chopins dritter Klaviersonate in h-moll op. 58. Da war Nelson Freire ganz in seinem Element. Das viersätzige Werk mit romantischer Inspiration und doch klassischer Form wirkte in seiner ganzen Vielseitigkeit sehr geschlossen. Der Pianist entlockte dem Flügel wundervolle Kantilenen und traf auch den dramatischen Unterton in den raschen Sätzen. Man staunte ob der Leichtigkeit und der Präzision des über 70-Jährigen und genoss die ruhige Abgeklärtheit und Unaufgeregtheit des Spiels. Zwei Zugaben schlossen einen Konzertabend, der zum Erlebnis wurde.
Selten gespielte Musik in ungewöhnlicher Besetzung
Ein Kammermusikkonzert von Musikern des Sinfonieorchesters Biel Solothurn im Foyer des Stadttheaters war ein Volltreffer. Ein „Trio mit Harfe“ wurde bestritten von der Harfenistin Johanna Baer, dem Violinisten Daniel Kobyliansky und dem Cellisten Matthias Walpen. Die Werkauswahl war hoch interessant mit Stücken, die man selten bis nie hört, und die drei Solisten zeigten sich von ihrer besten Seite. Schliesslich fand sich auch ein interessiertes Publikum am Samstagabend ein, so dass die Stühle im Theaterfoyer fast alle besetzt waren.
Eine Suite für die drei beteiligten Instrumente des Schweizer Komponisten René Gerber zeigte eine einfache Struktur, wirkte aber gefällig und stark der französischen Kultur zugeneigt. Von Bohuslav Martinů hörte man das zweite Duo für Geige und Cello, das ebenfalls eine gut verfolgbare lineare Struktur verfolgt, aber musikalisch eher gehaltvoller wirkt als das erste Duo für die gleiche Besetzung. Das musikalisch vielleicht reichste Stück des Abends war das Duo für Cello und Harfe von Isang Yun, im Wesentlichen ein melismatisch sehr differenziert aufgebrochenes Solo für Cello mit spärlichen Harfentupfern. Von den Interpreten wure das schwierige Werk sehr eindrücklich dargeboten und erfuhr auch vom Publikum grosse Zustimmung. Daniel Kobyliansky und Johanna Baer spielten anschliessend technisch einwandfrei und mit grossem Einfühlungsvermögen eine Fantasie von Camille Saint-Saëns, die auch einen beinahe ungewohnt tiefsinnigen Komponisten zeigte und ebenfalls viel Applaus erhielt. Zum Schluss eine Ballade für Geige, Cello und Harfe von Claude Debussy, welche von Dominique Piana für diese Besetzung arrangiert wurde. Da fanden sich die Harfenistin und die beiden Streicher erneut zu einem schönen, gepflegten und klanglich subtilen Zusammenspiel. Insgesamt war es vom Programm her und durch die trefflichen Interpretationen ein sehr lohnender Abend.
Von Befürchtungen und Bestätigung von Vorurteilen
Das erste Sinfoniekonzert TOBS der Saison war darauf ausgerichtet, ausgetretene Pfade zu verlassen und mal etwas Keckes zu probieren. So verpflichtete man die tschechische Organistin Katta und baute um sie herum ein Programm, das auf die Orgel ausgerichtet war. Beweisen, dass die Orgel auch im 21. Jahrhundert ein durch und durch vitales Instrument bleibt. Und im Anschluss an das Konzert fand im Restaurant des Kongresshauses eine Late Night Lounge mit Katta statt. Etwas, das wohl dem jüngeren Publikum – das im Konzert durchaus anwesend war – zustatten kommen sollte.
Nun kann ich den Lobreden im Anschluss des Konzerts leider nicht beipflichten und oute mich als Miesepeter, der im Verein mit anderen altmodischen Musikfreunden und -freundinnen solche Veranstaltungen als unnötig empfindet. Speziell das Programm des Abends fand beileibe nicht durchwegs Zustimmung. Grundsätzlich gehöre ich zu denen, die überhaupt nicht finden, dass klassische Musik ein Make-Up nötig hat. Es gibt genug Konzerte und Festivals, welche ohne Konzessionen an einen nicht ausgebildeten Musikgeschmack auskommen. Fraglich ist, ob Leute, welche bei einem „volkstümlichen“ Programm die sogenannte Schwellenangst überwinden, dann auch bei einem anspruchsvollen Programm kommen (und bleiben). Gegen das Ausprobieren neuer Konzertformen ist indes grundsätzlich nichts einzuwenden.
Die eingangs gespielte Fantasie und Fuge in c-moll von Bach in der Orchestrierung von Edward Elgar bestätigte voll und ganz die Befürchtung, es könnte sich um eine der schwülstigen und völlig überladenen Orchesterbearbeitungen handeln. Die melancholische Fantasie erstickte bereits unter den dicken Forteklängen und die Fuge war vollends eine Entfesselung des tiefen Blechs und eine bombastische Bestätigung des Vorurteils, dass Bachs Fugen kompliziert und zugleich fett und schwer seien. „Ist das wirklich von Bach“, fragte ein Zuhörer hinter mir.
„Fratres“ von Arvo Pärt ist ein Streicherstück, das vom Pianissimo in ein mässiges Forte ansteigt und wieder im Pianissimo versinkt. Das hatte einst seinen Reiz, beim wiederholten Hören wird es aber langweilig.
Von Kateřina Chroboková alias Katta erklang eine Eigenkomponisiton „Veni sancte spiritus“, die an Popkompositionen der 70er-Jahre erinnerte, aber ich bevorzuge das Original etwa der Gruppe „Emerson Lake und Palmer“ und würde das Werk von Katta als reinen Kitsch bezeichnen. Da kam die elektronische Orgel zur Geltung, aber es stellte sich auch heraus, dass das teure und reichhaltig mit Registern und Effekten bestückte Instrument bei weitem nicht an eine echte Pfeifenorgel herankommt. Das Ansprechen der Luft in den Pfeifen ist mit Elektronik nicht annähernd zu erzeugen. Der letzte Beweis dafür war die Zugabe der „Dorischen Toccata“ von Bach, die allerdings die durchaus vorhandene spieltechnische Virtuosität der Organistin aufzeigte (auch wenn die Pedaltechnik mit nackten Füssen eher seltsam war, um ein letztes Mal zu meckern.)
Ernster zu nehmen war in der zweiten Hälfte die 3. Sinfonie in c-moll, „Orgelsinfonie“, von Camille Saint-Saëns. Da zeigte das Orchester eine bemerkenswerte Leistung auch hinsichtlich Präzision etwa im dritten Satz, aber auch klangliche Qualitäten in den Streichern. Die Bläser steuerten einwandfreie Soli bei, das Blech war insgesamt auch auf der Höhe der Aufgabe und die Orgel wie das vierhändige Klavier steuerten zusätzliche Klangfarben bei. Das Ganze litt unter der Leitung des Dirigenten Stefan Blunier etwas unter einer pauschalen Klanggestaltung und wie schon bei der Bach-Bearbeitung einem Hang zu ungebremsten Forte-Ausbrüchen. Aber das durch die Praktikantinnen des Orchesterkurses verstärkte Orchester wirkte den ganzen Abend solide und bei den sirrenden Klängen von Kattas Komposition oder im Piano der Streicher in „Fratres“ doch auch differenziert. Trotz aller Anstrengungen hinterliess das Konzert bei vielen Kennern einen zwiespätligen Eindruck.
Kammermusikalische Übereinstimmung
Da war ein überraschendes Konzert
im Saal des Farelhauses. Ein Ensemble, das sich TRIORARO nennt, mit Alexander
Ruef, Klavier, Stefan Meier, Violine, Matthias Kuhn, Violoncello. Sie brachten
ein erlesenes Programm mit, aus Werken von Claude Debussy und Maurice Ravel. Von
Debussy zwei Sonaten aus den letzten Lebensjahren für Violine und für
Violoncello mit Klavier, von Ravel die Sonate für Violine und Violoncello und
das Klaviertrio. Ein Programm, das die Neugier des Kenners weckte, aber leider
in Biel nur ein Häufchen Zuhörer anlockte. Wobei die Werbung ausserhalb der
eigentlichen Saison etwas rudimentär war und der Schreibende den Anlass bloss
durch Zufall entdeckte.
Hingegen
war das Konzert an sich eine erfreuliche Überraschung. Mit der Sonate für
Violoncello und Klavier von Debussy setzten Matthias Kuhn und Alexander Ruef
bereits ein Zeichen, das aufhorchen liess. Da waren Musiker am Werk, welche sich
mit dem Stück auseinandergesetzt hatten und das hörbar vermittelten. Sehr stark
kam das auch in der Sonate für Violine und Violoncello von Ravel zum Ausdruck.
Das raffinierte Linienspiel kam überzeugend und klar zur Geltung. In der Sonate
für Violine und Klavier von Debussy wurde wieder einerseits mit raffiniertem
Klang, andererseits mit Verständnis für Form und Stil des Werks gespielt. Und
ein reiner Hörgnuss war das abschliessende Klaviertrio von Ravel, welches sehr
kammermusikalisch und in hervorragender Übereinstimmung zwischen den Interpreten
erklang. Wie in den vorangegangenen Werken und hier noch ganz besonders stach
der Pianist Alexander Ruef durch eine kluge dynamische Abstimmung und ein
lockeres Spiel hervor, so dass auch in den rauschenden Passagen der
Gesamteindruck transparent blieb. Dabei fehlte es durchaus nicht an pointierten
und akzentuierten Einsätzen. Das Werk konnte seinen ganzen Reiz entfalten. Das
Konzert war eine Bereicherung.
Die vergessenen Lieder
Konzert mit Liedern von Walter Furrer
Komponisten und Literaten aus der Vergessenheit zu holen ist immer eine schwierige Sache. Wenn es gelingt, ist es eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. Es sind meist nicht die grossen Meister, die nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten, und waren sie zu Lebzeiten noch so berühmt. Die Grössen der Kunst haben immer etwas Einmaliges und Unverwechselbares, während die vielen Trabanten zwar auch gute Sachen bringen, aber halt im Schatten der wirklich Originalen verblassen. Eine Chance hat den kleineren Meistern die Aufnahmetechnik gegeben: auf Tonträgern findet man heute alles dokumentiert, was gemeinhin nicht oder allzu selten in die Konzertsäle gelangt.
Die Lieder des Schweizer Komponisten Walter Furrer, der jahrzehntelang in Bern gewirkt hat, sind gewiss beim Anhören durchaus wertvolle Musik und auch Zeugen einer Epoche zwischen und nach den beiden Kriegen im zwanzigsten Jahrhundert. Schon die frühen „Totentanzlieder“ auf Gedichte von Christian Morgenstern hinterlassen starke Eindrücke. Hier ist die Klavierbegleitung meist karg und trifft doch sehr eindringlich den Grundton der Texte. Auch in den sieben Liedern für Sopran nach Texten von Theodor Storm und Walter von der Vogelweide und in den späten Liedern „Die Stunde schlug“ gibt das Klavier den meist düsteren Ton an, in den späten Gesängen noch konsequenter auf einem Grundmotiv aufbauend. Die Singstimme dagegen rezitiert ohne auf einzele Worte speziell einzugehen und erhält eher selten eine wirkliche Melodie, die sich aufschwingt.
Reizvoll sind die drei Gesänge für Alt und Klarinette nach Texten des Expressionisten August Stramm, die ein wirkliches Duettieren ergeben. In der Gesamtwirkung von Stimme und Instrument, auch bei den Klavierliedern, ergibt sich eine stimmige und zuweilen sehr dichte Atrmosphäre.
Etwas mehr Mühe hat man beim Anhören der auch klanglich sehr düsteren Klänge der Psalmen 102 un 27, wobei die clusterartigen Klänge von Harmonium und Bassklarinette, die die Orgel der Originalfassung ersetzen, sehr bedrückend wirken. Die Oboe liefert einen gewissen Kontrast und wirkt im Duett mit der Altstimme aufhellend.
Im Bieler Saal des Farelhauses waren die Sängerinnen Barbara Hensinger, Alt, und Yvonne Friedli, Sopran, sehr engagierte und ausdrucksstarke Interpretinnen, und auch Andreas Ramseier, Klarinette und Basklarinette, sowie Barbara Jost, Oboe, leisteten Vorzügliches. Am Klavier und Harmonium führte Andres Joho sehr kompetent durch den ganzen Abend. Es war ein Konzert das starke Eindrücke hinterliess, ob daraus eine Langzeitwirkung entsteht, wird die Zukunft erweisen.
Strahlender Saisonabschluss
10. Sinfoniekonzert TOBS
Die Saison 2016_17 des Sinfonieorchesters Biel Solothurn schloss mit einem in jeder Hinsicht erfreulichen Höhepunkt. Ein klassisch-romantisches Programm, das viele Zuhörer anlockte, auch viele junge Hörer aus welchem Grund auch immer, mit Nathalie Stutzmann eine Frau am Dirigentenpult, die restlos überzeugte, und einen Solisten aus dem Orchester, der eine tadellose Darbietung brachte.
Zu Beginn die „Coriolan“-Ouvertüre op. 62 von Ludwig van Beethoven. Die Einleitung wuchtig, fast etwas (zu) hart, der Allegro-Teil etwas behäbig, er könnte nerviger wirken. Es ist ein tragisches Eröffnungsstück zu einem sonst auf sommerlich leicht gedachten Programm, aber immerhin überzeugten Orchester und Dirigentin trotz der erwähnten Einschränkungen.
Im Oboenkonzert C-Dur KV 314 von Mozart trat Edmund Worsfold Vidal als Solist auf. Er ist seit einigen Jahren als Oboist im Orchester täti und hat etliche Male seine Qualitäten bewiesen. Das Konzert von Mozzart gelang ihm van Anfang bis Ende ohne Fehl und Tadel, mit schönem geschmeidigem Ton, unfehlbarer Atemtechnik und mit einer musikalisch geprägten Agogik, das heisst mit ein paar Freiheiten im Tempo, die auflockernd wirken und den Konzerten von Mozart gut tun. Das Zuhören machte reine Freude.
Zum Schluss die zweite Sinfonie D-Dur op 73 von Johannes Brahms. Der noch oft als düster und wiederborstig beschriebene Brahms zeigt sich hier von der eher heiteren Seite auch wenn einige düstere Einsprengsel etwa im zweiten Satz nicht fehlen. Was an der Dirigentin sehr positiv auffällt, ist dass sie eine effiziente aber nicht auf Effekt zielende Schlagtechnik hat. Das ist ihr Werkzeug mit dem sie auch aus der Sinfonie die wesentlichen Stimmen herausholt und somit einen plastischen Klang hervorruft. So freute man sich an vielen Einzelheiten ohne dass die grosse Linie verloren ging, es fehlte nicht an Präzision, etwa im Mittelteil des dritten Satzes und doch atmete die Musik frei. Insgesamt eine sehr schöne und eindrucksvolle und strahlende Interpretation dieser Sinfonie. Und das Publikum war begeistert und schenkte allen Ausführenden grossen Beifall.
Die klanglichen Wunder des späten Schubert
Ein in mancher Hinsicht überraschendes Ensemble spielte in der Pasquart-Kirche Biel das Streichquintett C-Dur D 956 von Franz Schubert. Das Ensemble nennt sich Trans Atlantic Quintet und besteht aus zwei Orchestermusikern aus Biel, dem Violinisten Jean Sidler und dem Bratschisten Rolf-Dieter Gangl, der amerikanischen, aber in Biel bestens verankerten Violinistin Michaela Paetsch, ihrem Bruder Johann Sebastian Paetsch, Cellist im Orchestra della Svizzera Italiana in Lugano, und dem aus den USA hergereisten Jungen Cellisten Johannes Gray, dem ausserordentlich begabten Neffen von Michaela Paetsch.
Michaela Paetsch übernahm die erste Violine und damit auch die Führung und prägte auch künstlerisch die Interpretation mit ihrer zupackenden und doch sehr subtilen Art. Man hätte auf Anhieb nicht auf eine solch austarierte, nüancierte, differenzierte und überwältigend schöne Wiedergabe gewettet. Aber es fehlen beinahe die Worte um die wunderschönen Eindrücke wiederzugeben, welche die Aufführung hinterliess.
Schuberts Quintett, im Todesjahr 1828 entstanden zeigt alle Züge der kompositorischen Meisterschaft, welche Schubert seit 1825, seit der h-moll und der C-Dur-Sinfonie, den Streichquartetten „Rosamunde*, „Der Tod und das Mädchen“ und dem letzten G-Dur-Quartett, den Liederzyklen „Die schöne Müllerin“ und „Die Winterreise“, den beiden Klaviertrios ind B-Dur und Es-Dur und den drei letzten grossen Klaviersonaten erreicht hat. Eine Meisterschaft und einen ganz eigenen Charakter des noch nicht Dreissig-Jährigen, die bereits an ein Wunder grenzt. Und das Streichquintett mit zwei Celli ist in dieser Reihe allein schon wieder ein Wunder, nie erreicht und nie übertroffen in Form und Inhalt.
Da waren nun Michaela Paetsch und ihre Musiker von den ersten Takten an auf der Suche nach all den Feinheiten dieser Partitur, den unbeschreiblichen klanglichen Wundern und der Reinheit dieser Musik, der Ruhe im zweiten Satz in der die Zeit aufgehoben scheint, und den burschikosen und doch wieder nach innen gekehrten Seiten des Scherzos und des Finales.
In den leidenschaftlichsten Einsätzen war nicht alles ganz perfekt – zum Glück, denn durch kleine Trübungen entstanden auch wieder überraschende Färbungen im Klang, absolute Perfektion hätte vielleicht auch Sterilität bedeutet. So war die Aufführung voller Leben, voller Intensität und voller Innerlichkeit die richtig ans Herz ging. Es war ein wundervolles Erlebnis. Das berühmte Menuett aus einem Streichquintett von Luigi Boccherini in der Originalfassung rundete als Zugabe das Konzert ab.
Der König tanzt
Am Hof von Versailles mit der Freitagsakademie Bern
„Le Roi danse“, der König tanzt, unter diesem Titel gatierte die Freitagsakademie aus Bern im Saal des Bieler Farelhauses. Fünf Instumentalistinnen und eine Tänzerin gestalteten einen Tag am Hof von Versailles mit Ludwig dem XIV., der neben Regent auch Musiker und Tänzer war. Am Hof wirkten die bedeutendsten Musiker Frankreichs aus der Zeit, und so bekam man im Lauf des Abends auch einen Überblick über die wichtigsten Komponisten des ausgehenden 17. und des beginnenden 18. Jahrhunderts.
Thomas Höft führte in witziger Form durch den Programmablauf und gab auch Anekdoten über das Leben am Hof preis. Verena Fischer, Traversflöte, Katharina Suske, Oboe, Katharina Heutjer, Violine, Georg Kroneis, Viola da Gamba, und Vital Julian Frey, Cembalo, spielten mit Akkutaresse und stilgerecht die Musik von Marin Marais, Jacques-Martin Hotteterre, Jean-Baptiste Lully, Johann Fischer, Francois Couperin, Pierre Gaultier de Marseille, Michel P. de Montéclair, Pierre Gaultier und Michel L’Affilard. Nicht jedes Stück war gleich bedeutend und Einiges war sehr leichtgewichtig aber passte auch zu den Szenen, welche die Barock-Tänzerin Mojca Gal sehr passend und historisch genau in Bewegung setzte. Musik und Tanz pflegten eine Eleganz und délicatesse, die charakteristische für die Epoche und die Kunst in Frankreich ist. Nicht nur die überreichen Verzierungen in der Musik, sondern offenbar auch die Tanzschritte waren in Versailles minuziös geregelt und notiert. Musiker und Tänzerin gaben die Werke mit grosser Raffinesse und Können wider, so konnte sich das Publikum eine Vorstellung machen – zwar nicht von der Pracht der Räume und des Parks oder der Hofgesellschaft, aber von den aufgeführten Musikstücken und Tänzen. Zuschauen und Zuhören waren gleichermassen ein grosser Genuss .
Energie und Überzeugungskraft
Solo-Rezital Arata Yumi
Der junge japanische Geiger Arata Yumi hat mit seinem spannungsvollen Programm in der Christkatholischen Kirche Biel bereits neugierig gemacht. Wie vertragen sich Boulez und Bach, der unbekannte Barockkomponist Johann Paul von Westhoff mit Bach und Bartók? Es erwies sich, dass alles bestens abgestimmt war. Wie fast jede Literatur für Solo-Violine lehnt sich auch Pierre Boulez in seinem „Anthem I“ an die Doppelgriff-Techniken bei Bach an, der diese wiederum von seinem geigerischen Vorgänger Johann Paul von Westhoff „gelernt“ hat, und Belá Bartók bezieht sich vor allem im ersten, mit „Ciacona“ überschriebenen Satz fast überdeutlich auf die d-moll-Chaconne aus der Partita BWV 1004. Selten hat man das auch so deutlich erfahren wie in der Interpretation von Arata Yumi, welcher das Programm ja nicht willkürlich zusammengestellt hat. Die Suite in d-moll von Esthoff war eine wahrhafte Entdeckung, ich kanne vorher nicht mal den Namen des Komponisten. Und dass er Bach für seine Partiten und Sonaten beeinflusst hat, schien auch fast offensichtlich. Wie immer ist Bach einfach noch reicher, arbeitet ausführlicher mit dem Material und wirkt zeitloser als seine Vorbilder.
Arata Yumi bot eine „Ciacona“, welche ausserordentlich gefangen nahm. Er warf sich zu Beginn ohne Zurückhaltung in die Akkorde und bot im Verlauf eine volltönende, schön klingende und energiegeladene Lesart. Obwohl nicht strikt der „historisch informierten Praxis“ folgend, bot er dennoch eine Version, welche auch die immanente Mehrstimmigkeit und die „sprechende“ Spielart zur Geltung brachte, auch wenn er nichts pedantisch hervorhob, sondern der Musik ihren Fluss liess. Das war schon eindrücklich.
Nicht minder beeindruckend war die Wiedergabe der Sonate von Béla Bartók, die ich selten oder nie strukturell so klar gehört habe. Dabei gab Arata Yumi auch hier alles an Klang und Differenziertheit und bot seine ganze geballte Überzeugungskraft auf. Wie schon gesagt war die „Ciacona“ als solche klar verfolgbar, die „Fuga“ geriet in ihrer komplexen Polyphonie ebenso klar, aber auch fulgurant. Die „Melodie“ hatte die zarte Versponnenheit und das ab schliessende „Presto“ die technische Versiertheit in den vetracktesten Passagen. Der noch junge Violinist hat einen violintechnischen Höchststand erreicht, der ihn gleichzeitig befähigt, die ganze musikalische Reife und eine riesige Energie ohne Scheu vor Risiken ins Spiel zu werfen und das war ein grossartiges Erlebnis. Den begeisterten Applaus eines sehr interessierten Publikum beantwortete er mit zwei Sätzen aus der vierten Solo-Sonate von Eugène Ysaÿe.
Meister und Schüler
8. Sinfoniekonzert TOBS in Biel
Das achte Sinfoniekonzert TOBS war etwas unkonventionell, fand aber beim Publikum am Schluss doch viel Anklang. Drei Komponisten, welche nicht dem klassischen Kanon angehören und von Mozart ein Werk, das auch eher selten im Konzertsaal erscheint. Das Konzert für drei Klavier, welches nach der Pause erklang, ist ein Gelegenheitswerk aus Mozarts Salzburgerzeit, ein Auftragswerk der Gräfin Lodron, für welche der Komponist 1776 auch noch zwei „Nachtmusiken“ (Divertimenti KV 247 und 287) schrieb. Ein Werk des jungen Mozart, welcher zwar noch ganz dem Rokoko und dem italienischen Einfluss gehört, aber doch köstliche Einfälle hat und Meisterschaft verrät. Die frühen Klavierkonzerte werden im Vergleich zu den später in Wien entstandenen oft unterschätzt, man sollte aber nicht vergessen, dass Mozart in dieser Zeit auch die als meisterlich geltenden Violinkonzerte G-Dur, D-Dur und A-Dur verfasst hat. Das Konzert KV 242 für drei Flügel erwies sich mit den Solisten Louis Lortie, Nathanaël Gouin und Nareh Arghamanyan als äusserst erfrischend und von grosser Schönheit, wobei das Orchester einen wesentlichen Anteil hat. Der Klang war duftig und klar, sowohl in den Streichern wie auch bei den drei Pianisten, trotz recht unerschiedlichen Temperamenten der Solisten doch ausgeglichen und sowohl gut artikuliert wie gediegen. Grosser Applaus für alle Beteiligten.
Vor der Pause erklang zunächst eine Ouvertüre des Mozart-Schülers Johann Nepomuk Hummel, der aber bereits den Übergang in die Frühromantik signalisiert. Vor allem die Einleitung hatte sehr aparte Klänge in Streichern und Horn.
Das Concertino für Klavier vierhändig von Leon Klepper erwies sich als hörenswerte Rarität. Obschon in den frühen 60-er Jahren uraufgeführt, atmet es den frechen Geist der Zwanziger- und Dreissigerjahre mit Anklängen an Jazz und zeitgemässer Unterhaltungsmusik und Kontrasten zwischen handgreiflichen Forteeinsätzen und beinahe süsslichen melodischen Partien. Die zwei jungen Solisten Nareh Arghamanyan und Nathanaël Gouin schienen in ihrem Element mit viel Draufgängertum und Klangsinn und in bester Übereinstimmung
Das achte Sinfoniekonzert TOBS war etwas unkonventionell, fand aber beim Publikum am Schluss doch viel Anklang. Drei Komponisten, welche nicht dem klassischen Kanon angehören und von Mozart ein Werk, das auch eher selten im Konzertsaal erscheint. Das Konzert für drei Klavier, welches nach der Pause erklang, ist ein Gelegenheitswerk aus Mozarts Salzburgerzeit, ein Auftragswerk der Gräfin Lodron, für welche der Komponist 1776 auch noch zwei „Nachtmusiken“ (Divertimenti KV 247 und 287) schrieb. Ein Werk des jungen Mozart, welcher zwar noch ganz dem Rokoko und dem italienischen Einfluss gehört, aber doch köstliche Einfälle hat und Meisterschaft verrät. Die frühen Klavierkonzerte werden im Vergleich zu den später in Wien entstandenen oft unterschätzt, man sollte aber nicht vergessen, dass Mozart in dieser Zeit auch die als meisterlich geltenden Violinkonzerte G-Dur, D-Dur und A-Dur verfasst hat. Das Konzert KV 242 für drei Flügel erwies sich mit den Solisten Louis Lortie, Nathanaël Gouin und Nareh Arghamanyan als äusserst erfrischend und von grosser Schönheit, wobei das Orchester einen wesentlichen Anteil hat. Der Klang war duftig und klar, sowohl in den Streichern wie auch bei den drei Pianisten, trotz recht unerschiedlichen Temperamenten der Solisten doch ausgeglichen und sowohl gut artikuliert wie gediegen. Grosser Applaus für alle Beteiligten.
Vor der Pause erklang zunächst eine Ouvertüre des Mozart-Schülers Johann Nepomuk Hummel, der aber bereits den Übergang in die Frühromantik signalisiert. Vor allem die Einleitung hatte sehr aparte Klänge in Streichern und Horn.
Das Concertino für Klavier vierhändig von Leon Klepper erwies sich als hörenswerte Rarität. Obschon in den frühen 60-er Jahren uraufgeführt, atmet es den frechen Geist der Zwanziger- und Dreissigerjahre mit Anklängen an Jazz und zeitgemässer Unterhaltungsmusik und Kontrasten zwischen handgreiflichen Forteeinsätzen und beinahe süsslichen melodischen Partien. Die zwei jungen Solisten Nareh Arghamanyan und Nathanaël Gouin schienen in ihrem Element mit viel Draufgängertum und Klangsinn.
Vor der Pause dirigierte Kaspar Zehnder die Kammersinfonie für 23 Instrumente von Franz Schreker, der während eines guten Jahres der Lehrer von Leon Klepper war. Das Motto „Schüler und Lehrer“ schwebte über dem ganzen Konzert. Die Kammersinfonie ist ein äusserst farbiges Stück, typisch für Schreker, der im Gefolgen von Richard Strauss und Max Reger in sehr betont chromatischer Manier komponierte, hart an der Grenze zur Atonalität aber die bewusst nie überschreitend. Das Orchester und Kaspar Zehnder glänzten auch hier durch eine fein abgestimmte, klanglich sehr differenziert ausbalancierte Wiedergabe. Auch dieses Werk erscheint bei uns selten in den Programmen, ist aber eine durchaus willkommene Bereicherung abseits des „Mainstreams“.
Gebändigt und überlegt
Klavierrezital Rémi Geniet
Rémi Geniet, junger Pianist aus Paris, spielte
im Saal des Farelhauses in Biel ein Programm mit Beethoven, Prokofiev
und Ravel. Die erste Hälfte war zwei Beethoven-Sonaten gewidmet, die
zweite aus dem Opus 2 in A-Dur, gefolgt von der "Mondeschein"-Sonate op.
27 Nr. 2. Rémi Geniet versuchte einen authentischen Beethoven, mit
starken Akzenten und grossen dynamischen Gegensätzen. Manchmal auch, im
Finale der "Mondschein" mit Tempi an der oberen Grenze. Dabei gelang ihm
nicht
alles
gleich gut, aber das ist nicht entscheidend. Die positiven Seiten sind
ein doch gebändigtes Temperament und eine überlegte Interpretation. So
folgte er im ersten Satz des cis-moll-Sonate den Pedal-Vorschriften
Beethovens (senza sordino = ohne Dämpfer) und das führt auf dem modernen
Flügel zu verzerrten Klängen, die befremdlich wirkten. Über dieses Thema
der Pedalvorschriften von Beethoven sind Bücher geschrieben worden. Man
müsste auch berücksichtigen, welche Flügel Beethoven zur Verfügun
gestanden haben, Hammerklaviere welche noch, ähnlich wie beim Cembalo,
Registerzüge hatten, mit denen der Klang beeinflusst werden konnte.
Weniger zu Diskussionen Anlass gaben die Interpretationen der zweiten
Hälfte. Die 8. Klaviersonate von Sergei Prokofiev verlangt viel Technik
und auch klangliche Gestaltung und Übersicht über ein polyphones
Geflecht. Noch mehr Gestaltung des Klanges bei einer rauschenden Technik
verlangt "La Valse" von Maurice Ravel. Hier überzeugte Rémi Geniet
endgültig mit zupackender Virtuosität wie mit subtilen Übergängen, einer
äusserst differenzierten dynamischen Gestaltung und sehr einfühlsamen
Rubati. Zwei Zugaben, "Liebesfreud" von Fritz Kreisler in der
Bearbeitung von Serge Rachmaninoff und eine Mazurka von Frédérc Chopin,
schlossen sich stimmig an die vorangegangenen Werke an.
Eindrückliches Zusammenwirken
7. Sinfoniekonzert 2016_17
Das 7. Sinfoniekonzert des Sinfonieorchesters Biel Solothurn war ein Beweis für die Qualitäten, welche das Orchester unter der Leitung von Kaspar Zehnder inzwischen erreicht hat. Schon die eröffnenden „Réflexions“ von Elliott Carter, ein Werk eines 96-jährigen, zeigte den entspannten Umgang mit neuster Musik. Dabei glänzten die Bläser, vorab die Kontrabassklarinette von Patrik Urfer, aber auch das reich und differenziert eingesetzte Schlagzeug. Die nachfolgende 3. Sinfonie in D-Dur von Franz Schubert erfreute in ihrer Frische, Transparenz und Präzision. Wiederum spielten die Holzbläser eine Hauptrolle, vor allem Flöte und Klarinette hatten immer wieder Gelegenheit, sich in schönstem Licht und Klang zu zeigen. In Form und Ausdehnung ist das Werk des 18-jährigen Komponisten ganz klassisch, aber in der Thematik und im Klang ist es ein unverwechselbarer Schubert.
Das Violinkonzert in D-Dur op. 77 von Johannes Brahms ist ein Prüfstein für die Violinisten, aber nicht weniger auch für das Orchester und den Dirigenten. Es gilt zwischen Solopart und sinfonisch gestaltetem Orchesterpart einen Ausgleich zu finden. Das glückte den Interpreten des Abends, dem Geiger Feng Ning und Kaspar Zehnder mit seinem/unserem Orchester in reichem Masse. Der Violinist glänzte einerseits mit vollem Ton und unfehlbarer Intonation wie perfekter Technik in den Doppelgriffen, andererseits gelang ihm der Dialog mit dem Orchester, allen voran den Holzbäsern, speziell der Oboe, auf hervorragende Weise. Auch das Orchester ging beweglich auf den Solisten ein und so entstand über das ganze Werk ein sehr eindrückliches und fesselndes Zusammenspiel. Die Absichten des Komponisten wurden hier in sozusagen idealer Weise verwirklicht. Es war für die Zuhörer ein glückhaftes Konzert mit einer verdienten Standing Ovation zu Schluss.
Hohe Erwartungen erfüllt
Rezital Joseph Moog in Biel
Es war ein grosser Abend
mit Joseph Moog am Flügel. Er spielte in der Reihe RÉVÉLATIONS – JEUNES
INTERPRÈTES im Saal des Farel in Biel. Sein Programm begann mit der Fantasie
C-Dur von Joseph Haydn, ein „Capriccio“ nach den Worten des Komponisten aus
dem Jahr 1783. Bereits hier strahlte der Pianist absolute Sicherheit aus,
denn das heitere Stück klingt einfach, ist aber recht knifflig. In der
Sonate Nr. 3 op. 58 von Frédéric...
Chopin kam die technische Perfektion richtig zum Tragen. Das
Werk
ist in den Ecksätzen und auch in den Aussenteilen des Scherzo recht virtuos
angelegt, aber da sass jeder Ton, ob in Arpeggien, Läufen oder Koloraturen,
Akkord-Kaskaden oder Oktavpassagen, überall war die Technik unfehlbar. Und
liess Reserven für kleine Verzögerungen und nüancenreiche Differenzierung in
der Dynamik. In den eher gesanglichen Teilen entwickelte Joseph Moog eine
sehr gezielte Anschlagtechnik, ein gespürtes kantables Spiel. In den
Ecksätzen ergab sich durch die hohe Perfektion vielleicht ein etwas
unterkühltes Klima, wogegen der langsame Satz sehr tiefgründig wirkte.
Jedenfalls war es eine Chopin-Interpretation, die trotz Brillanz jede
Effekthascherei vermied und nie bloss auf äussere Wirkung zielte.
Die zwölf Klavierstücke „Träume am Kamin“ op. 143
von Max Reger sind sehr unterschiedlich, mal tatsächlich träumerisch,
klangversunken, gelegentlich auch mit Humor oder verschmitzt virtuos
angelegt. Die Anklänge an Brahms, Schumann oder Chopin sind eher als
Huldigungen zu verstehen. Joseph Moog vermochte die kurzzeitigen
Stimmungswechsel, die Schlichtheit (bei aller harmonischen Kühnheit), den
Klangzauber mancher Stücke hervorragend wiederzugeben. Das selten gespielte
Werk kam unter seinen Händen zu intimer und doch grossartiger Wirkung. Zum
vorläufigen Abschluss gab es ein brillantes Feuerwerk in der Ungarischen
Rhapsodie Nr. 12 von Franz Liszt. Auch hier bewunderte man die vollkommene
Beherrschung des pianistischen Handwerks und die dadurch mögliche
ausserordentliche Freiheit der Gestaltung in völliger Überlegenheit. Eine
fast ebenso virtuose Umspielung des Songs „S'wonderfull“ von George Gershwin
rundete den eindrücklichen Abend wirkungsvoll ab. Das Publikum reagierte mit
begeistertem Schlussapplaus.
Inhalt und Geist der Musik vermitteln
Rezital Luka Okros
Eigentlich wäre
noch ein Rückblick fällig auf das Konzert mit Luka Okros, dem Pianisten der das
Publikum restlos begeistert hat.
Sein Schubert - vie Impromtus op. 90 - war gradlinig,
schnörkellos, fast ein bisschen nüchtern, aber doch dynamisch reich abgestuft.
und Luka hat eine reiche Anschlagspalette, so dass er – für Schubert so wichtig
– innert kürzester Zeit einen neuen Klang und einen Klimawechsel erzeugen kann.
In den kantablen Teilen der beiden Chopin-Stücke - Etüde op. 25 Nr. 10 und Nocturne op. 15, Nr 1 - zeigte er, dass er den Flügel zum Singen bringen kann und in den leidenschaftlichen Passagen, auch in der halsbrecherischen “Oktaven”-Etude, zeigte er sowohl technische Souveränität, aber man spürte auch, dass es ihm nicht bloss um die Demonstration von Virtuosität geht, sondern darum, den Inhalt und den Geist einer Komposition zu erfassen und zu vermitteln.
Besonders spürbar war das bei den unübertrefflich vorgetragenen “Moments musicaux” op. 16 von Serge Rachmaninoff und auch bei der 2. Ungarischen Rhapsodie von Franz Liszt. Da kam auch ein Spielwitz zu tragen, wie er einerseits den rhapsodischen Teil gestaltete und im schnellen Teil (Lassú) immer noch Zeit fand bei aller Aberwitzigkeit kleine Verzögerungen und Freiheiten anzubringen. Der Flügel hielt stand, einerseits wegen der sorgfältigen Vorbereitung und auch, weil Luka Okros aus den Saiten Klangmassen entfesseln kann ohne je brutal zu werden.
Luka Okros hat begeistert und man hat in ihm einen grossartigen Pianisten erlebt, dem man eine ebenso grossarige Zukunft wünscht.