Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic
Biel Konzerte 2015
6. Dezember 2015 Klangvolle Substanz Danel-Quartett im Logensaal
20. November 2015 Begeisterung für russischen Klassizismus 3. Sinfoniekonzert 2015_16
25. Oktober 2015 Beethoven und Schönberg im Kontrast 1. Kammermusikkonzert TOBS
20. Oktober 2015 Beethovens Klavierkonzerte 2. Sinfoniekonzert TOBS
13. September 2015 Ein prachtvolles barockes Meisterwerk Marienvesper von Claudio Monteverdi
. September 2015 Schöpfunggeschichte musikalisch erzählt 1. Sinfoniekonzert 2015_16 (Aufführung in Bern)
31 August 2015 Junge Musiker spielen neue Werke Sommerkonzert 5 l'Art pour l'Aar
10. August 2015 Verregnete Sommer-Serenaden Sommerkonzerte 1 + 2
22. Juni 2015 Dubach und Paganini zum zweiten und dritten Festival "Les Chambristes"
21. Juni 2015 Vom Geigenvirtuosen bis zur Tanzperformance Festival ArtDialog
10. Juni 2015 Wohlklang und Rosen zum Saisonende 10. Sinfoniekonzert 2014_15
9. Juni 2015 Glanzvolle Konzerte vor magerer Kulisse Festival ArtDialog
31. Mai 2015 Lustvoll gespielte Suiten Daniel Müller-Schott, Cello
20. Mai 2015 Unerfüllbare Sehnsucht Alessandra Boer Französische Lieder
10. Mai 2015 Unbegreifliche Vollendung Quartett Alter Ego Schubert Str.quintett
6. Mai 2015 Tolle Leistung, begeistertes Publikum 9. Sinfoniekonzert 2014_15
26. April 2015 Requiem für einen geköpften König Requiem von Cherubini m. Choeur symphonique
19. April 2015 Klingendes Kleinod Hochwandorgel Stadtkirche
15. April 2015 Klassisch genau und romantisch mitreissend 8. Sinfoniekonzert 2014_15
29. März 2015 Musik, die nichts ausdrückt Piano and String Quartet von Morton Feldmann
25. März 2015 Musik unter dem Damoklesschwert 7. Sinfoniekonzert TOBS 2014_15
15. März 2015 Bis in die höchsten Töne Rezital Thierry Roggen in der Stadtkirche Biel
11. März 2015 Vladimir Guryanov gewann das Publikum für sich
6. März 2015 Von Heldentaten und dem Lob der Musik Konzertchor Biel-Seeland singt "Alexanderfest" von Händel
24. Februar 2015 Engel und himmlische Längen 6. Sinfoniekonzert in Biel 2014_15
22. Februar 2015 Junger Solist erwarb sich Sympathie Nicolas Caccivio im 3. Klavierkonzert von Beethoven
28. Januar 2015 Eine junge Virtuosin mit Gestaltungskraft Rezital von Claire Huangci in Biel
25. Januar 2015 Tasteninstrumente im Duett Konzert in der Kirche Twann
25. Januar 2015 Drei Werke, drei Stile Kammermusikkonzert im Stadttheater
21. Januar 2015 Schalk, List und Schmeichelei 5. Sinfoniekonzert 2014_15
Klangvolle Substanz
Das Danel-Quartett in Bieler Logensaal
Mit
dem Danel-Quartett lernte man am Sonntag im Logensaal eine sehr spannende und
inspirierte Streichquartett-Formation aus Belgien kennen. Namensgeber ist der
Primgeiger Marc Danel – in den ersten Jahren wirkten auch noch zwei weitere
Familienmitglieder im Quartett mit. Von Beginn an liess der sehr eigene Ton
aufhorchen. Felix Mendelssohns letztes Streichquartett in f-moll op. 80 hat
nicht die Lieblichkeit der früheren Quartette. Die Schroffheiten des Werks
wurden von Beginn an hervorgehoben, doch gleichzeitig verfügen die vier
Streicher (ausser Marc Danel sind es Gilles Millet, Vlad Bogdanas und Yovan
Markovitch) über Wärme im Klang und eine immerwährende Intensität auch in den
feinsten Pianissimi. Zu der grossen Spannweite in der Dynamik gesellen sich eine
reiche Nüancierung des Klangs und eine sehr wache Präsenz der Spieler und dazu
ein hervorragendes Zusammenspiel.
Emotional geladen
So war das Zuhören bei allen drei gespielten Werken ein Erlebnis. Nach Mendelssohn folgte das dritte Quartett des bei uns noch nahezu unbekannten, 1919 geborenen Russen Mieczyslaw Weinberg. Sehr emotional geladene Musik und doch satztechnisch gekonnt komponiert, stilistisch in der Nähe von Schostakowitsch aber mit einem sehr eigenen Ton.
Den Abschluss bildete das „Dissonanzen“-Quartett in C-Dur KV 465 von Mozart. Auch hier ein Klang mit Substanz auch in den feinsten Schattierungen. Ein gehaltvoller und bis in Details fein ausdifferenzierter Mozart, bei dem Ernsthaftigkeit vor Lieblichkeit und Eleganz stand.
Begeisterung für russischen Klassizismus
Das dritte Sinfoniekonzert TOBS war lang und anspruchsvoll und hinterliess doch ein begeistertes Publikum. Das Orchester unter Kaspar Zehnder und die beiden Weltklasse-Solisten Maria Milstein, Violine, und Gary Hoffman, Violoncello, überzeugten mit grossartigen Leistungen in schwierigen Stücken.
Zu verdanken war die hochkarätige Besetzung wohl auch der Zusammenarbeit mit der Chapelle Musicale Reine Elisabeth in Bruxelles. Das Konzert wird denn auch am 12. Dezember, insofern die Sicherheit in der berlgischen Hauptstadt es zulässt, im Rahmen des Music Chapel Festival wiederholt.
Neue Einfachheit
Auf dem Programm standen Werke der zwei wichtigsten russischen Komponisten der Sowjet-Zeit im zwanzigsten Jahr-hundert, Sergej Prokofiev und Dimitri Schostakowitsch. Die in Moskau geborene, in Amsterdam und London ausgebildete, in Bruxelles preisgekrönte Violinistin Maria Milstein spielte das zweite Violinkonzert op. 63 von Prokofiev.
Applaus für Maria Milstein, Violine, Kaspar Zehnder und das Orchester
Einerseits ist es eine Rückkehr des Komponisten zur „Neuen Einfachheit“ die vor allem melodisch geprägt und verständlich sein sollte, andererseits ist das Konzert gespickt mit violintechnischen Schwierigkeiten von höchster Virtuosität. Beides, die melodischen Elemente im ersten und zweiten Satz, der tänzerische Elan im dritten Satz und die raschen Arpeggien, Sprünge und auch feinen Umspielungen meisterte die Solistin mit stupender Technik und grosser Überzeugungskraft.
Frenetischer Beifall
Das zweite, noch fast gewichtigere Werk war das Sinfonische Konzert (oder Konzertante Sinfonie) für Violoncello und Orchester op. 125 von Prokofiev. Die drei Sätze des für den Cellisten Mstislaw Rostropovitsch komponierten Werks sind sehr ausgedehnt mit einer Gesamtdauer von über vierzig Minuten. Der Solist beginnt, wie im Violinkonzert mit breit angelegten melodischen Passagen, wird aber im Verlauf durch exorbitante und horrend schwierige Passagen, etwa eine ausgedehnte Solokadenz im zweiten Satz, gefordert. Der Solist Gary Hoffman gehört heute zu den Top-Cellisten und er konnte durch das Werk und sein Spiel die Zuhörer in seinen Bann ziehen. Allerdings geriet ihm und dem Orchester in diesem anspruchsvollen Stück nicht alles perfekt nach Wunsch und man hätte sich auch zuweilen mehr Emphase gewünscht. Namentlich zu Beginn wirkte er eher zurückhaltend. In den Variationen des letzten Satzes konnte er sich jedoch sowohl melodisch wie auch virtuos durchsetzen und erntete, wie die Violinistin zuvor, frenetischen Beifall.
Fröhlicher Inhalt
Nach der Pause wurde die 9. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch aus dem Jahre 1945 aufgeführt. Ein Werk von fast klassischem Zuschnitt und eher fröhlichem Inhalt, das aller Pathetik bewusst aus dem Wege geht. Das Werk ist für das Orchester, sowohl die Streicher wie auch die Holzbläser doch mit beträchtlichen Schwierigkeiten angereichert. Unter der straffen und gleichzeitig mukalisch packenden Führung von Kaspar Zehnder zeigte das Orchester aber auch wie in den vorangehenden Werken seine Qualitäten. Die Sinfonie geriet sehr effektvoll und verfehlte die Wirkung auf das Publikum nicht, obwohl nach dem überraschenden Schluss der Beifall zunächst zögerlich einsetzte. Ein hoch interessantes Konzert mit russischem Klassizismus, das ein erstaunlich zahlreiches Publikum anlockte und auf viel Zustimmung stiess.
Beethoven und Schönberg im Kontrast
1. Kammermusikkonzert TOBS
Im Logensaal fand am Sonntag das erste Kammermusikkonzert mit Musikern des Sinfonieorchesters Biel Solothurn statt. Beteilligt war auch der Solist des Sinfoniekonzerts, der Pianist Giovanni Bellucci.
Das Programm nahm Bezug auf Wien, mit Beethoven als prominentem Wiener Klassiker und Arnold Schönberg als Begründer der zweiten Wiener Schule. Zu Beginn spielte Giovanni Bellucci das zweite der Klavierstücke op. 11 von Arnold Schönberg in einer Bearbeitung von Ferruccio Busoni. Die Klavierstücke op. 11 von Schönberg markieren den Beginn der atonalen Musik, aber Busoni hat das nicht begriffen und die Musik Schönbergs mit Klängen ergänzt, die wiederum sozusagen in die Tonalität zurückführen. Ein originelles und aufschlussreiches Missverständnis, das hier in Schweizer Erstaufführung erklang.
Geniale Transkription
Franz Liszt hat alle neun Sinfonien von Beethoven aufs Klavier übertragen. Es sind geniale Transkriptionen, welche die Musik Beethovens nicht verschleiern, sondern im Gegenteil deren geniale Struktur oft entschlüsseln. Er hält sich dort nicht an die originale Partitur, wo es gilt, den ganzen Orchesterklang mit den Möglichkeiten von zehn Fingern auf der Klaviatur wiederzugeben. Diese Bearbeitungen waren lange Zeit etwas verpönt, doch in jüngerer Zeit übernahmen es ausgezeichnete Pianisten, diese Werke wieder aufzuführen. Die besten Wiedergaben zeichnen sich dabei durch Klarheit und Verständlichkeit auch in den dichten und kompakten Stellen aus. An diese Interpretationen reichte die Aufführung durch Giovanni Bellucci nicht heran. Die ersten drei Sätze waren bis auf Details hinnehmbar, im Finale überforderten die vielen Noten die Möglichkeiten des Pianisten und es war bloss noch laut.
Fantastisch und exaltiert
Foto von der Uraufführung des "Pierrot" in Berlin, in der Mitte hinten Schönberg.
Das erfreulichste Erlebnis dieses Sonntagnachmittags war die Aufführung des "Pierrot lunaire", einem Melodram von Arnold Schönberg auf Gedichte von Albert Giraud, das musikgeschichtlich Epo-che machte, durch vier Musiker des Orchester und den Pianisten Giovanni Bellucci. Zum einen war die Mezzosopranistin Laure-Anne Payot dem Gesangspart, der zwischen eigentlichem Gesang und Sprechgesang fast pausenlos hin- und her pendelt, hervorragend gewachsen. Sie traf sowohl die Töne wie auch den richtigen Ton, zwischen skurrilen und fantastischen Stimmungen und Exaltiertheit vollkommen. Einziges Manko vielleicht die nicht immer gewährleistete Textverständlichkeit.
Ähnliches ist von den Instrumentalisten zu berichten. Giovanni Bellucci fügte sich hier sehr gut und präzis ins Ensemble ein. Polina Peskina brachte dunkle Flöten- und schrille Piccolotöne ein. Markus Niederhäuser lieferte satte und dunkle Farben auf Klarinette und Bassklarinette. Filip Michal Saffray steuerte interessante Klänge auf Violine und Viola bei, und Joonas Pitkänen meisterte den äusserst schwierigen Cellopart souverän. Zusammen fanden auch sie den charakteristischen Klang und den richtigen Ausdruck für dieses trotz der schrillen und oft sehr dissonanten Klänge für den Zuhörer immer wieder sehr dankbaren Werks. Irrtum vorbehalten fand die letzte Aufführung in Biel Ende der sechziger Jahre statt, und umso verdienstvoller war eine Wiederbegegnung. Bloss schade, dass nicht ein zahlreicheres Publikum den Weg in den Logensaal fand.
Beethovens Klavierkonzerte - eigenwillig gestaltet
2. Sinfoniekonzert Sinfonieorchester Biel Solothurn
An zwei Abenden spielte Giovanni Bellucci zusammen mit dem Sinfonieorchester Biel Solothurn unter Kaspar Zehnders Leitung die fünf Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven. Beide Abende waren gut besucht und endeten mit Standing Ovations.
Die Begeisterung war gross. Kritische und sogar ablehnende Stimmen waren allerdings auch zu hören. Jedenfalls liessen die zwei Abende das Publikum nicht gleichgültig, und das ist gut so. Es gab entrückende, beglückende und ergreifende Momente, es gab auch Fragen und sogar gelegentliche Mängel.
Der italienische Pianist Giovanni Bellucci wagte einen persönlichen und auch unkonventionellen Zugriff auf die fünf Werke, die im Schaffen Beethovens wie auch in der Musikgeschichte eine besondere Stellung einnehmen. Das war jedenfalls spannend und hielt die Aufmerksamkeit wach. Für das Orchester waren die beiden Konzerte eine Herausforderung, die es mit seinem Chef Kaspar Zehnder glänzend bestand. Es war nicht immer leicht, dem eigenwilligen Solisten zu folgen, ab und zu gab es auch die eine oder andere Ungenauigkeit im Zusammenspiel.
Entwicklung von Form und Ausdruck
Beethoven folgt zu Beginn seiner Laufbahn und besonders im Klavierkonzert dem Vorbild Mozart. Das erste Konzert in B-Dur, das als zweites veröffentlicht wurde, könnte über weite Strecken von Mozart sein. Wie bei Mozart sind die Klavierkonzerte persönliche Bekenntnisse und Zeignisse der jeweiligen persönlichen Entwicklung. Dazu hat er die Bedeutung des Orchesters als geichberechtigten Partner ausgebaut und gleichzeitig die Möglichkeiten des Flügels, der zu seiner Zeit eine wesentliche Entwicklung erfuhr, in klanglicher wie in spieltechnischer Hinsicht immer weiter ausgeschöpft.
Irritierende ujnd Beglückendes
Von Beginn an schlug Giovanni Bellucci sehr zügige Tempi an und auch in klanglicher Beziehung knüpfte er an neuere Interpreta-tionsauffassungen – Stichwort: historische Aufführungspraxis – durchaus an, wenn auch mit serh persönlicher Färbung. Auch das Orchester folgte in dieser Hinsicht mit einem klaren, transparenten Klang. Der ungestüme Zugriff forderte auch seinen Tribut. Schon am ersten Abend zeigte der Pianist einen Hang zur unbeherrschten Beschleunigung und oft war er am Ende einer Phrase zu früh fertig, Abschlüsse gerieten hastig oder wurden mit einem unbegründeten Akzent wieder ins Lot gebracht. In den Melodielinien gab es irritierende Akzente und Hervorhebung einzelner Töne. In den sehr raschen Tempi waren auch Läufe und Arpeggien verwischt – andererseits auch wieder glasklar. Das Verwischen in den Akkordbrechungen war nicht immer eine Sünde, sondern entsprach dem Begriff arpeggio, der von der Harfe abgeleitet ist. Und Fragen des Pedals kann man positiv sehen, die Hammerklaviere der Beethoven-Zeit hatten nicht die strenge Dämpfung des modernen Flügels und Beethoven führte das Klangspiel mit dem Pedal ganz bewusst in seinen Klavierstil ein.
Spannungsvolle Vermittlung
Der Solist erlaubte sich, etwa im Finale des C-Dur-Konzert auch Freiheiten der Tempogestaltung, die positiv zu werten sind. Glanzlichter waren auch jeweils die langsamen Sätze, die den wahr und tief empfindenden Beethoven auf ergreifende Weise erleben liessen. Das improvisierende und impulsive Genie Beethovens brach durch und man schätzte erneut die geniale Erfindungskraft des Komponisten. So gesehen bot der Pianist eine Sicht auf Beethoven, die einen nicht gleichgültig liess. Auch wenn man nicht in jedem Moment einverstanden war, wurde die Musik spannungsvoll und hoch interessant vermittelt. Von Pianist, Dirigent und Orchester aus waren die beiden Abende eine bewundernswerte Leistung, die den grossen Applaus verdiente.
Ein prachtvolles barockes Meisterwerk
Die Marienvesper von Claudio Monteverdi
Ein nicht alltägliches Ereignis war die Aufführung der „Marienvesper“ von Claudio Monteverdi durch den Bieler Kammerchor in der Stadtkirche.
Der von Alfred Schilt geleitete Bieler Kammerchor hat sich – nicht zum ersten Mal - mit dem Barockorchester „Allegria musicale“ (Konzertmeister Andreas Heiniger) zusammen gefunden. Das Orchester spielt auf historischen Instrumenten, und neben den Streichern waren für Monteverdi drei Zinken, ein Dulcian und drei Barockposaunen aufgeboten, dazu eine Continuogruppe aus Orgel und zwei Theorben.
Frühbarockes Klangbild
Daraus ergab sich ein Klangbild, das in etwa dem der Zeit um 1610 entspricht, als die „Marienvesper“ entstand. Das Orchester leistete Vorzügliches und die Instrumentalisten waren voll auf der Höhe ihrer Aufgabe, so dass von dort her das Hörerlebnis den hohen Erwatungen entsprach. Die stark instrumental geprägte „Sonata sopra Sancta Maria“ mit den Chorsopranen im Cantus firmus kam so zu besonders ausgeprägter Wirkung.
Räumliche Klangvorstellungen
Und auch der Chor war vorzüglich einstudiert und brachte einen dem Werk und der Epoche entsprechenden Klang hevor mit einer durchwegs ausgezeichneten Intonation, mit viel Beweglichkeit in den Tempo- und Rhythmuswechseln und auch flexibel in der Aufstellung für die verschiedenen Teile der Vesper.
Gelegentlich wurde auch der Raumklang genutzt, etwa bei den Echo-Arien, und für einen Teil wurden die Solisten auf die Orgelempore verlegt. Das entsprach nicht ganz den Möglichkeiten der mehrchörien Aufstellung in der Kirche San Marco von Venedig, gab aber doch einen Eindruck von den räumlichen Klangvorstellungen des Komponisten.
Homogenes Solistenquintett
Die Solisten ergaben ein homogenes Quintett mit lauter Stimmen, die in der barocken Aufführungspraxis geschult sind. Barbara Locher und Nuria Richner sangen die Sopranpartien, Sebastian Lipp und Hans-Jürg Rickenbacher waren für die Tenorpartien zuständig, und Peter Brechbühler war den Aufgaben als Bariton gleichermassen hervorragend gewachsen. So waren insbesondere auch die Duette und Terzette dank der Ausgeglichenheit der Timbres sowohl bei den frauen- wie bei den Männerstimmen ein besonderer Hörgenuss.
Es war insgesamt eine qualitativ hochstehende und stilistisch einwandfreie Aufführung, die von Alfred Schilt mit grosser Kompetenz geleitet wurde.
Schöpfungsgeschichte musikalisch erzählt
Genesis Suite im Berner Münster
Zur Eröffnung des Musikfestivals Bern fand im Berner Münster eine Aufführung der Genesis-Suite statt, einem Gemeinschaftswerk von sieben Komponisten, die nach den USA emigriert waren. Aufführende waren das Sinfonieorchester Biel Solothurn mit dem Chor des Theaters Biel Solothurn unter der Leitung von Kaspar Zehnder.
Es war eine Schweizer Erstaufführung des 55 Minuten dauernden Werks, zu dem sieben Komponisten auf Einladung von Nathaniel Shilkret einen Beitrag geliefert haben. Aufgeführt wurde die Genesis Suite auf Texte der biblischen Schöpfungsgeschichte 1945 in Los Angeles, geriet aber anschliessend in Vergessenheit. Es gibt eine Plattenaufnahme von 1945 und später von 2000, wobei das Notenmaterial teilweise rekonstruiert werden musste, weil Teile davon offenbar verloren gegangen waren. Nathaniel Shilkret war ein jüdischer Musiker, dessen Familie schon Ende des 19. Jahrhunderts aus Österreich nach den USA ausgewandert war. Er hatte als Kind und Jugendlicher Erfolge als Instrumentalist und Bandleader, schrieb zahlreiche teilweise sehr erfolgreiche Songs für Filme, dirigierte Orchester und spielte mit klassischen Stars wie Jazzgrössen zusammen.
Moderne Tonsprache
Er hatte die Idee, sechs andere jüdische Komponisten, die vor dem Nazi-Regime nach Kalifornien geflüchtet waren zu der Komposition einer Suite auf Texte des alten Testaments einzuladen. Arnold Schönberg schrieb ein Prélude „Die Erde war wüst und leer“, eine strenge Zwölftonkomposition, die jedoch, wie die Aufführung in Bern zeigte, für den Hörer vor allem dank ihrer farbigen Orchestration unmittelbar zugänglich ist. Ein weiterer Klassiker der Moderne, Igor Strawinsky, schrieb den letzten Teil „Babel“ über den Bau des Turms und die „babylonische Sprachverwirrung“. Auch diese Komposition bedient sich einer modernen Tonsprache, auch wenn Strawinsky in gewisser Hinsicht als Antipode von Schönberg galt, ist aber auch milder als andere Werke des Komponisten aus dieser Zeit. In der Mitte steht die Geschichte von „Kain und Abel“ zu der der Franzose Darius Milhaud die Musik schrieb. Sie ist für diesen Vertreter des „Groupe des Six“ aus Paris, welche eher eine unpathetische und antiromantische Musik anstrebte, doch recht üppig und farbenreich.
Romantischer Klangrausch
Gänzlich im spät- und nachromantischen Gefühlsrausch der Fimmusiken für Hollywood bewegen sich die Beiträge von Nathaniel Shilkret, Alexandrer Tansman, Mario Castelnuovo-Tedesco und Ernst Toch. Da wird im gross besetzten Orchester mit viel Blech, Schlaginstrumenten, Harfe und Celesta ein bisweilen fast süsslicher Klangrausch erzielt, wie man ihn aus den grossen Filmepen dieser Zeit kennt. Es waren ja noch andere emigrierte europäische Komponisten wie etwa Erich Wolfgang Korngold, der in jungen Jahren erfolgreiche Opern geschrieben hatte und nun wieder entdeckt wird, für die amerikanische Filmindustrie tätig. Im Gegensatz zu Schönberg, Strawinsky und Milhaud, die sich nicht den Gesetzen der kommerzialisierten Filmmusik unterwarfen, scheuten diese Komponisten nicht vor eingänglichen, ja süffigen und melodiösen Tonschöpfungen zurück, welche die Farbenpracht des spätromantischen Orchesters sozusagen hemmungslos und wirkungsvoll und auch eindrucksvoll ausnützten.
Üppige Klangfülle
Die Aufführung im Berner Münster mit der die Musik stark unterstützenden Akustik und mit einem gross besetzten Bieler Sinfonieorchester und dem Theaterchor brachte die Üppigkeit und Klangfülle der sieben Werkteile zu starker Wirkung, auch wenn die gelegentlich ans Kitschige grenzende Farbigkeit mit den Klischees von Harfenglissandi und dem süsslichen Klang der Celesta manchem Klassikliebhaber fast zu buntscheckig erschien. Die Sprecherin Noëmi Gradwohl hatte in den deutschen Bibeltexten aus der neuen Zürcher Bibel trotz Verstärkung oft Mühe, gegen die Klangmassen zu bestehen. Das Orchester klang eigentlich unter der Führung von Kaspar Zehnder vorzüglich und auch der Theaterchor konnte sich in teils schwierigen Partien, etwa bei Schönberg, gut behaupten. Die Eröffnung des Berner Musikfestivals wurde vor dem Konzert im Münster und am Schluss auf dem Münsterplatz mit hundertfachem Schlagzeug, Feuerwerk und Glockengeläut begangen. Die Genesis-Suite kommt am Dienstag in Königsfelden und am Mittwoch im Kongresshaus von Biel (1. Sinfoniekonzert TOBS) zu weiteren Aufführungen.
Junge Musiker spielen neue Werke
5. Sommerkonzert
Im 5. Sommerkonzert waren nicht bloss ausschliesslich Stipendiaten der Nachwuchsförderung am Werk, unter der Leitung von Lennart Dohms spielten sie im Calvinhaus zudem fünf neue Werke von lebenden und anwesenden Berner Komponisten der Gruppe „L'art pour l'Aar“, davon vier Uraufführungen. Trotz des anspruchsvollen Programms fanden sich etwa gleich viel Leute wie beim eröffnenden Mozart-Programm ein, das ist für die nicht unbedingt sommerliche zeitgenössische Musik doch ein gewisser Erfolg.
Gegensätze und Schroffheiten
Markus Hofer im Gespräche mit Dirigent Lennart Dohms
Das Konzert wurde mit einer Uraufführung von Markus Hofer eröffnet. „maya's garten – orchester-variationen“ basiert auf Gegensätzen: Krieg und Frieden, Gut und Böse, Sychwarz und Weiss, „kindliche Unbeschwertheit“, „Kämpfen für das Gute“ „an das Schwere mag ich nicht denken“, so umschreibt der Komponist die Gedanken die dem Werk zugrunde liegen. Es gibt harte Einsätze, aber auch lyrische Momente.
Das zweite Werk, „Nuances“ von Peter Streiff kennt weder Gegensätze noch Schroffheiten, es ist eines der Minimalmusik abgeschautes, sich ständig bewegendes Kaldeidoskop von kleinen Motiven und Farbtupfern, ohne Emotion und ohne Ausbrüche.
Vor der Pause erklang als drittes Werk „Concerto per strumenti“ ebenfalls als Uraufführung von Hans Eugen Frischknecht. Im Gegensatz zum Solistenkonzert, worin ein Solist vor dem Orchester postiert ist findet Frischknecht seine Solisten im Orchester oder hier in einem Ensemble von knapp zwanzig Solis-ten. Manche solistischen Einwürfe sind ruppig, andere, etwa das Zwiegespräch zwischen Flöte und Perkussion oder Oboe und Vibraphon oder Marimba sind erstaunlich lieblich. Ein Werk jedenfalls, das die Absichten des Komponisten voll erfüllt.
Spannungen und Energien
Auch konzertant ist das Stück von Marco Antonio Pérez-Ramirez (der übrigens auch in der Verwaltung von Theater Orchester Biel Soothurn arbeitet). „Shouting Silences“ ist fast ein einsätziges Cellokonzert, wie der Komponist sagt, aus gebrochenen Linien, aus der Stille entspringen Spannungen und Energien. Perez-Ramirez schöpft die Inspiration nicht aus aussermusikalischen Quellen, sondern aus der Praxis des Schreibens selbst, ohne vorgegebene Form, sondern dem Moment des Arbeitens selbst entsprungen. Jedenfalls ist es eine durchaus fesselnde Musik, die von der Solistin und den Partnern im Ensemble wirkungsvoll ausgeführt wurde.
Hommage an B-A-C-H
Jean-Luc Darbellay, dessen Werk „Vagues“ zuletzt gegeben wurde, ist ein Klangkünstler. Die beginnenden Klänge der verschieden grossen Tamtams und Gongs verbunden mit der Bassklarinette sind verführerisch und erinnern von fern an den Beginn von „La Mer“ von Claude Debussy. Auch eine Anspielung an Bach, von dem Beethoven gesagt haben soll „Meer sollte er heissen...“.Aber Darbellay hat seine eigene Sprache, die sich im Laufe des Stücks über das Motiv B-A-C-H durchsetzt. Es ist Musik, die am ehesten von den fünf Komponisten unmittelbar ins Ohr geht und durch ihre Klanglichkeit fasziniert.
Die jungen Praktikantinnen und der Dirigent Lennart Dohms liessen allen Werken viel Sorgfalt und auch den nötigen Elan angedeihen. Für sie war die Auseinanderstzung mit den neuen Werken auch eine willkommene und nützliche Erfahrung.
Verregnete Sommer-Serenaden
Mit zwei Praktikanten-Konzerten haben die diesjährigen Sommer-konzerte des Sinfonieorchesters Biel Solothurn begonnen. Allerdings wettermässig unter keinem guten Stern und auch qualitativ ist das Ergebnis eher durchzogen.
Statt im Stadtpark standen am Donnerstag etliche Musikfreunde vor dem Calvinhaus in Mett, allerdings vor veschlossenen Türen. Das kontaktierte Wettertelefon verkündete dann, dass das Konzert auf Freitag verschoben worden war. Am Freitag fanden sich dann knapp fünfzig Zuhörerinnen im Calvinhaus ein, nicht eben viel für die einst sehr populären Sommerkonzerte, die auch bei schlechtem Wetter mehrere hundert Leute in einen heissen und überfüllten Saal gelockt hatten.
Himmlische Schönheit
Auf dem Programm stand ein einziges Werk, allerdings das tatsächlich vielleicht schönste Bläserstück der Musikgeschichte, die Gran Partita oder Bläserserenade in B-Dur KV 361 von Wolfgang Amadeus Mozart. Mit zwölf Bläsern und Kontrabass ein relativ gross besetztes Stück wobei die vier Hörner und neben den zwei Klarinetten die zwei Bassetthörner auffallend sind. Ein Werk, das in Manchem über die reine Unterhaltungsmusik hinaus weist und von „himmlischer“ Schönheit und Vollkommenheit ist. Die Bläserpraktikanten und ebenso viele Musiker des Orchesters unter Christian Knüsel meisterten das Werk ansprechend. Der musikalische Genuss stellte sich für die Zuhörer durchaus ein. Auch wenn man berücksichtigt, dass die jungen und die schon erprobten Musiker erst wenige Tage zusammen spielten. Streng genommen hätte man sich etwas mehr Differenzierung in der Dynamik wünschen können und vor allem mehr Plastizität zwischen Haupt- und Nebenstimmen. So hatten etwa im wundervollen Adagio die Soli der Klarinette und des Bassetthorns Mühe, sich durchzusetzen.
Unbekannt und selten gespielt
Am Samstag fand in der Aula des Bärletschulhauses in Brügg eine Streicherserenade statt. Auch wieder etwa hälftig durch Praktikantinnen und ständige Mitglieder des Orchesters besetzt. Unter der Leitung von Hartmut Rohde kam die Streicher-Serenade in C-Dur op. 2 des bei einem Lawinenunglücks jung verstorbenen polnischen Komponisten Mieczislaw Karlowicz zum erklingen. Der Komponist ist hierzulande kaum bekannt und die Serenade ist fast ein Jugendwerk des 21-Jährigen im Stil der deutschen Spätromantik, beeinflusst von Richard Strauss aber mit eingen polnischen Charakteristiken.
Bei den Streichern spürte man vor allem in dieser doch nicht leicht zu bewerkstelligenden Serenade etliche Mängel im präzisen Zusammenspiel und in der Intonation vor allem bei den hohen Streichern. Manches kam trotz der Bestrebung zur Belebung des Ausdrucks doch auch recht hemdsärmlig daher. Die nachfolgende Serenade in Es-Dur von Josef Suk aus etwa derselben Zeit des beginnenden 20.Jahrhunderts wird leider auch relativ selten aufgeführt und ist doch ein sehr reizvolles und gut komponiertes Stück des damals noch jungen Schülers und Schwiegersohns von Antonin Dvořak. Bei den auch nicht so zahlreichen Zuhörern kamen beide Werke gut an, liessen für den kritischen Hörer aber nicht verborgen, dass für die jungen Musiker noch etliche Arbeit bis zur Orchesterreife bevorsteht.
Dubach und Paganini zum zweiten und dritten
Mit drei Konzerten in der Kirche St. Stephan in Mett begingen die "Chambristes", ein Ensemble aus Bieler Musikern, am vergangenen Wochenende ein kleines Festival. Im Mittelpunkt der grossartige Paganini-Interpret Alexandre Dubach.
Am Samstag sang die Sopranistin Rosa Elvira Sierra Arien aus verschiedenen Opern. Am Sonntag und Montag war, wie auch schon vor Wochenfrist beim ArtDialog-Festival, der Geiger Alexandre Dubach dabei. Einen Schwerpunkt setzte auch der Gitarrist Anton Kudriavtsev in Werken von Niccolo Paganini, in denen auch Alexandre Dubach mitwirkte.
Neues und Raritäten
Ausser den Werken von Paganini setzten die "Chambristes" auf kleinere Kammermusikstücke von unterschiedlichem Wert, die aber wegen ihrer Rarität doch von Interesse waren. So erklang ein Duo für Flöte und Fagott - eine Fantasie über ein albanisches Lied - in Uraufführung von Pierre-André Bovey, und vom Neuenburger Komponisten Jean-Philippe Bauermeister wurde ein Concertino für Fagott und Streichquartett aufgeführt. Doruntina Guralumi spielte in beiden Stücken das Fagott. Sie wirkte auch in den acht Duos für Bratsche und Fagott von Philippe Hersant mit, Miniaturen mit vorwiegend humoristischen Effekten. Stimmungsvoll war ein kurzes Werk für Flöte und drei Violinen von Julian Silverman, das mit dem Flötisten Pierre-André Bovey am dritten Abend gespielt wurde.
Anton Kudriavtsev glänzte am Sonntagabend mit drei Solostücken von Heitor Villa-Lobos, Federico Morena-Torroba und Mario Castelnuovo-Tedesco. Und zusammen mit Alexandre Dubach spielte er wie schon am Sonntag zuvor drei Kompositionen von Paganini für Violine und Gitarre, worunter die Bravour-Variationen, die als Grundlage für das berühmte 24. Caprice des grossen Violinisten und Komponisten dienten. Eine Rarität war auch eines der Quartette für Gitarre und Streichtrio von Paganini, wobei die Gitarre hier eher begleitende Funktion hat und die erste Violine, von Dubach gespielt, eher im Mittelpunkt steht.
Selten gespieltes Violinkonzert
Höhepunkt der dreitägigen Veranstaltung war wohl das 5. Violinkonzert Paganinis, ein selten gespieltes Werk, das nach hübschen Stücken von Mozart, Silverman und Domenico Cimarosa für Flöte und Streicher den fulminanten Abschluss des Festivals bildete. Da konnte Alexandre Dubach erneut mit seiner stupenden Technik auftrumpfen, aber im langsamen Satz auch eine wunderschön ausgesungene Kantilene auf einer ausgeliehenen Stradivari mit verführerischem Schmelz interpretieren und im tänzerischen Schlusssatz ein spritziges Feuerwerk zünden. Wieder genoss man neben den geigerischen Kunststücken den noblen und beseelten Ton des grossen und bescheidenen Künstlers aus Thun. Begleitet wurde er von einem kleinen Orchester aus einigen Streichern, Flöte und Fagott, ein gelungenes Arrangement des Bratschisten Frédéric Carrière. An zwei Wochenenden kamen die Bieler Musikfreunde in den Genuss von vier Konzerten mit einem mit seinem Können verschwenderisch umgehenden Geigenvirtuosen der ersten Güteklasse zu unvergleichlich niedrigen Eintrittspreisen (Kollekte) und immer fanden nur ein knappes halbes Hundert Zuhörer den Weg zumal in die älteste, vor Jahren stilvoll restaurierte St. Stephans-Kirche von Mett, einem Konzertort, wo Kammermusik in idealem Rahmen stattfinden kann.
Vom Geigenvirtuosen bis zur Tanzperformance
Das Festival ArtDialog endete am Wochenende mit Konzerten im Logensaal und in der Residenz Au Lac. Das Wochenende zuvor war geprägt von einem Tanzauftritt und Orchesterkonzerten mit dem Geigenvirtuosen Alexandre Dubach. Die künstlerische und besuchermässige Bilanz fällt durchmischt aus.
Künstlerisch wurden an beiden Wochenenden Höhepunkte erreicht. Die Auftritte des Violinisten Alexandre Dubach sind immer lohnenswert, einmal weil er als Spezialist für Niccolo Paganini immer noch fast unübertroffen ist. Er spielte im Bieler Logensaal das vierte Violinkonzert in d-moll und zeigte nebst beinahe selbstverständlicher aber immer noch verblüffender Geigentechnik auch ein sinnliches Spiel, in dem er jede Note und jede Phrase belebt und beseelt, mit einem oft süssen, aber keinesfalls süsslichen Klang. Dazu ist er immer grosszügig mit Zugaben und verwöhnt sein Publikum reichlich. Konzerte mit Dubach und dem kleinen Festival Orchester fanden auch in Neuenstadt und auf der St. Petersinsel statt.
Noble Tongebung
Ein schönes Erlebnis war auch das Rezital des Cellisten Miklós Perényi aus Ungarn mit dem Pianisten Imre Rohmann im Saal der Loge. Das Programm war vielseitig und nahrhaft und reichte von Beethoven - zwei frühe Variationenzyklen über Themen aus der "Zauberflöte" - über Schuberts "Arpeggione"-Sonate zu Sonaten von Zoltán Kodály, Francis Poulenc und Claude Debussy aus dem frühen 20. Jahrhundert. Beim Cellisten schätzte man die zurückhaltende und noble Tongebung und eine sehr differenzierte Gestaltung. Sein Partner am Flügel war ein ebenbürtiger Partner, der bei Beethoven und Poulenc etwas dominierte aber gleichzeitig viel zur spannungsvollen Interpretation der Werke beitrug.
Farbenreiches Tongemälde
Ein Abschlusskonzert mit dem Schweizer Klaviertrio (Martin Lucas Staub, Klavier, Angela Golubeva, Violine, und Sébastien Singer, Cello) und dem Klarinettisten Dimitri Vasylyev vermittelte Rimsky -Korsakovs grosses viersätziges und farbenreiches Tongemälde "Scheherazade" in einer Kammerversion. Dazu las Erich Hufschmid eine der recht umfangreichen Geschichten aus "Tausendundeine Nacht" und von Arthur Spirk stammten sehr schön passende Video-Bilder aus dem "Traumland Orient".
Vielseitiges Festival
Waren die künstlerischen Ergebnisse für die Zuhörer doch sehr lohnend, so war das Interesse des Publikums sehr unterschiedlich. Mehr Zuspruch hätten die Kammermusikkonzerte und das Chorkonzert zu Beginn verdient, während der ukrainische Chor ausserhalb Biels starke Beachtung fand und die Tanzperformance mit "Lejeuneballet" in der Residenz Au Lac zahlreiche Besucher anlocken konnte. Das Festival bietet ausser Musik ja auch bildende Kunst und dazu noch Weindegustationen an. Wenn auch die Besucherzahlen insgesamt noch merklich gesteigert werden könnten, so ist doch Dimitri Vasylyev, der künstlerische Leiter, mit dem Ergebnis im Ganzen zufrieden und betont, das Festival werde definitiv auch im nächsten Jahr stattfinden.
Wohlklang und Rosen zum Saisonende
Das letzte Sinfoniekonzert der Saison fand im gut besetzten Kongresshaussaal eine ebenso gute Aufnahme. Kevin Griffiths dirigierte das Sinfonieorchester Biel Solothurn in Werken von Händel, Martinů und Beethoven.
Der Schlusspunkt war auch der Höhepunkt des Konzerts. Mit den Solisten Christine Busch, Violine, Conradin Brotbeck, Violoncello, und Adrian Oetiker, Klavier, erklang das Tripelkonzert in C-Dur, op. 56 von Ludwig van Beethoven. Gerade bei dieser gelungenen Aufführung blieb einmal mehr schleierhaft, wieso dieses Konzert im Vergleich zu andern Werken Beethovens immer herab gesetzt wird. Klar: Es ist nicht revolutionär wie die dritte Sinfonie "Eroica" mit der Opuszahl 55, und auch die andern benachbarten Werke wie die "Appassionata", die "Waldstein"-Sonate oder das vierte Klavierkonzert sind in jedem Fall kühner. Doch die klassische Form ist auch in diesem Konzert nicht leere Hülle sondern voller wunderschöner Einfälle, auch wenn der Tonfall insgesamt heiter ist, was man partout nicht mit Beethoven in Einklang bringen will.
Gut gelaunter Beethoven
Die Interpretation ist anspruchsvoll und scheitert nicht selten, denn es braucht drei tüchtige Solisten (auch wenn der Klavierpart weniger schwierig ist als bei den Klavierkonzerten), die aber auch kammermusikalisch erprobt sind und bereit, aufeinander einzugehen und dazu ein organisches Wechselspiel mit dem Orchester.
Diese Voraussetzungen waren an diesem Abend gegeben. Vielleicht mit der einzigen Ausnahme, dass die Solo-Streicher gegenüber dem Klavier volumenmässig etwas im Hintertreffen waren. Aber im Ganzen war es eine beglückende Wiedergabe, mit wunderschönen lyrischen Passagen und viel Energie und Elan in den eher zupackenden Teilen. Ein lieblicher und gut gelaunter Beethoven ohne Schwächen.
Zahme Mischung
Vor der Pause ging es barock und neobarock zu mit einem Concerto grosso in D-Dur op. 6 Nr. 5 von Georg Friedrich Händel. Hier war alles zwar sauber aber doch etwas zahm. Eine Mischung aus traditioneller und historisch orientierter Interpretation, was weder Fisch noch Vogel ergibt. Schön und harmlos. Da hätte es mehr Zugriff gut vertragen. Diesen Zugriff hatte aber wiederum das weitgehend neobarock orientierte Doppelkonzert für zwei Streichorchester, Klavier und Pauken von Bohuslav Martinů, eine typische Komposition mit typischer Besetzung aus der Zeit des Neoklassizismus und Paul Sacher mit seinem Basler Kammerorchester, das etliche ähnliche Werke in Auftrag gab.
Klangliche Sogwirkung
Nach vielen Jahrzehnten ist man jeweils gespannt, ob ein solches Werk uns heute noch anspricht oder ob es bereits fossilen Charakter hat. Martinů hat die Probe bestanden. Trotz einiger Passagen die der trockenen Barockauffassung der Jahrhundertmitte und einer etwas stereotypen Motorik entsprechen, zeigt das Werk Wirkung und hat einen gewissen Sog. Mancherorts, etwa im zweiten, langsamen Satz, auch schöne klangliche Passagen, in denen vielleicht die eigentliche Natur des Böhmen Martinů durchbricht. Heute könnte man diese Musik vielleicht auch etwas weniger rigid, dafür mit einer gewissen federnden Leichtigkeit spielen, was man zum Beispiel bei unter ähnlichen Umständen entstandenen Divertimento für Streicher von Belá Bartók beobachten kann. Aber das Orchester und der junge Dirigent Kevin Griffiths sorgten den ganzen Abend für hohe Qualität, sei es in der Präzision des Zusammenspiels, dem Streicherklang im ersten Teil und sicher auch im musikalischen Engagement, das die Werke erfüllte. Das Publikum belohnte die Musiker mit lang andauerndem Beifall, und auch alle Orchestermusiker und -musikerinnen erhielten nach einer künstlerisch erfolgreichen aber politisch knarrenden Saison eine Rose als Dank mit auf den Heimweg.
Glanzvolle Konzerte vor magerer Kulisse
Das Festival ArtDialog wurde am Wochenende mit Konzerten und einer Vernissage eröffnet. Gute Konzerte kontrastierten mit einem mageren Besucherstrom.
So konnte das Konzert des Chors "OREYRA" aus der Ukraine nur rund zwei Dutzend Zuhörer in die Christkatholische Kirche locken. Am Vortag in Zuchwil waren es an die vierhundert Leute. Im ähnlichen Rahmen verliefen die Klavierrezitals von François-Xavier Poizat und Dmytro Sukhovienko von Freitag und Samstag und auch die jungen Talente am Sonntag im Logensaal vermochten nicht mehr Interessierte anzuziehen.
Slawische Chorkultur
An der Qualität des Dargebotenen liegt es mit Bestimmtheit nicht. Der Chor bot im ersten Teil eher Folkloristisches mit hoher Stimmkultur, im zweiten Teil moderne Klassik von Francis Poulenc über Alfred Schnittke bis zu gelungenen Arrangements im Gospelstil oder einer klangsinnlichen Chorfassung des zweiten Satzes aus der Sinfonie "Aus der neuen Welt" von Antonin Dvořak. Für Liebhaber der Chormusik a capella war es eine schöne Demonstration slawischer Chorkultur.
Talent und Können
Der 26-jährige Pianist François-Xavier Poizat verfügt über einen beachtlichen Ausweis von Talent und Können und ist von den grössten Pianisten geschult und gefördert worden. Sein reichhaltiges Rezital mit Werken von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert und Frédéric Chopin im ersten Teil, Peter I Tschaikowsky und Igor Strawinsky im zweiten Teil bestätigten die Vorschusslorbeeren. Poizat verfügt unzweifelhaft über die nötigen technischen Reserven und gestalterische Ressourcen und hat auch eine eigene Persönlichkeit. Dass die klangliche Gestaltung unter den beschränkten Möglichkeiten des Flügels litt, kann ihm ja nicht angelastet werden. Ein Pianist, den man im Auge behalten wird.
Dmytro Sukhovienko spielte am Samstag im Logensaal Bearbeitungen von Busoni und Liszt Bachscher Orgelwerke und weitere Transkriptionen. Ein Konzert das wir leider überspringen mussten.
Erstaunliche Begabungen
Eine Wohltat war am Sonntagnachmittag erneut der Auftritt ganz junger Talente aus Weissrussland. Es ist immer wieder erstaunlich wie die osteuropäischen Länder aber auch sogar Zentralasien und Ostasien mit verblüffenden Leistungen von sehr jungen Künstlerinnen und Künstlern aufwarten, die aber, allen Vorurteilen zum Trotz, nichts Gekünsteltes haben. Ein junger Geiger musste leider krankheitshalber passen, aber die Violinistin Elisso Gogibedaschwili überzeugte in virtuosen Stücken von Henri Wieniawski und Maurice Ravel durch technische Sauberkeit, während die Persönlichkeit naturgemäss noch reifen wird.
Selbstsichere Musikalität
Der 14-jährigte Pianist Wladyslaw Handogly hingegen überraschte mit zwar bescheidenem aber musikalisch selbstsicherem Auftreten in doch sehr anspruchsvollen Werken von Liszt, Rachmaninoff, Chopin und Alberto Ginastera sowie einer nahrhaften Zugabe von Chopin. Auf dem auch nicht ganz einfach zu handhabenden Flügel im Logensaal gefiel er mit sicherer Technik und auch sicherem gestalterischen Zugriff auf die dargebotenen Werke, Eine hohe Begabung, die man sicher verfolgen muss und der man gerne in einige Jahren wieder begegnen wird.
Lustvoll gespielte Suiten
Die Konzertreihe der Société philharmoniqe im Logensaal schloss am Sonntag mit einem Highlight: Der noch zur jüngeren Generation gehörende Cellist Daniel Müller-Schott spielte Solo-Suiten von Johann Sebastian Bach und Benjamin Britten.
Die Solo-Suiten von Bach für Cello wie auch die Partiten und Sonaten für Solo-Violine gehören zu den absoluten Spitzenwerken der Streicherliteratur. Nicht umsonst haben zahlreiche spätere Komponisten von Max Reger über Zoltan Kodaly, Paul Hindemth bis zu Benjamin Britten diese Werke zum Vorbild für ähnliche Versuche genommen. Wobei: Bach hat noch keiner übertroffen.
Daniel Müller-Schott gehört zweifellos zu den besten Vertretern seiner Generation und mit der Musik Bachs ist er seit früher Jugend dank seinen Musiker-Eltern vertraut. Er spielt die Suiten auf einem Cello von 1727, aber mit moderner Besaitung und modernem Bogen. Trotzdem fliesst viel von "historischer" barocker Interpretation in seine Wiedergabe. Die Préludes und die Tanzsätze atmen Leichtigkeit und Spielfreude, das sparsam und gezielt eingesetzte Vibrato trägt zum schlanken Ton bei und dazu pflegt der Cellist bei Bach eine sorgsame und überlegte Artikulation und Agogik. Die Wiederholungen werden auch mit kleinen Varianten insbesondere bei Verzierungen versehen. Ein lustvolles Zuhören bei den Suiten Nr 2 in d-moll und Nr. 3 in C-Dur.
Die Suite op. 72 von Benjamin Britten bei aller Verwandtschaft mit Bach ausdrucksvoller, expressiver im Ton. Dazu verwendet die Mstlistav Rostropovitsch gewidmete Musik zahlreiche neuere und technisch anspruchsvolle Spielweisen. Auch hier eine spannungsvolle und alle Ansprüche befriedigende Lesart, die wie das anschliessende erhellende Gespräch mit dem Künstler einen schönen Abschluss der Logenkonzerte bildete.
Unerfüllbare Sehnsucht
Französische Lieder des "Fin de siècle" bildeten das interessante Programm des Duos Alessandra Boër, Sopran , und Dagmar Clottu, Klavier, in der Adventskirche.
Im Zentrum stand ein Meisterwerk des jung verstorbenen Ernest Chausson, "Le Poème de l'Amour et de la Mer" (Dichtung von Liebe und Meer). Das Werk existiert auch in einer Version für Sopran und Orchester und die drei Sätze bilden in dieser Form etwas Ähnliches wie eine Sinfonie, wobei der mittlere ruhige Satz ohne Singstimme auskommt. Dagmar Clottu hat sich die Mühe genommen, die Klavierfassung von Ernest Chausson mit zusätzlichen Elementen aus der Orchesterpartitur zu bereichern. Damit hat sie auch die Verwandtschaft der französischen Komposition mit dem Spätwerk von Richard Wagner, insbesondere mit "Tristan" und "Parzival" hervorgehoben. Es ist eine Musik voller unerfüllter und unerfüllbarer Sehnsucht, welche inhaltlich und von der harmonischen Struktur her die Franzosen des späten 19. Jahrhunderts ausserordentlich beeindruckt und beeinflusst hat bis zu Debussys Oper "Pelléas et Mélisande" oder dem früher entstandenen "Roi Artus" von Chausson, eine Welt des Symbolismus und der Mystik.
Hingebung
Wie die Lieder von Gabriel Fauré und Claude Debussy, welche das "Poème" von Chausson treffend umrahmten, ist es eine Musik, der man sich beim Hören hingeben muss ohne analytische Anstrengung. Und dies ist umso mehr möglich, wenn die Wiedergabe sozusagen keine Wünsche offen lässt wie das an diesem Abend mit den bestens disponierten Künstlerinnen der Fall war. Alessandra Boër liess ihrer Stimme einen natürlichen Fluss ohne Angestrengtheit und Dagmar Clottu war eine Begleiterin, welche die Klangfarben und Stimmungen sehr subtil und sublim aus dem wohlklingenden Flügel herausholte. Man hört sie in unseren Breitengraden selten, diese Seite der französischen Musik, umso dankbarer waren die leider etwas zu dünn gesäten Zuhörer für diesen Einblick in eine sehr poetische Welt.
Unbegreifliche Vollendung
Das Streichquintett in C-Dur von Franz Schubert war das Hauptwerk in der Kammermusikmatinee im Logensaal. Es spielten fünf Musiker des Sinfonieorchesters Biel Solothurn.
Dieses Quintett für zwei Violinen, Bratsche und zwei Violoncelli ist eines der in jeder Hinsicht vollendeten Spätwerke, welche Schubert hinterlassen hat. Es entstand im September 1828, zwei Monate vor dem Tod des Komponisten und bildet mit drei grossen Klaviersonaten, zwei Klaviertrios, dem Streichquartett in G-Dur und man kann auch noch den Liederzyklus "Die Winterreise" und den "Schwanengesang" dazu zählen, das Rätsel der unbegreiflichen Vollendung eines knapp dreissigjährigen Komponisten. Wie viele dieser Werke wurde auch das Quintett erst ein Vierteljahrhundert nach dem Tod des Schöpfers veröffentlicht. Hinsichtlich Länge und musikalischer Aussage sprengt es alle Dimensionen der damaligen Kammermusik und hat sinfonische Ausmasse.
Von Gegensätzen beherrscht
Daniel Kobyliansky und Mikayel Zakaryan, Violinen, Gwenaëlle Kobyliansky, Bratsche, Matthias Walpen und Brigitte Fatton, Violoncelli, waren gute Interpreten des gewaltigen und legendären Werks. Obwohl die Quintettbesetzung, insbesondere mit den zwei Celli, mehr Klangfülle erlaubt als das Quartett, war die Wiedergabe eher auf Durchsichtigkeit angelegt. Das kam dem Beginn des ersten Satzes und den Rahmenteilen des zweiten Satzes besonders zugute. Im Mittelteil des zweiten Satzes hätte der erregte Charakter der Musik sogar mehr Schroffheit vertragen. Das Scherzo dann recht angriffig, aber der viel langsamere Trioteil, der stark an Lieder aus der "Winterreise" erinnert, wunderschön ausgesungen. Auch das Finale wird von Gegensätzen beherrscht, neben tänzerischem Hauptthema und einem wienerisch schwelgerischen Seitenthema, gibt es wiederum Brüche und Ausbrüche bis das Werk in einer raschen Stretta endet. Es war für die Zuhörer ein fesselndes Musikerlebnis. Als eher harmlose Einstimmung erklang zu Beginn ein Duo für zwei Celli von Bohuslav Martinů.
Tolle Leistung, begeistertes Publikum
Das 9. Sinfoniekonzert TOBS war wiederum ein durchschlagender Erfolg mit einem vollen Saal, einem wahren Teufelsgeiger als Solisten und einem solid, präzis und beherzt spielenden Orchester unter der Leitung von Lawrence Foster.
Zwei "Standing Ovations", jeweils nach dem Violinkonzert von Niccolo Paganini und nach der siebenten Sinfonie von Ludwig van Beethoven.
Das ist vor allem auch eine Sympathiebezeugung für das immer noch gefährdete Orchester, das vor einem rundum begeisterten Publikum einmal mehr eine tolle Leistung zeigte. Stehende Ovationen sind eigentlich für absolute Ausnahmeleistungen eines Solisten oder eines Ensembles gedacht. Diese besondere Ehrung statt eines herzlichen Applauses wird in letzter Zeit häufiger erbracht. In Biel ist es auch ein Zeichen, dass man die guten Leistungen der Orchestermusiker schätzt und auch besonders ehren möchte.
Artistisches Feuerwerk
Da könnten jetzt Einwände, künstlerische oder stilistische oder programmatische, als Beckmesserei oder kleinliche Nörgelei empfunden werden. Es gab zu Beginn eine Ouvertüre von Gioacchino Rossini zu "L'italiana in Algeri". Blitzblank, aber etwas straff. Als Vorspiel und Einstimmung zum Violinkonzert Nr. 1 von Niccolo Paganini gerade richtig. Mit dem jungen Chinesen Feng Ning hatte man auch den idealen Geiger für die akrobatische und beinahe unglaubliche Finger- und Bogenfertigkeit, welches dieses Werk abverlangt.Im Vergleich zu allen virtuosen Geigenkonzerten des 19. Jahrhunderts bietet dieses Werk noch ein Mehreres an artistischem Feuerwerk und fordert entsprechend noch mehr an Finger- und halsbrecherischer Bogentechnik. Mit Feng Ning hatte man die Chance, das Feuerwerk ohne Einschränkungen und ohne sichtbare Schwierigkeiten geniessen zu können. Neben all den Sprüngen und Passagen, Fingerpizzicati der linken Hand und Springbogen entwickelte der Geiger einen singenden Ton und gestaltete die kantablen Melodien mit Schmelz und nobler Verführungskunst.
Mitreissende Gestaltung
Die siebente Sinfonie in A-Dur op. 92 von Ludwig van Beethoven kam in einem traditionellen Gewand daher. Keine Klassikbögen, kein vibratoarmer Klang, nicht unbedingt auf Transparenz sondern durchaus auch auf Kraft und Wucht ausgerichtet entsprach sie einem Beethovenbild, das man heute auch etwa in Frage stellt. Doch unter diesen Voraussetzungen war es eine gelungene Wiedergabe. Auch hier, wie auch in den Tuttipassagen des Violinkonzertes schien manches etwas straff oder gar martialisch. Aber vor allem der letzte Satz hatte auch etwas Ekstatisches an sich, am deutlichsten und stärksten im Fortissimo unmittelbar vor der Reprise. Die Tempi waren nicht zu rasch und dem Klang angemessen. Wenn nicht Transparenz, so hatte die Interpretation doch Deutlichkeit und die Hörner und Trompeten kamen zu ihrem Recht und setzten Glanzlichter. Die Sätze wurde sozusagen ohne Unterbrechung aneinander gereiht, was wiederum klug war. Und die Wirkung auf das Publikum war mitreissend, so dass der starke Beifall und die vielen und lauten Bravorufe durchaus berechtigt waren.
Requiem für einen geköpften König
In einer voll besetzten Stadtkirche führte der Choeur symphonique am Sonntag zusammen mit dem Sinfonieorchester Biel Solothurn unter der animierenden Leitung von Anna Jelmorini das Requiem in c-moll von Luigi Cherubini auf. Der Chor war verstärkt durch das Ensemble Gallicantus aus dem Vallon de St-Imier.
Die meisten Requiem-Kompositionen wurden auf einen bestimmten Auftrag, auf den Tod eines bekannten oder begüterten Zeitgenossen, komponiert. Das aufgeführte Requiem in c-moll schrieb Cherubini auf Bestellung des Königs Louis XVIII zum Gedächtnis an den 1793 hingerichteten König Louis XVI. Cherubini, in Italien geboren aber noch unter dem Ancien Régime in Frankreich erfolgreich, fiel unter Napoleon I. in Ungnade, wurde aber unter König XXIII wieder rehabilitiert. Bei seinen zeitgenössischen Komponistenkollegen, auch bei Ludwig van Beethoven, genoss er hohes Ansehen. Heute werden seine Werke eher selten aufgeführt, von Zeit zu Zeit, aktuell gerade am Genfer Grand Théâtre, die Oper "Medea". Dass er eigentlich zu Unrecht vernachlässigt wird, zeigte wieder die Aufführung des Requiems in der Stadtkirche Biel.
Klassizist und Vorbild
Cherubini ist ein Klassizist par excellence, aber keineswegs akademisch im schlechten Sinn. Beiläufig wurde einem bewusst, auf welchem Humus der musikalische Revolutionär Hector Berlioz gewachsen ist. Man staunte als Hörer ob dem harmonischen Reichtum. Das Werk braucht keine Solisten, sondern der gesamte Text der lateinischen Totenmesse ist dem Chor übertragen. Dieser singt grösstenteils akkordisch und nur wenige Passagen im Offertorium nehen zu Kontrapunkt und Ansätzen einer freien Fuge Zuflucht. Trotzdem ist der Chor sehr vielfältig eingesetzt und es entsteht nie Langeweile, weil die Frauen- gegen die Männerstimmen alternierend agieren, der Chor mal voll- und vielstimmig, mal im Unisono eingesetzt wird. Zusammen mit dem harmonischen Reichtum entsteht eine Dramatik und auch eine Besinnlichkeit, die den Hörer stets fesseln. Auch das Orchester ist mehr als blosser Begleitkörper und hat viel Bewegung und gelegentlich sehr aparte Bläsermischungen. Alles in allem ist es bedeutende und keineswegs oberflächliche Musik und das kann man auch von der "Marche funèbre" sagen, welche zum Auftakt erklang, die in einer gewissen französischen Tradition steht, aber doch nicht aufgesetzt wirkt.
Runder Chorklang
Die Aufführung unter der wie immer klaren Führung von Anna Jelmorini ist weitgehend gelungen. Da und dort war die Stimmgebung in exponierten Stellen im Chor noch etwas "naiv" und nicht durchgeformt. Es gab vielleicht den einen oder anderen kleinen Wackler im Zusammenklang. Aber alles in allem war es eine schöne und eindrucksvolle Wiedergabe mit insgesamt rundem, leuchtendem Chorklang, mit Kraft ohne Forcierung, mit dynamischen Abstufungen und einem guten Zusammenwirken mit dem Orchester. Auch das Sinfonieorchester folgte der Dirigentin aufmerksam und leistete wie gewohnt einen soliden und klangschönen Beitrag zu der Aufführung, die auch von einer günstigen Akkustik in der prallvollen Kirche begünstigt war. Verdienter Beifall vor allem auch für die tüchtige Dirigentin, welche den Chor trotz gewisser Überalterung auf ein gutes Niveau gebracht hat.
Klingendes Kleinod
Das zweite Jubiläumskonzert "20 Jahre Hochwand-Orgel" zog erneut recht viele Musik- und Orgelinteressierte in die Stadtkirche. Daniel Glaus spielte auf der "Schwalbennest-Orgel", die er einst mit initiiert und konzipiert hat, Mechthild Seitz verströmte ihren warm und rund fliessenden, raumfüllenden Alt im Chor, und Andreas Urweider las eigene Texte, die Daniel Glaus mit Improvisationen grundierte.
Auf der Orgel erklangen vor allem Werke aus der Renaissance und dem Frühbarock, für welche das Instrument hoch an der Nordwand der Kirche eigentlich geschaffen ist. Hans Kotter ist zudem fast ein Einheimischer, war er doch bis zur Reformation Organist am Berner Münster und ging danach ins katholische Fribourg. Die Verse des "Salve Regina" wurden alternierend von der Altistin gesungen und in stark ausgezierten Orgelfassungen weidergegeben. Nach den ersten "Worttönen" von Andreas Urweider leitete Daniel Glaus ohne Unterbruch in die Toccata Quinta von Girolamo Frescobaldi über.
Alles hat seine Zeit
Im symmetrisch aufgebauten Programm wurden vier Motetten für Alt und Orgel aus dem Frühbarock von Lodovico Grossi da Viadana aufgeführt, dazwischen sang Mechthld Seitz eine zeitgenössische Komposition vom Jahr 1972 von Arne Mellnäs "Omnia tempus habent", "Alles hat seine Zeit", ein biblischer Text, der dem Anlass auch zum Motto geworden ist. Nach einer Toccata von Michelangelo Rossi (frühes 17. Jahrhundert), die in ihrer kühnen Chromatik die mitteltönige Stimmung der Orgel mächtig forderte, Texten von Andreas Urweider und einem Hymnus von Hildegard von Bingen schloss das Konzert wieder alternierend zwischen Gregorianik und Orgel im "Da Pacem" von Arnolt Schlick, wie Hans Kotter ein Komponist unmittelbar vor der Reformation. Das Konzert machte wieder bewusst, welches Kleinod wir mit der Hochwand-Orgel in der Bieler Stadtkirche besitzen.
Klassisch genau und romantisch mitreissend
Das 8. Sinfoniekonzert des Sinfonieorchesters Biel Solothurn mit Boian Videnoff am Dirigentenpult und Marian Lapšanský am Flügel war künstlerisch ein grosser Erfolg.
In der ersten Hälfte klassizistisch und klassisch, eine Kombination die wir schon mehrmals hatten mit einem Werk der Moderne, das den Spuren des 18. Jahrhunderts folgt und einem Werk aus der originalen klassischen Epoche quasi zum Vergleich. Begonnen wurde mit der "Klassischen Sinfonie" op. 25 von Sergei Prokofieff. Es ist ein Stück für Orchesterbesetzung wie bei Haydn, doppelte Bläser, Streicher und Pauke. Prokofieff spielt witzig mit den klassischen Formen und bleibt in der Tonalität, allerdings immer wieder mit überraschenden harmonischen Wendungen. Schon hier spürte man die Sorgfalt der Vorbereitung mit dem Dirigenten Boian Videnoff, der sich als einerseits sehr musikantisch andererseits auch als genauer Interpret erwies. Das Tempo im ersten Satz und vielleicht auch im zweiten war an den unteren Grenze, aber das Orchester erfüllte die Vorgaben mit Präzision und Leichtigkeit.
Makellose Umsetzung
Genau so präzis und akribisch genau erklang die Sinfonie Nr. 101 in D-Dur, genannt "Die Uhr", von Joseph Haydn. Einmal mehr genoss man - vor allem im letzten Satz mit kontrapunktischen Kunststücken - die Meisterschaft des alten Haydn, und wiederum die Genauigkeit im Orchester, welche dennoch nichts akademisch Trockenes sondern sehr viel Elan hatte. Der langsame Satz hat ja tatsächlich den - etwas ironischen - regelmässigen Rhythmus, das Ticken eines Uhrwerks. Typisch Haydn'scher Witz, wenn er das Ticken abbricht, aber nach einer Generalpause signalisiert "Nein, es ist noch nicht fertig" und die Bewegung wieder aufnimmt. Das Menuett ist bereits ein Scherzo und hatte richtigerweise das entsprechend beschwingte Tempo, und der Schlusssatz war schlicht begeisternd in seiner satztechnischen Vielfalt und der Makellosigkeit der Umsetzung.
Kraft und Schönheit
Nach der Pause folgte ein grosser Brocken von Peter I. Tschaikowsky, das unverständlicherweise sehr selten gespielte 2. Klavierkonzert in G-Dur. Der slowakische Pianist Marian Lapšanský erfüllte die grossen technischen Anforderungen des Werks mühelos, mit viriler Kraft aber keineswegs gewalttätig in den Akkordkaskaden. Der erste Satz wird sehr stark vom Klavier beherrscht mit zwei ausgedehnten Kadenzen welche in Stil und Klaviertechnik bereits die Konzerte von Rachmaninoff vorwegnehmen. Im zweiten Satz wurde man mit einer gekürzten Version leider um die sehr schönen Soli von Violine und Violoncello betrogen, eine Kürzung die in der heutigen Zeit unverständlich ist. Es wurde nach der Entstehung des Konzerts die Länge der Sätze bemängelt und es gab Bearbeitungen, welche grosse Striche vornahmen. Der Satz ist zwar sehr lang, aber von solcher Schönheit, dass man ihn ohne weiteres und mühelos erträgt. In der Reprise kamen die Solisten des Orchesters doch noch zum Zug und glänzten mit schönem Klang zur diskreten Begleitung des Solisten am Flügel. Der letzte Satz ist tänzerisch und temperamentvoll mit russisch gefärbten Melodien und Rhythmen wie alle Schlusssätze der Konzerte von Tschaikowsky. Auch hier liessen Solist und Orchester keine Wünsche offen. Endloser Beifall, der zwei Zugaben des Pianisten erforderte.
Musik, die nichts ausdrückt
Piano and String Quartet von Moron Feldmann
Mutig
und ungewöhnlich war das Konzert vom Sonntag im Centre PasquArt. "Piano and
String Quartet", ein fast anderthalbstündiges Werk des Amerikaners Morton
Feldmann kam zur Aufführung.
Das Centre PasquArt öffnet
seine Räume in letzter Zeit öfters vor allem zeitgenössischen und ungewohnten
Klängen. Diesmal fand das Konzert im Rahmen der Ausstellung von Rannva Kunoy
statt, die grosse Leinwände mit geheimnisvollen Zeichen auf monochromem Grund
ausstellt. Ebenso geheimnisvoll und mehrdeutig ist die Musik von Morton Feldmann
aus dem Jahre 1985. "Feldmanns Musik will nichts ausdrücken". "Der Gedanke einer
musikalischen Entwicklung ist weitgehend ausser Kraft gesetzt", so steht es in
den Erläuterungen. Klavier und Streichquartett ist eigentlich eine klassische
Besetzung, auch Klavierquintett genannt. Mit diesem Topos hat das Werk kaum
etwas gemeinsam. Oft steht das Klavier einsam neben den Streichern, dazu gibt es
aber auch Interaktionen.
Das Klavier spielt meist gebrochene Akkorde, häufig
ähnlich, nur leicht veränderte, oder die gleichen in anderer Tonhöhe. Die vier
Streicher antworten darauf zunächst mit Akkorden in immer anderen Kombinationen.
Es kann sein, dass das Cello den höchsten Ton spielt und die andern Instrumente
darunterliegen, es sind stets wechselnde Farben aber ohne grelle Effekte. Die
Streicher spielen fast immer normale Töne, ab und zu Flageoletts (Obertöne) im
Cello, ab und zu ein paar gezupfte Töne. Mit der Zeit gibt es komplexere
Überschneidungen von stereotypen Figuren und so etwas wie eine Verdichtung,
bevor sich alles wieder ausdünnt und nach 85 Minuten mit ein paar Tönen des
Klaviers endet. Fast keine dynamischen Änderungen, keine Akzente, und doch ist
es nicht Meditationsmusik, sondern soll vielmehr zu aufmerksamem Hören anregen.
Die Pianistin regte an, während des Konzerts herum zu gehen, es wäre
interessant, die Musik aus verschiedenen Perspektiven zu hören, auch aus einem
benachbarten Saal, so wie man eine Skulptur aus verschiedenen Richtungen und
verschiedener Distanz betrachtet. Wenige Zuhörer wagten das Experiment. Immerhin
zog das Ereignis mehr als zwei Dutzend Interessierte an und die bereit
gestellten Stühle waren alle besetzt.
Die ausgewiesenen und lobenswerten Interpretinnen
waren Judith Wegmann, Klavier, Deborah Marchetti, Violine, Mirka Šćepanović,
Viola, Barbara Gasser, Violoncello, dazu Andreas Kunz, 2. Violine.
Musik unter dem Damoklesschwert
7. Sinfoniekonzert TOBS
Stehende Ovation für das Sinfonieorchester
Mehr als sonst gefüllt, eigentlich sozusagen ausverkauft, war der Kongresshaussaal gefüllt für das 7. Sinfoniekonzert des Sinfonieorchesters Biel Solothurn. Die drohende Aufhebung des Berufsorchesters hatte zahlreiche Musikfreunde mobilisiert. Das Programm unter Chefdirigent Kaspar Zehnder war mit Klassikern von Mozart, Liedern von Mahler, einem Klarinettenkonzert von Carl Maria von Weber und einer neuentdeckten Sinfonie des Romantikers Robert Radecke reich befrachtet.
Einleitend sprachen der Stiftungspräsident Andreas Marti, der Direktor TOBS Dieter Kaegi und die Präsidentin der Freunde des Orchesters, Teres Liechti Gertsch, zum Publikum mit einem deutlichen Appell an die Behörden , das seit 1969 bewährte und über die Region hinaus geschätzte Berufsorchester nicht aufs Spiel zu setzen.
Virtuos bis zart
Im Programm selbst lieferten die Musiker insgesamt einen klaren Beweis der hochprofessionellen Qualität des Klangkörpers. Die Ouvertüre zu "Titus" (La Clemenza di Tito) von Wolfgang Amadeus Mozart wurde straff, aber durchaus auch differenziert wiedergegeben. Von Carl Maria von Weber erklang anschliessend das 2. Klarinettenkonzert in Es-Dur, ein in letzter Zeit eher selten gespieltes Werk. Der Solist, der Franzose Romain Guyot, zeigte sich darin mit dem besten Rüstzeug gewappnet. Virtuos im ersten Satz, mit zartesten und leisen Tönen im zweiten Satz und sowohl technisch versiert, wie auch die Vielfalt des dritten Satzes musikalisch reich gestaltend im dritten Satz. Wobei auch die klanglichen Möglichkeiten der Klarinette vom samtenen weichen Ton über dunkle Klänge im tiefen Bereich bis zu strahlender aber nicht greller Höhe zur Geltung gebracht wurden. Das Orchester begleitete subtil und beweglich.
Unangestrengt fliessend
Sublime Töne waren in den fünf Liedern von Gustav Mahler über Texte aus "Des Knaben Wunderhorn" gefragt. Da wuchsen Dirigent und Orchester fast über sich hinaus, jedenfalls gab es an den Klängen der Streicher, den feinfühligen Einsätzen der Holzbläser und den präzisen Interventionen von Hörnern und Trompeten nichts auszusetzen. Die Mezzo-Sopranistin Tanja Ariane Baumgartner gefiel mit einer natürlich und unangestrengt fliessenden Stimme und einer wohl angebrachten Textgestaltung der manchmal poetischen, gelegentlich auch humorigen und auch melancholischen (oder einer Mischung von allem) Texte. Sie überzeugte nach der Pause auch voll und ganz mit der Arie Parto, ma tu ben mio" aus "La Clemenza di Tito" wobei der Klarinettist Romain Guyot noch einmal in einer obligaten Partie reinste Läufe und flüssige Passagen beisteuerte.
Das klassische Terrain behaupten
Die Sinfonie in F-Dur op. 50
von Robert Radecke ist eine Neuentdeckung des Romantikers, welcher
jahrzehntelang als Lehrer, Pianist und Dirigent in Berlin wirkte. Vergessene
Komponisten aus dieser Zeit im Fahrwasser von Mendelssohn und Schubert gibt es
zuhauf und Manches würde sich lohnen, wieder ans Tageslicht gehoben zu werden,
es sind da bloss einige Namen wie Louis Spohr, Carl Reinecke, Max Bruch, Robert
Volkmann und viele noch weniger bekannte Namen zu erwähnen. Hermann Kretzschmar
bedauert in seinem berühmten Konzertführer von 1886, dass die "absolute
Sinfonie" unter dem Ansturm von Programmsinfonien in eine lebensgefährliche
Krise geraten war und erwähnt mehr als ein Dutzend Komponisten, welche "das
klassische Terrain so gut als möglich zu behaupten suchten", worunter auch
Robert Radecke.
Radeckes Sinfonie hat einige originelle Züge, vor allem im Scherzo und im langsamen dritten Satz, kann sich aber über weite Strecken wenig von den Vorbildern Schumann und Mendelssohn abheben. Es ist aus heutiger Sicht begreiflich, dass sich wirklich starke Persönlichkeiten wie Brahms, Bruckner und Mahler bei der Nachwelt durchsetzen konnten. Die Aufführung geriet am Abend weniger vollkommen ausgearbeitet als die vorangegangenen Werke, und für die geplante CD-Aufnahme muss teilweise an der Intonation, im Scherzo an der Präzision des Zusammenspiels und im langsamen Satz wie im Finale an der Klanglichkeit geschliffen werden. An der Finanzierung der CD kann sich übrigens das Publikum mit Spenden beteiligen und es ist schon richtig und wichtig, dass sich das Orchester mit selten aufgeführten Werken auf einer CD nach aussen profilieren kann. Auch wenn solche Aufnahmen fast nie mehr finanziellen Erfolg bringen, so sind sie immer noch eine wichtige Visitenkarte, können Präsenz markieren und sind deshalb zu unterstützen.
Bis in die höchsten Töne
Rezital Thierry Roggen in der Stadtkirche Biel
Der
Kontrabassist Thierry Roggen spielte am Sonntag in der Bieler Stadtkirche ein
Rezital mit Stücken für den Kontrabass. Begleitet wurde er vom Pianisten
Hansjacob Stämmler.
Wer den Kontrabass nicht kennt oder bloss als tiefes Grundierinstrument im
Orchester, ist mitunter erstaunt, zu welchen Kantilenen und zu welch hohen Tönen
das äusserlich schwerfällig anmutende Instrument fähig ist. Thierry Roggen ist
ein junger Kontrabass-Virtuose, der alle gängigen
Urteile und Vorurteile spielend und spielerisch widerlegt.
Von Johannes Matthias
Sperger, einem Kontrabassisten und Komponisten des späten 18. Jahrhunderts
spielte er zunächst eine hübsche dreisätzige Sonate. Von Reinhold Glière erklang
darauf ein Präludium und ein Scherzo, spätromantische Musik, obwohl der
Komponist eine prägende Persönlichkeit in der Sowjetunion war. Ein Solostück des
finnischen Kontrabassisten Teppo Hauta-aho demonstrierte viele Fähigkeiten des
Instrumentes mit Doppelgriffen, Flageoletts (eine Spezialität wegen der langen
Saiten) und andern Effekten.
Die Gambensonate E -Dur von Johann Sebastian Bach
führte wieder in die Barockzeit zurück, während Variationen von Giovanni
Bottesini sowohl dem italienischen Belcanto wie auch akrobatischer Vistuosität
huldigten. Eine Gavotte von Lorenzitti als Zugabe beschloss das unterhaltsame
und stilistisch bunte Konzert. Thierry Roggen bewältigte es mit technischer
Überlegenheit, spielerischer Leichtigkeit und schönem Klang und bestätigte
seinen hervorragenden Ruf als ausgezeichneter junger Meister seines
Instrumentes. Hansjacob Stämmler war ein sicherer und einfühlsamer Begleiter.
Einziger Wermutstropfen des Konzerts war der starke Nachhall in der Stadtkirche,
welche vor allem in raschen Passagen der Klarheit doch sehr abträglich war. Doch
das Publikum spendete zu Recht anhaltenden Applaus.
Vladimir Guryanov gewann das Publikum für sich
Rezital des jungen Russen in Biel
In
der Reihe RÉVÉLATIONS - JEUNES ARTISTES gastierte der Pianist Vladimir
Guryanov im Bieler Farelsaal. Der junge, in Basel lebende Russe
faszinierte das Publikum mit einem stilistisch vielseitigen Programm. Er
begann mit einer der letzten Klaviersonaten von Joseph Haydn welche die
Nummer 52 trägt aber der Entstehung nach doch nicht die letzte ist.
Vladimir Guryanov begann den ersten Satz forsch und mit Brillanz, hatte
im zweiten
Satz die nötige Ruhe und nahm das virtuose Finale wiederum mit Elan in
Angriff. Die Interpretation war insgesamt kräftig und zupackend was
jedoch dem Werk, das für eine brillante Pianistin komponiert wurde,
durchaus entsprach. Lyrischere und gesanglichere Töne vernahm man in der
A-Dur - Sonate von Franz Schubert D 664 welche einen heiteren und gut
gelaunten Komponisten zeigt und die im finalen Allegro sowohl virtuose
Passagen als auch beinahe ländliche Töne vernehmen lässt.
Der zweite Teil war Préludes von Claude
Debussy und dem Bieler Daniel Andres gewidmet. Die "Feux d'artifices"
aus dem zweiten Heft verlangen wiederum eine sichere Technik, während
"Canope" sowie die zwei Stücke von Daniel Andres eher die klangliche
Gestaltung in verhaltenen Akkorden fordern. Auf dem schon etwas älteren
aber gut vorbereiteten Flügel gelangen dem jungen Russen gut ausgewogene
Klangmischungen und -färbungen. Der Beifall des Publikums wurde mit zwei
Zugaben verdankt, einer gefälligen eigenen Komposition des Pianisten in
der Nachfolge von Rachmaninoff und der Etüde op. 2 Nr. 1 von Alexander
Skrjabin. Damit hatte der begabte junge Künstler das Publikum endgültig
für sich gewonnen.
Von Heldentaten und dem Lob der Musik
Der Konzertchor Biel-Seeland im Kongresshaus
Das "Alexanderfest", ein weltliches Oratorium von Georg Friedrich Händel, wurde am Sonntag vor vollem Kongresshaussaal vom Konzertchor Biel-Seeland und dem Sinfonieorchester Biel Solothurn unter der Leitung von Beat Ryser Firmin zur Aufführung gebracht.
Das Werk erzählt zwar vor allem die Heldentaten von Alexander dem Grossen auf seinem Feldzug nach Persien, schlägt aber gegen Schluss in eine Hymne auf die Göttin der Tonkunst, die heilige Cäcilia, um. Die versöhnende Macht der Musik steht über allen Heldentaten (und Untaten) der Krieger, so die Botschaft. Händel schrieb das gut anderthalbstündige Werk in wenigen Wochen und brachte es im Februar 1736 im Covent Garden Theatre in London zur Erstaufführung, der noch ein halbes Dutzend weitere erfolgreiche Aufführungen folgten. Das Werk steht stilistisch zwischen den Opern im italienischen Stil und den geistlichen und weltlichen Oratorien im späteren Schaffen des Komponisten. Merkmal sind die schlagkräftigen Chöre zwischen den eher erzählenden Rezitativen und Arien der drei Solisten.
Beschwingter Ton
Von Beginn der Ouvertüre an schlug Beat Ryser einen beschwingten und oft fast tänzerischen Ton an, und Orchester wie Chor folgten dieser Gestik und dieser Werkauffassung mit grosser Aufmerksamkeit. So hatten die Einsätze der rund hundert Sängerinnen und Sänger keine Schwere sondern fielen durch Durchsichtigkeit und Plastizität auf. Der gut vorbereitete und auch stimmbildnerisch hörbar geschulte Chor sang präzis, mit sauberer Intonation und bemerkenswert guter (englischer) Aussprache, hielt die zügigen Tempi gut mit und auch die fugierten Teile hatten Leichtigkeit und nichts von akademischer Steifheit. Die Stimmen und die Register untereinander wirkten zudem ausgeglichen und in guter Balance. Das war eine sehr erfreuliche Leistung des Chors, welcher unter Beat Rysers Leitung stetige Fortschritte erzielt. Nur an wenigen Stellen gab es kleine Verschiebungen zwischen Chor und Orchester, wobei die sich rasch einpendelten und der Dirigent sich nicht aus dem Konzept bringen liess.
Farbiges Orchester
Das Orchester ist relativ klein besetzt, im ersten Teil spielen in einer Nummer die zwei Hörner eine wichtigere Rolle und im zweiten Teil treten Trompeten und Pauken auch bloss im etwas kriegerischen Beginn hervor. Sonst tragen Streicher und Holzbläser, oft in originellen Besetzungen wie geteilten Solo-Celli oder solistischen Fagotten, auch solistisch eingesetzten Streichern zur Farbigkeit bei. Diskret eher die Orgel (Ekaterina Kofanova), wogegen das Cembalo (Vital Julian Frey) ab und zu in gewohnt gekonnter Manier mit virtuosen Kadenzen für zusätzliches Kolorit sorgte. Im Ganzen entsprach auch der Klang des Orchesters stilistisch dem heutigen Verständnis barocker Musik und Aufführungspraxis.
Ausdrucksstarke Solisten
Das Solistentrio schliesslich war mit Rosa Elvira Sierra, Sopran, Raimund Wiederkehr, Tenor, und Martin Weidmann, Bassbariton, hervorragend besetzt und liess kaum Wünsche offen. Die Sopranistin hatte am ehesten die ausdrucksstarken Momente, die man auch aus Händels Opern kennt und schätzt. Der Tenor hat hier eine oft erzählende Rolle und damit auch einen grossen Teil der Rezitative zu singen und fiel durch gute Diktion und Beweglichkeit angenehm auf. Der Bass hat eine kleinere Partie und im zweiten Teil eine grosse Rachearie, die er eindrucksvoll gestaltete. Das relativ vielgestaltige Werk, eines der wohl meist aufgeführten Händels, hat keine so eingänglichen "Hits" wie spätere Oratorien, wirkt aber doch durch seinen Abwechslungsreichtum und die wirkungsvollen Chöre und konnte auch in dieser guten Aufführung das zahlreiche Publikum beeindrucken.
Engel und himmlische Längen
6. Sinfoniekonzert in Biel
Zwei Werke auf dem Programm des 6. Sinfoniekonzerts TOBS vom letzten Dienstag im Kongresshaus, beide zentral für ihre jeweilige Epoche.
Franz Schuberts Sinfonie in C-Dur, die "Grosse", je nach Zählung die siebte, achte oder neunte, hat nicht unmittelbar Geschichte gemacht, denn sie wurde erst ein Jahrzehnt Jahre nach dem Tod des Komponisten im Nachlass entdeckt. Aber in der Folge hat sie auf Schumann wie spätere Komponisten grossen Eindruck hinterlassen. Sie ist der Beweis, sofern es noch einen braucht, dass Schubert entgegen vielen Behauptungen, sehr wohl mit der grossen Form der Sinfonie umzugehen wusste und wie. So grossartig, dass ihre Proportionen Schumann zum bekannten Wort von den "himmlischen Längen" beflügelte. Lang ist die Sinfonie, aber auch himmlisch.
Wie ein grosser Meister
Um einen Engel geht es im Violinkonzert von Alban Berg, dem letzten Werk des Komponisten, das er 1935, seinem Todesjahr, vollendete. Es ist "dem Andenken eines Engels", der 18-jährig an Kinder-lähmung verstorbenen Tochter von Alma Mahler und Walter Gropius gewidmet. Das Werk hat eine zentrale Bedeutung in der modernen Musik zwi-schen den beiden Weltkriegen, die von der Hin-wendung zur Atonalität und der Zwölfton-musik gekennzeichnet ist. Daniel Kobyliansky, der Kon-zertmeister des Sinfonieorchesters spielte das Konzert zum ersten Mal und er spielte es wie ein grosser Meister. Das hoch expressive Werk, das ausser mit Virtuosität vor allem mit Innerlichkeit und Tiefe, aber auch mit grosser Schlichtheit auf-fällt, erlebte eine sehr berührende Interpretation. Kobyliansky spielte mit einer schon an sich an-rührenden Reinheit des Tones und der Intonation, die der gefühlsmässigen Reinheit des Werks wunderbar entsprach. Er liess sich auch durch das teilweise massive Orchester nicht aus dem Konzept bringen und nahm in Kauf, ab und zu in den Klangmassen unterzugehen.
Ländler und Choral
Dem Orchester und dem Dirigenten Benjamin Ellin ist daraus kein Vorwurf zu machen, denn das meisterliche Werk ist so komponiert, dass das Orchester ständig mit Motiven und Themen eingreift, die teilweise auch dem Blech, den Hörnern, Trompeten und Posaunen anvertraut sind. Themen, die auch volkstümliches aufgreifen wie einen Ländler oder ein Volkslied, aber am Schluss vor allem der Choral "Es ist genug" von Johann Sebastian Bach, der wiederum in eindrucksvoller Weise eingewoben ist. Es war eine sehr schöne Aufführung, an der Solist, Orchester und Dirigent gleichermassen Anteil hatten.
Klangfülle statt Transparenz
Die "grosse" C-Dur-Sinfonie von Schubert gehört zu den absoluten Meisterwerken des 19. Jahrhunderts und hat bis Bruckner und Mahler nachgewirkt. Die Interpretation durch die grossen Orchester war auch bis heute dementsprechend auf orchestrale Grösse angelegt. Erst in jüngerer Zeit wird sie auch in kleinerer Besetzung und eher dem Charakter der noch stark von der Klassik beeinflussten Frühromantik entsprechend aufgeführt. Die Aufführung durch das Bieler Orchester hatte von beidem etwas. Zügige Tempi insgesamt, wobei der erste Satz mit dem eröffnenden Hornthema als Motto noch verbreitert erklang, worauf aber das Tempo allmählich gesteigert wurde und unmerklich in den raschen Teil überging, aber am Schluss nicht wie früher üblich gebremst, sondern noch fast leicht beschleunigt zu Ende geführt wurde. Der zweite Satz etwas an der oberen Grenze, was aus einer beschwingten Wanderung leicht zu einem Gewaltmarsch führen kann. Aber dynamisch gut disponiert und eindrücklich die Katastrophe vor der letzten Reprise, die in einer Generalpause und anschliessend einigen zaghaften Pizzicatti und einer wehmütigen Wiederaufnahme des Hauptthemas in den Celli mündet. Auch das Scherzo und vor allem das Finale in zügiger Manier mit viel "Drive", aber das Klangbild in der ganzen Sinfonie weniger auf Transparenz denn auf Klangfülle ausgerichtet. Für Einige zu laut, doch darf man feststellen, dass sich die Posaunen zwar bemerkbar machten und ihre wichtige Rolle einnahmen (zum ersten Mal in einer romantischen Sinfonie), aber keinesfalls aufdringlich oder brutal wirkten. In der Art, wie die Sinfonie interpretatorisch angelegt war, wirkte sie eindrücklich und war, wie schon das Violinkonzert von Berg, ein beredtes Zeugnis der derzeitigen Qualität unseres Orchesters. Das Konzert war ein Erlebnis.
Junger Solist erwarb sich Sympathie
Nicolas Caccivio im 3. Klavierkonzert von Beethoven
Daniel Andres
Im Fokus des Interesses beim Konzert des Bieler Kammerorchesters im Kirchgemeindesaal Brügg stand der aus der Region stammende Pianist Nicolas Caccivio, der seit letztem Herbst in Wien studiert. Für seinen Auftritt hat er das dritte Klavierkonzert in c-moll op. 37 von Ludwig van Beethoven gewählt. Das Werk, das einzige Konzert Beethovens in einer Moll-Tonart, hat einen ersten Satz, der gern auch heroisch interpretiert wird mit dem ersten Thema, das im Klavier in Doppeloktaven vorgestellt wird. Das Werk steht auch in Nachbarschaft zur "Eroica"-Sinfonie, die in der "heroischen" Paralleltonart Es-Dur steht und den "Eroica"-Variationen für Klavier. Der langsame Satz ist sehr expressiv, einer der ausdrucksvollsten Konzertsätze, die Beethoven geschrieben hat. Das abschliessende Rondo hingegen sprüht vor Übermut und hat eine finale Stretta die ins Buffoneske gleitet.
Eigener Weg
Der junge Interpret von noch nicht ganz zwanzig Jahren liess sich von gängigen oder vergangenen Beethoven-Interpretationen nicht stark beeinflussen, sondern wählte einen recht eigenen Weg. Die zügigen Tempi entsprechen einer modernen Auffassung und auch der Klang war zwar in den Ecksätzen forsch und draufgängerisch, aber - dem nicht sehr klangstarken Flügel angepasst - nie zu massiv. Die Zuhörer erfreuten sich an der lupenreinen Technik in den Läufen und Arpeggien, an einem sanglichen Ton in den melodischen Partien, und der Solist konnte sich wo gegeben auch dem Orchester unterordnen, etwa in den Durchführungen des ersten und des zweiten Satzes. Eine hoch erfreuliche Leistung mit der sich der viel versprechende (und bereits etliche Versprechen einhaltende) junge Künstler die Sympathien des Publikums erspielte.
Das Orchester unter Leitung von Beda Mast bot in der Begleitung und in einer Sinfonie von Christian Cannabich sowie der "Feuerwerks"-Musik von Georg Friedrich Händel eine ansprechende Darbietung im Rahmen eines Liebhaber-Orchesters, etwas eingeschränkt durch die sehr trockene Akustik im überfüllten Saal.
Eine junge Virtuosin mit
Gestaltungskraft
Rezital von Claire Huangci in Biel
Claire
Huangci hat mit ihrem Rezital im Bieler Farelsaal bleibende Eindrücke
hinterlassen. Mit viel Temperament betrat die zierliche Pianistin das Podium und
stürzte sich förmlich in die Sonaten von Domenico Scarlatti. Acht Stücke, die
sie selber zu einer "Suite" zusammengestellt hatte. Man bewunderte die Klarheit
und perlende
Leichtigkeit bei aller eigenwilliger Forschheit und den teilweise sehr raschen
Tempi. Ähnliches gilt für die Sonate in Es-Dur op. 81 "Les Adieux" von Ludwig
van Beethoven. Eine Neigung zu raschen Tempi, besonders noch im mit
"Vivacissimo" betitelten Finale. Aber doch viel Differenzierung, eine reiche
Anschlagspalette und eine kluge formale Disposition des Werks. Auch in den
raschen Tempi wirkt sie nie gehetzt, sondern behält eine klare Übersicht und
meistert ihr Spiel klanglich, dynamisch und im Ausdruck absolut fabelhaft.
Im zweiten Teil war die 2. Sonate in b-moll op. 35
von Frédéric Chopin ein Erlebnis. Vielleicht ging sie den ersten Satz wiederum
eine Spur zu rasch an, aber es war leidenschaftliche Getriebenheit und nicht
Gehetztheit, die vorherrschte. Das Scherzo hatte den hintergründig düsteren
Charakter mit einem sanglichen Trio, der "Trauermarsch" war gesetzt und wiederum
sehr sanglich im Trio-Teil ohne eine Spur von Süsslichkeit. Und unmittelbar
folgt das abgründige Finale das Claire Huangci virtuos aber tiefgründig hinlegt.
Fast unmittelbar darauf als grosser Kontrast beginnt sie choralartig mit der
"Tannhäuser"-Ouvertüre von Richard Wagner in der Transkription von Franz Liszt.
Da kommt alles zusammen: grossartige Klavierkunst mit Wucht und glitzerndem
Zauber, formale Übersicht und dynamische Disposition und das Ganze mit
beeindruckender und hinreissender Gestaltungs-kraft. Ein Ereignis, dem die
Zuhörer gebannt lauschten und begeistert applaudierten. Eine Zugabe mit einer
Variation aus den Goldberg-Varationen von Bach (bewusst als Kontrast gewählt)
beschloss einen höchst einrucksvollen Abend.
Tasteninstrumente im Duett
Experiment in der Kirche Twann
Orgel und Flügel im Duett, diese Kombination weckte Neugier. In der Kirche Twann duettierten am Sonntag in dieser Kombination der Organist Heinz Balli und die Organistin/Pianistin Ursula Weingart.
Vor allem im Barock und vor allem in Italien gab es etliche Literatur für zwei Orgeln, weil dort zahlreiche Kirchen mit mehreren Orgeln ausgestattet waren, weil auch die Praxis des mehrchörigen Singens im Barock beliebt war. Aber auch Johann Sebastian Bach schrieb Werke für mehrere Tasteninstrumente - vielleicht am Bekanntesten ist sein Konzert für vier Cembali oder Klaviere nach einem Konzert für vier Violinen von Antonio Vivaldi. Sein Sohn Carl Philipp Emanuel kombinierte Cembalo und Hammerflügel und auch Mozart schuf noch Konzerte für zwei und drei Klaviere.
Fragwürdiges Ergebnis
Bei all diesen Klavierwerken besteht das Problem, dass die Instrumente kaum voneinander zu unterscheiden sind und so das Duettieren schwierig zu erkennen ist. Etwas einfacher ist es bei räumlich getrennt aufgestellten Orgeln. Und wenn man das Twanner Experiment beurteilen soll, so fällt am ehesten positiv ins Gewicht, dass durch die räumliche Trennung und den doch sehr unterschiedlichen Klang von Orgel und Flügel namentlich im Konzert von Bach für zwei Klaviere das sich Zuwerfen der Motive und Themen für einmal deutlich hörbar wurde. Aber im Übrigen war das klangliche Ergebnis doch eher unbefriedigend. Fast am reizvollsten noch die Sonata "In die Beati Aloisii" für zwei Orgeln des Italieners Bernardo Pasquini aus dem 17. Jahrhundert wegen ihrer durchsichtigen und vorwiegend linearen Faktur. Das Concierto von Padre Antonio Soler ist als Komposition nicht sehr aussagekräftig. Interessant eine neuere Komposition von 1966 des Österreichers Augustinus Franz Kropfreiter (geboren 1936) in Hindemith'scher Prägung und hörbar polytonal orientiert.
An der soliden und einwandfreien Ausführung durch die beiden erprobten Musiker bestand kein Zweifel.
Drei Werke, drei Stile
Kammermusikkonzert im Stadttheater
Sonntagvormittag im Stadttheater Biel, ein
Kammermusikkonzert im Rahmen des Konzerte des Theater Orchester Biel Solothurn
TOBS. Erzsébet Barnácz, Violine, Frédéric Carrière, Viola, - diese beiden
Mitglied des Sinfonieorchesters - und Alice Bourgouin, Violoncello, spielen zwei
Trios und ein Duo für Streichinstrumente. Drei Komponisten des zwanzigsten
Jahrhunderts und doch drei verschiedene Stile. Begonnen wurde mit einem
Streichtrio des heute über 90-jährigen Bielers Rudolf Bigler, das er vor wenigen
Jahren komponiert hat.
Es ist ein kurzes Werk in drei Teilen mit einem Prolog, einem etwas ausführlicheren Mittelteil und einem Epilog, die fast unmerklich in einander übergehen. Ein Linienspiel im Gefolge der Schönberg-Schule aber mit tonalen Wendungen und einem reinen Dur-Dreiklang zum Abschluss. Es ist ausdrucksvolle Musik, die von den drei Musikern entsprechend mit Hingabe gespielt wurde und von den Zuhörern wohlgefällig aufgenommen wurde.
Musikantisch frech
Der Tscheche Bohuslav Martinů hat seinen unverwechselbaren Personalstil in einer frei tonalen, ab und zu folkloristisch beeinflussten Klangwelt. Seine Duos für Violine und Cello sind nicht so dicht wie diejenigen von Zoltán Kodály oder Maurice Ravel, sondern eher musikantisch frech. Das erste, das erklang ist zweisätzig und hat rasche Spielfiguren, dazwischen rhapsodische Einschübe, in denen vor allem auch die Cellistin Gelegenheit hatte, sich zu profilieren.
Eine Serenade für Streichtrio des Ungarn Ernst von Dohnanyi gab wiederum dem Trio die Möglichkeit zu unbeschwertem Spiel beinahe in Mozart'scher Manier, denn der Komponist bleibt der Tonalität treu und imitiert auch im Aufbau die Serenadentradition des 18. Jahrhunderts. Das hübsche Werk, quicklebendig und klangschön vorgetragen, bildete einen munteren Abschluss eines Vormittagskonzertes, das gute Laune hinterliess.
Schalk, List und Schmeichelei
5. Sinfoniekonzert TOBS
Im fünften
Sinfoniekonzert der Saison sass die "argovia philharmonic" auf der Bühne des
Kongresshauses. Das frühere Aargauer Symphonieorchester unter Leitung seines
Chefdirigenten Douglas Bostock spielte in Biel im Rahmen einer Konzerttournee
durch mehrere Aargauer Städte, einen Abstecher nach Biel und einem Finale in der
Zürcher Tonhalle.
Ein Schwerpunkt des Programms bildeten drei Konzertarien von Wolfgang Amadeus Mozart mit der jungen Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann und die SInfonie Nr. 35 in C-Dur "Linzer" des Salzburgers. Der Kontrast dazu bestand aus zwei Werken skandinavischer Komponisten, die Suite "Der Strum" (nach Shake-speare) des Finnen Jan Sibelius und die Symphonische Dichtung "Pan und Syrinx" op. 49 des Dänen Carl Nielsen.
Das Gastspiel aus dem Aargau machte zunächst mal deutlich, dass auch die Orchester ausserhalb der grossen Zentren wie Zürich, Basel, Genf in der Schweiz einen Qualitässtand erreicht haben, der kaum Vergleiche zu scheuen braucht.
Klarer, transparenter Klang
Die "argovia philharmonic" zeigt auch mit ihrem äusseren Auftreten, dass sie diesen Anspruch erhebt und in der Liga der Schweizer Orchester auf hohem Niveau mitspielen will. Am stärksten wurde dieser Wille mit der Interpretation der "Linzer"-Sinfonie von Mozart am Schluss des Programms dokumentiert. Da stimmte sozusagen alles, mit Ausnahme ganz kleiner, kaum erwähnenswerter Unstimmigkeiten im zweiten Satz. Zum einen war von den ersten Tönen an klar, dass die Mozart-Interpretation der letzten Jahrzehnte mit all ihren Einsichten bei den meisten heutigen Orchestern angekommen ist. Ein klarer, transpa-renter Klang, ein belebter Klang mit sparsamem Vibrato herrschte von der Einleitung an, insgesamt war die Balance zwischen den Registern sehr ausgeglichen, die Holzbläser kamen mit ihren Einwürfen und ihrem wichtigen Anteil am Gesamtklang wie in vielen Details sehr schön zur Geltung, die Trompeten waren präsent ohne sich vorzudrängen, der Paukist hatte für die Mozart-Sinfonie auf Instrumente mit Naturfellen gewechselt und brauchte harte Schlägel ohne je aufdringlich zu wirken. Der von Manchen etwas reserviert aufgenommene Begriff der "Klangrede" rechtfertigte sich in der Deutung durch Douglas Bostock und sein höchst konzentriert mitgehendes Ensemble bestens. Es macht eben einen Unterschied, ob die Streicherfiguren bloss exakt gespielt oder ob sie in einen "sprechenden" Diskurs eingebettet sind, und da machen die Agogik und die richtige Artikulation und auch kräftige aber nicht übertriebene Akzente auch wirklich Sinn.
Schalk und List
Bei den Arien von Mozart hatte sich das Orchester auch bereits in diesem Geist höchst bewährt. Und dazu kam die erfreuliche Begegnung mit der Sopranistin Regula Mühlemann, die über eine leichte Beweglichkeit der Stimme verfügt, die wie prädestiniert für Mozart erscheint. Es waren drei Konzertarien, die alle mehr oder weniger für eine Soubrette, also eine Despina oder Susanne oder Zerlina gedacht sind. Keine Hochdramatik, aber weibliche Figuren, die sich durch Schalk und List, auch ein wenig Schmeichelei in einer rauen Männerwelt behaupten und dabei auch das Publikum auf ihre Seite ziehen. Dies gelang mit ausgefeilter Technik und einem "lausbubenhaften" Wesen - wie sie selber sagt - der Solistin aufs Vortrefflichste. Mozart schont seine Sängerinnen nicht, sondern fordert von ihnen fast Unmögliches und mit der Umsetzung der schwierigsten Sprünge, der unmöglichsten Spitzentöne und einem verschmitzten Wesen verzückte Regula Mühlemann die Zuhörerinnen und insbesondere auch die Zuhörer.
Fein austimbriert
Die Werke der Skandinavier, beide an der Schwelle zur Moderne, die vor allem Sibelius nicht übertreten wollte, die aber Carl Nielsen (beide im gleichen Jahr geboren und mehr oder weniger Zeitgenossen von Gustav Mahler und Richard Strauss) weniger scheute, erklangen in ihren jeweiligen charakteristischen Klangfarben sehr fein austimbriert. Wiederum sehr empfundene Soli der Holzbläser Englischhorn, Flöten, Klarinette, aber auch klanglich aparte Interventionen der Streicher. In Douglas Bostock begegnete man einem Dirigenten, der Erfahrung ausstrahlte und spürbar hohen Anteil an den qualitativ hochstehenden Leistungen des Orchester hatte.