Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic
Biel Konzerte 2016
21. Dezember 2016 Von durchsichtig zart bis fröhlich ausgelassen 4. Sinfoniekonzert TOBS 2016_17
29. November 2016 Verheissungsvolle junge Musiker Elin Kolev, Violine, und Umar Kim, Piano
27. November 2016 Ein etwas manierierter Poet Andrew Tyson im Logensaal
8. November 2016 Unwiderstehliche Musikalität Edgar Moreau und Pierre-Yves Hodique
23. Oktober 2016 Ein Wiedersehen mit fünf Pianisten Saisonbeginn der Société philharmonique 2016
19. Oktober 2016 Shakespeare in Music und eine Uraufführung 2. Sinfoniekonzert 2016_17
17. September 2016 Können und perfektes Zusammenspiel Héléna Macherel und Jean-Sélim Abdelmoula in "La Prairie"
7. September 2016 Letzte Lieder, späte Tondichtung und eine erste Sinfonie 1. Sinfoniekonzert 2016_17
6. September Entfesselte Virtuosität und subtile Anschlagskunst Rezital Haochen Zhang
27. August 2016 Sinn für Dramatik und Poesie Der Pianist Joseph-Maurice Weder
18. Mai 2016 Ein Konzert mit vielen Eindrücken 9. Sinfoniekonzert SOBS 2015_16
11- Mai 2016 Unfehlbare Technik und Reife der Gestaltung Raphaël Sévère und Adam Laloum
2. Mai 2016 Legenden und Lobgesänge Drei Konzerte (Ars musica, Choeur symphonique, H.E.Frischknecht (Orgel)
17. April 2016 Huldigung an die musikalsche Romantik Das "Ottetto di Firenze" in der Pasquartkirche
14. April 2016 "Seven Towers" Uraufführung Cécile Marti, "Seven Towers" in Biele uraufgeführt
6. April 2016 Wenn einfach alles stimmt Rezital Adam Laloum
23. März 2016 Genuss und Ergriffenheit "Messias" im 7. Sinfoniekonzert SOBS
13. März 2016 Ein junger Pianist, der grosse Erwartungen weckt Rezital Nicolas Caccivio
28. Februar 2016 Eine junge Pianistenpersönlichkeit Lukas Geniušas
24. Februar 2016 "Russische Seele", authentisch und begeisternd 6. Sinfoniekonzert 2015_16
21. Februar 2016 Gemeinsamer interpretatorischer Ansatz Conradin Brotbek und Dagmar Clottu
10. Januar 2016 Benjamin Grosvenor im Saal der Loge
Von durchsichtig zart bis fröhlich ausgelassen
Das vierte Sinfonekonzert TOBS im Bieler Kongresshaus begann weihnächtlich zart mit dem „Hirtengesang an der Krippe“ aus dem Oratorium „Christus“ von Franz Liszt. Das folgende Klavierkonzert in F-Dur KV 459 von Wolfgang Amadeus Mozart versprühte dagegen buffoneske Lebensfreude, und die sechste Sinfonie in D-Dur von Antonin Dvořak war ein strahlender Abschluss. In jedem Werk zeigten sich Dirigent Kaspar Zehnder, der Solist Iddo Bar-Shai am Flügel und das Orchester auf voller Höhe und es gibt durchwegs nur Lob für ein eindrücklich schönes Konzert.
Ausgelassene Fröhlichkeit
In dem Orchesterstück von Franz Liszt verzichtet der Komponist auf die überlieferten Klischees der „Hirtenmusik“ wie Siciliano-Rhythmus oder Bordun-Begleitung. Einziges „Relikt“ der Tradition ist die bestimmende Rolle der Holzbläser - Flöte, Oboe und Englischhorn - in dem durchsichtigen Geflecht der Stimmen. Die Solistinnen und Solisten des Orchesters hatten hier bereits ausgiebig Gelegenheit, das Publikum zu verzaubern.
Nach dem zweiten Satz des Klavierkonzertes von Mozart brachen spontan ein paar Leute in Beifall aus. Allerdings entschuldbar, denn der mit „Allegretto“ bezeichnete Mittelsatz war von seltener und auserlesener Schönheit und Innigkeit. Und die Ecksätze kontrastierten mit ernsthafter Kontrapunktik und ausgelassener Fröhlichkeit, dass es ein wahre Freude war. Verdienst hatte hier zum einen der Pianist Iddo Bar-Shai, welcher seinen Klavierpart mit eher weichem Anschlag, aber sehr lebendiger Artikulation zu einem ausgesprochenen Hörgenuss gestaltete. Das Orchester war ebenbürtig und nahm die Leichtigkeit und Durchsichtigkeit des Klanges auf, hier wiederum vor allem die Holzbläser, welche mit dem Klavier in Wettstreit und Dialog traten.
Lebensbejahende Sinfonie
Von der Sinfonie in D-Dur von Dvořak ist ebenfalls nur Löbliches zu berichten. Kaspar Zehnder gestaltete dieses im Repertoire noch etwas vernachlässigte meisterliche Werk auch meisterlich. Man horchte richtig auf ob der differenzierten, klug und reichhaltig abgestuften Dynamik, der Transparenz des Orchesterklanges, so dass man auch die reich ausgestatteten Mittelstimmen verfolgen konnte, dem meistens zurückhaltenden Blech, das aber einen guten klanglichen Grund lieferte und das eine oder andere Mal die volle Pracht entfaltete. Auch die virtuosen Streicherpassagen in der Stretta des Finalsatzes waren klar durchhörbar und kein Gewusel, man folgte dem klassisch aufgebauten, aber trotz ein paar Anklängen an Brahms so typisch böhmischen Werk mit Aufmerksamkeit und nicht nachlassendem Genuss. Bei aller spürbaren Sorgfalt herrschte auch der lebensbejahende Geist Dvořaks über der Musik.
Die früheren Sinfonien mit Ausnahme der beiden letzten wurden lange etwas stiefmütterlich behandelt, die Zählung begann bis in die Fünfzigerjahre sogar erst mit der Fünften, so dass die „Neue Welt“ lange als die Fünfte galt. Man behauptete auch, dass die früheren Werke noch kein echter Dvořak seien, sondern unter dem Einfluss des Mentors Brahms stünden. Wie so manche Vorurteile waren auch diese zäh und schwer zu überwinden, aber immerhin gehören nun die Sinfonien fünf, sechs und sieben doch schon zum Standardrepertoire vieler Dirigenten und Orchester. Dass sie es wert sind, auch bei einem sich am klassischen Modell anlehnenden Formaufbau, hat die vorzügliche Aufführung durch Kaspar Zehnder und sein Orchester einmal mehr bewiesen.
Verheissungsvolle junge Musiker
Der Violinist Elin Kolev (20) und der Pianist Umar Kim (19) gastierten in der Reihe RÉVÉLATIONS – JEUNES INTERPRÈTES im Saal des Farel in Biel. Beide studieren zusammen noch in Karlsruhe, können aber bereits beträchtliche Erfolge auf Konzertbühnen vorweisen. Das Programm ihres Rezitals war anspruchsvoll, mit zwei Spätwerken von Brahms und Schumann, umrahmt von der Sonate a-moll des jugendlichen Schubert und der Sonate op. 7 aus dem Jahr 1996 von Fazil Say.
Die Sonate von Schubert klang schön und technisch perfekt, war aber etwas zu brav vorgetragen. So erhielt man den Eindruck, die beiden jungen Künstler wollten durch keine Übertreibungen auffallen und keine Risiken eingehen, dabei hätte das Werk des 19-jährigen Schubert durchaus mehr Impetus und mehr Kontraste vertragen. Der erste Satz der dritten Violinsonate op. 108 in d-moll von Johannes Brahms „litt“ unter derselben Zurückhaltung und es wurde eher das lyrische Element als das drängende und leidenschaftliche hervorgehoben. Vor allem der Pianist dürfte gerade bei Brahms stärker aus der Begleitrolle treten (weniger linkes Pedal), denn beide Instrumente sind von Brahms mindestens gleichwertig behandelt, in dieser Sonate hat das Klavier sogar eine oft bedeutendere Rolle. Der langsame Satz war ergreifend schön, beide Musiker fanden hier zu Einheit. Tiefe und Ruhe, der Geiger bestach durch wunderschönen Ton auf der G-Saite.
Nach der Pause erklang die schwierige zweite Sonate op. 121 ebenfalls in d-moll von Robert Schumann. Violin- und Klavierpart sind gleichermassen virtuos und durchdringen sich gegenseitig zum Teil in kurzen Phrasen. Dieses Werk erklang nun fast selbstverständlich und mühelos, die Interpretation hatte Schub und den für Schumann charakteristischen Vorwärtsdrang und mit oft sehr raschen Stimmungswechseln. Es war eine sehr eindrucksvolle Darbietung, in welcher die Musiker auch eine beachtliche Reife zeigten.
Die abschliessende Sonate von Fazil Say geriet dem Duo ebenfalls einwandfrei und sowohl das unterhaltsame und stimmungsvolle Werk wie die sehr adäquate Darstellung be-geisterten das Publikum. Mit zwei Stücken von Fritz Kreisler als Zugaben wurde der Abend passend abgeschlossen.
Ein etwas manierierter Poet
Andrew Tyson im Logensaal
Nach seinem Auftritt am Piano Festival in Luzern machte der Pianist Andrew Tyson seine Aufwartung auch im Bieler Logensaal auf Einladung der Société philharmonique von Biel. Der Geza Anda-Preisträger von 2015 wurde in Luzern wie in Biel als „junges Talent“ gehandelt, obschon er doch fast dreissig Jahre alt ist. In diesem Alter gibt es bereits bestandene Interpreten, die ihre ersten Preise mit knapp zwanzig Jahren abgeholt haben. Liest man die Berichterstattung über den Geza Anda-Wettbewerb, muss man Kritikern auch im Nachhinein Recht geben. Nicht dass er den Preis nicht vedient hätte, er zeigte auch in Biel ein solides Handwerk, und wenn er als Poet am Klavier bezeichnet wird, so ist auch das nicht falsch. Aber was doch etwas negativ zu Buche schlug, war eine etwas manirierte Agogik bereits in den drei Sonaten von Domenico Scarlatti, die er sehr pianistisch (keine Annäherung ans Cembalo) und mit zu gedehnten Ritardandi bei fast jedem Abschnitt ausführte. Am Besten gefielen die sechs Stücke der „Miroirs“ von Maurice Ravel, wo ein gepflegter Anschlag und eine subtile Tongebung sowie Klarheit im „Alborado del gracioso“ und dazu die Ausarbeitung mancher feinen Details sehr gefielen.
Drei Mazurken aus dem späten Opus 59 von Frédéric Chopin erlaubten naturgemäss einige agogische Freiheiten innerhalb des Mazurka-Rhythmus, und die Klangfärbungen kamen trotz dem nicht idealen Flügel gut herüber. Die Neigung zu fast übersteigerter Raffinesse fiel im ersten Teil der Ballade in As-Dur von Chopin erneut fast ein wenig unangenehm auf. Sehr überzeugend wiederum die „Rhapsodie espagnole“ von Franz Liszt, nicht als Werk, das nicht zum Besten von Liszt gehört, aber von den pianistischen Fähigkeiten, vor allem in der Leichtigkeit und Brillanz der glitzernden Passagen. Eine weitere Mazurka und ein Stück von Isaac Albeniz schlossen das Konzert ab. Zurück zum Geza Anda-Wettbewerb: da waren offenbar auch Kandiaten und Kandidatinnen am Werk, die ebenso einen ersten Preis verdient gehabt hätten und bei denen es wohl auf Vorlieben der Jury ankommt, wer ganz obenaus schwingt. Der Pianist aus den USA wird in Zukunft beweisen müssen, dass er zu Recht den ersten Preis und den Mozart-Preis und den Publikumspreis zugesprochen erhielt.
Unwiderstehliche Musikalität
Für den, der Edgar Moreau schon gehört hatte, war es keine Überraschung, sondern eine Bestätigung. Für das Bieler Publikum war er eine wirkliche Entdeckung. In der Reihe RÉVÉLATIONS – JEUNES INTERPRÈTES spielte der junge französische Cellist mit seinem ständigen Begleiter Pierre-Yves Hodique ein Programm, das von Beethoven über Schumann bis zu Schostakoitsch und Francis Poulenc reichte, dazwischen noch die „Elegie“ von Gabriel Fauré. Und schon beim op.70 von Schumann, „Adagio und Allegro“, horchten die Zuhörer auf: sowohl Pianist wie Cellist trafen den Zauberton von Schumann im eröffnenden Adagio und spielten auch das Allegro mit unwiderstehlichem „Sturm und Drang“ im Schumann'schem Stil. Die beiden Musiker offenbarten schon hier ihre hohe Musikalität und den fast unbändigen Gestaltungswillen und eine uneingeschränkte Grosszügigkeit im Verströmen der Musik.
Die „Elegie“ von Fauré mit der weit gesponnenen Melodie und der vollkommenen Schönheit des Celloklangs war eine weitere Offenbarung. In der Sonate von Francis Poulenc kamen noch die gegensätzliche darstelung von Schalk, überschäumender Virtuosität und dazwischen Melodienseligkeit dazu. Man begreift nicht, wieso Poulenc mit seinem Werk nicht zufrieden war, das inzwischen zu einem Liebling der Cellisten geworden ist.
Beethoven Variationen WoO46 über ein Thema aus der „Zauberflöte“ zeigte die beiden jungen Musiker ein weiteres Mal auf der Höhe ihres Könnens und die abschliessende Sonate op. 40 von Dmitri Schostakowitsch war sehr beeindruckend in ihren vielfältigen Charakteristiken von fast süsser Schönheit über Sarkasmus und Härte, über Düsterkeit bis zur etwas forcierten Fröhlichkeit des Schlusssatzes. Jedenfalls war das Publikum jeden Alters einhellig begeistert vom Können und der Ausstrahlung der Musiker, welche den herzlichen Applaus mit zwei Zugaben aus dem leichteren Bereich verdankten.
Ein Wiedersehen mit fünf Pianisten
Die Société philharmonique de
Bienne feierte ihre dreissigste Konzertsaison mit einem dreitägigen
Klavierfestival. Vier Pianisten und eine Pianistin traten in je einem Rezital
auf, alle waren schon früher Gäste im Bieler Logensaal gewesen und daher keine
Unbekannte. Den Auftakt machte Nelson Goerner, der
sein
angekündigtes Programm völlig änderte und der von allen fünf am meisten Publikum
anzog. Er spielte im ersten Teil eine „Aria variata alla maniera italiana“ von
Bach mit klarem Ton und fein ziselierten Verzierungen fast mehr französisch als
italienisch und dann acht „Préludes“ aus dem ersten Heft von Claude Debussy.
Auch hier mehr Klarheit als Nebulosität aber mit äusserst beherrschtem Anschlag
und subtilen Tönen. Weiter ging es mit zwei Polonaisen von Chopin, op. 44 und
op. 53, welche zwei späte Nocturnes aus dem Opus 62 einrahmten. Man erfreute
sich einmal mehr an der Noblesse seiner Chopin-Interpretationen.
Am Samstag machte zuerst der Bieler Urs Peter
Schneider seine Aufwartung mit Werken von Haydn und
Carl
Philipp Emmanuel Bach und auf ihn folgte der Tessiner Mauro lo Conte. Dieser
begann mit der Französischen Suite Nr 5 von Johann Sebastian Bach, sehr
stilgerecht aber mit deutlich substantiellerem Ton als Goerner, er versah alle
Wiederholungen der Tänze mit zusätzlichen Verzierungen. Auf die „Fantasia on an
Ostinato“ von John Corigliano, die ein Zitat aus Beethovens Siebter heranzieht,
liess er unmittelbar die „Sturm“-Sonate op.31/2 von Beethoven folgen und er
schloss mit „Kreisleriana“ op. 16 von Robert Schumann. Er fand bei Beethoven wie
bei Schumann den richtigen Klang und zeigte eine spürbare Ernsthaftigkeit in
seinen Auseinandersetzung mit den Werken.
Der Sonntag war der jungen Walliserin Béatrice Berrut
und dem Westschweizer Cédric Pescia vorbehalten. Auch sie beide sind sehr ernst
zu nehmende Interpreten. Béatrice Berrut begann mit Bach'schen
Choralbearbeitungen
und der Chaconne für Violine in der Klavierbearbeitung von Ferruccio Busoni.
Wieder einmal ist festzustellen , dass die Übertragungen von Busoni durch viele
Zusätze zu fast eigenständigen Kompositionen werden, die man – besonders in der
virtuosen und klangmächtigen Chaconne – auch als solche beurteilen muss. Das
Spiel von Béatrice Berrut war sehr nüanciert und auch kraftvoll. In den „Jeux de
doubles“ des zeitgenössischen Franzosen Thierry Escaich bewährte sich auch ihre
technische Sicherheit. Wie auch natürlich in den zwei Balladen und der Fantasia
quasi una sonata „Après une lecture de Dante“ von Franz Liszt. Wobei hier auch
die klangliche Gestaltung und die formale Übersicht in den grossformatigen
Werken sehr positiv zu bewerten war.
Einen in fast jeder Hinsicht beeindruckenden
Abschluss machte Cédric Pescia mit den drei letzten Klaviersonaten Beethovens,
die er als geschlossenen Zyklus darbot. Dem Pianisten gelang es, die
Aufmerksamkeit und die Spannung beim Zuhörer eine Stunde lang voll wachzuhalten,
einmal durch die
Genialität
und Originalität und den spirituellen Gehalt der Werke, zum Andern durch eine
auch spannungserfüllte Wiedergabe.. Ich erinnere an die unübertreffliche
Variationskunst Beethovens nicht bloss im Opus 111, sondern auch im Finale des
Opus 109, wo man immer wieder staunt über die Komplexität einerseits und die
raffinierte Einfachkeit andererseits. Oder die formalen Verläufe im letzten Satz
des Opus 110 mit Verschränkung von langsamem Satz und freier Fuge. Cédric
Pescia, das haben wir schon anderweitig festgestellt, ist ein sehr überzeugender
Vermittler der geistig-musikalischen Welt Beethovens und auch diesmal, in diesem
unübertroffenen Sonatenzyklus war diese oft sehr gegensätzliche Welt zwischen
Impulsivität und Schroffheit bis zu Abgründigkeit und himmlischem Entschweben
hervorragend und bewegend dargestellt. So wurde der Abschluss des Konzertzyklus
zu einem Erlebnis.
Shakespeare in Music und eine Uraufführung
Im 2. Sinfoniekonzert wurden die Zuhörer teils gefordert, teils verwöhnt, meist mit im Konzertsaal eher selten gespielten Werken, aber auch mit einer gewichtigen Uraufführung. Dabei lernte man in Andris Poga einen Dirigenten kennen, der durch unspektakuläre aber umso umsichtigere und präzise Schlagtechnik auffiel und der das Orchester in jeder Hinsicht zu hervorragenden Leistungen führen konnte. Ihm dürfte man auch auf den internatiolen Podien wohl noch öfter begegnen. Die Programmierung mit der Fokussierung auf Shakespeare in der Musik wird wohl auf den Chefdirigenten Kaspar Zehnder, der für jedes der zehn Konzerte Zielrichtung vorgibt. Die Uraufführung der Komposition von David Philip Hefti auf das Sonett Nr. 147 von Shakespeare „As dark as night“ war gegeben und fand im Rahmen der „Œuvres suisses“ statt, einer Reihe, in welcher elf schweizerische Berufsorchester insgesamt 33 Kompositionsaufträge vergaben.
Die Aufführung zeigte eine Komposition, die in erster Linie durch klangliche Reize und Vielfalt auffiel und bestach. Es sind zumeist liegende Töne und statische Klänge, die aber mit viel Farbsinn ausgestattet sind und auch Geräuschhaftes – etwa Blasgeräusche der Bläser – und alle heute gängigen Spieltechniken der Streicher sowie ein differenziert eingesetztes Schlagzeug verwenden. Nichts grundsätzlich Neues – was auch nicht nötig ist – aber ein Werk, das beim Publikum auf gute Resonanz stiess. Einen grossen Anteil am Erfolg hatte die Altistin Evelyn Krahe, welche die stimmlichen Mittel in allen Färbungen mit absoluter Sicherheit, mit Gestaltungs- und Überzeugungskraft einsetzte.
Begonnen wurde der Shakespeare-Abend mit „Scènes dramatiques“, einer Orchestersuite von Jules Massenet, in der das Orchester bereits durch sorgfältige Klanggestaltung auffiel. Auch die abschliessenden zwei „Ouvertüren“ von Peter I.Tschaikowsky zu „Hamlet“ und „Romeo und Julia“ zeigten das Orchester in bester Form. Eigentlich sind es sinfonische Dichtungen aber in einer fast klassischen Form, die nicht in einem „wörtlichen“ Sinn der Handlung der Dramen folgt, sondern eher das Klima einzelner Szenen wiedergibt. Vielleicht klangen einzelne Fortestellen etwas hart und durchschlagend, aber sowohl die Holzbläser mit ihren Soli, wie die Blechbläser in choralartigen Gebilden zeigten ein hochstehende Niveau, und die Streicher waren in Kantilenen sehr rein und in den äusserst bewegten Teilen perfekt klar. Solistin, Dirigent, Komponist und Orchester durften zu Recht sehr lang anhaltenden Beifall entgegennehmen.
Können und perfektes Zusammenspiel
Héléna Macherel und Jean-Sélim Abdelmoula in "La Prairie"
Im Kulturzentrum „La Priairie“ in Bellmund traten gestern die Flötistin Héléna Macherel und der Pianist Jean-Sélin Abdelmoula auf. Abdelmoula ist in Biel schon mehrfach aufgetreten, noch als junger Teilnehmer der Sommerakademie. Inzwischen hat er in London weitere Studienjahre hinter sich gelassen. Héléna Macherel hörte man zum ersten Mal, aber die Beiden arbeiten offenbar seit längerer Zeit zusammen.
Das Duo begann mit der Flötensonate in h-moll BWV 1030 von Johann Sebastian Bach. Es war eine stilsichere, für manche etwas kühle Wiedergabe. Vor allem im ersten Satz spielt die Flöte mit der rechten Hand im Klavier ein Duett auf gleicher Höhe und es mag an der Besetzung mit modernem Flügel und Flöte gelegen haben, dass dieses Duettieren nicht so klar hörbar war. Es folgte die Serenade op. 41 für Flöte und Klavier von Ludwig van Beethoven, die eigentlich eine Bearbeitung des Trios für Flöte, Violine und Viola op. 25 ist. Man freute sich am perfekt aufeinander abgestimmten Zusammenspiel und am Sinn für den Humor in diesem heiteren Stück. Die Ballade für Flöte und Klavier von Frank Martin hört man weniger oft als auch schon. In früheren Jahren wurde das Werk oft aufgeführt, auch in der Fassung mit Orchester. Es bestätigte sich, dass Frank Martin ein Komponist von Rang war und die Interpretation war ebenso hervorragend und ein glänzendes Plädoyer für das Werk und den Komponisten.
Nach der Pause gab es die Sonate in A-Dur von César Franck, eigentlich für die Violine komponiert aber mittlerweilen auch von den Cellisten adoptiert und auch die Flötisten haben das meisterliche Werk für sich entdeckt. Wie im ersten Teil konnte die Flötistin ihr Können, ihre hervorragende Atemtechnik und eine vielfältige Farbgebung vor allem in den tieferen Lagen unter Beweis stellen. Gab es im ersten Teil des Konzerts ein paar etwas schrille Töne in der Höhe, war der Klang in der Sonate von Franck schön abgerundet. Vielleicht gelingen auf den Streichinstrumenten ein paar Steigerungen doch effizienter und emotionaler als auf der Flöte, doch das Werk kam auch in dieser Besetzung zu schöner Geltung. Der Klavierpart ist eh sehr anspruchsvoll und Jean-Sélim Abdelmoula zeigte sich auch hier als überlegener und gereifter Pianist und als ausgzeichneter Kammermusiker. Mit dem „Largo e dolce“ aus der Flötensonate von Bach bedankte sich das Duo für den verdient reichen Beifall.
z
Letzte Lieder, späte Tondichtung und eine erste Sinfonie
1. Sinfoniekonzert SOBS
2016_17
Das Sinfonieorchester Biel Solothurn schafft den Übergang von den Sommerkonzerten zu den winterlichen Sinfoniekonzerten jeweils mit einer Grossbesetzung, weil sämtliche Praktikanten des sommerlichen Orchesterkurses noch dabei sind. So können auch Werke aufs Programm gesetzt werden, die im „Normalbetrieb“ eher unerschwinglich sind. Im ersten Sinfoniekonzert waren es die sinfonische Dichtung „Die Waldtaube“ von Antonin Dvořak und die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss. Die erste Sinfonie in c-moll op. 68 wäre auch mit der normalen Ausstattung möglich, sie „profitierte“ aber von der etwas grösseren Streicherbesetzung.
Den besten Eindruck hinterliessen die Lieder von Richard Strauss. Das Orchester unter seinem Chef Kaspar Zehnder brachte den Farbenreichtum im letzten Werk von Strauss zum Blühen, und die Sopranistin Brigitte Hool liess mit ihrer wunderschön und natürlich fliessenden Stimme keine Wünsche offen. Die Sängerin füllte ohne Forcieren den Saal und setzte sich gegen das reich besetzte Orchester problemlos durch. Gerade durch die scheinbare Mühelosigkeit wurde sie dem Charakter dieser scheinbar schlichten, aber stimmlich sehr anspruchsvollen Melodien mit weiten Bögen sehr gerecht.
Etwas weniger uneingeschränkt konnte man den reinen Orchesterwerken zustimmen. Auch in den Liedern war der Vokalpart gelegentlich stark in den Orchestersatz eingebettet, aber man konnte das verzeihen, weil das Strauss'sche Orchester sehr farbenreich ausgestattet ist und weil das Orchester an der Ausdeutung der Liedtexte einen grossen Anteil hat. Da waren die solistischen Interventionen der Hörner, der Flöte und Klarinette und des Englischhorns auch sehr zu loben. Auch die „Waldtaube“ von Dvořak ist orchestral reicher versehen als etwa die Sinfonien des Böhmen. Und er bringt in den späten Tondichtungen auch Farben, die man in seinen früheren Werken nicht so kennt. Fahle, unheimliche Klänge, die den unheimlichen Gedichten, welche den Werken zugrunde liegen entsprechen. Nun, in der Ausführung fehlte der Zauber und die Magie bis auf wenige Augenblicke fast ganz. Über weite Strecken war der Orchesterklang nicht ausgefeilt genug. Und damit wurden Vorurteile bestätigt, die auf Worte des Wiener Kritikers Eduard Hanslick zurück gehen, dass die späten sinfonischen Dichtungen nicht zum Besten gehören, was Dvořak geschaffen hat.
Ähnlich erging es der Sinfonie von Brahms. Es war eine solide Leistung, aber über weite Strecken allzu solide. Gerade die doch im Vergleich mit philharmonischen Orchestern immer noch kleine Streicherbesetzung würde ein transparentes Klangbild erlauben, aber diese Gelegenheit wurde verpasst und es entstand ein schwerblütiger „knorriger“ Brahms wie er den alten Vorurteilen entspricht. Kaspar Zehnder ist ein sehr verdienstvoller Chefdirigent, ein Kritikpunkt, den wir hier uns anzusetzen erlauben, ist, dass er zu oft auf Kraft, anstelle von Durchsichtigkeit setzt. Und die Bläser, sowohl Holz- wie Blechbläser spielen im Plenum zu oft ein Mezzopiano wo ein Piano angebracht wäre und nur zu selten ein wirkliches Pianissimo. Das Publikum liebt den saftigen Klang des Orchesters und entsprechend war der Beifall gross und ausdauernd.
(Ich zitiere hier Ausschnitte aus einer Kritik, einen jungen aufstrebenden Dirigenten betreffend, die verdeutlichen, was ich beim Bieler Orchester zur Zeit eher vermisse:
"selbst in gross besetzten Partituren das kammermusikalische Potenzial freizulegen und den Blick auf unerhörte Details zu schärfen. Bei P....kann Strauss wie ein Impressionist oder Avantgardist der frühen Moderne klingen. Überdies schafft es P...., vermeintlich gegensätzliche Klangprofile konzis zu einen: Sein Orchester kennt die erdige Grundierung und Verschmelzung der Klangfarben ebenso wie ihre sezierende, obertonreiche Trennung.
Mit schlanker, luzider Durchsichtigkeit der Fraktur und einer überreichen Abstufung der Dynamik vollbringt P.... regelmässig wahre Wunder. ")
Entfesselte Virtuosität und subtile Anschlagskunst
Haochen Zhang im Rezital in Biel
Der junge chinesische Pianist Haochen Zhang hat das Publikum in Biel begeistert. In den Ankündigungen wurde er sowohl für die makellose Technik wie die Sensibilität und Gestaltungskraft gerühmt. Und diese Versprechen hat er bereits in der eingangs gespielten Sonate 1. Oktober 1905 von Leos Janaček erfüllt. Der erste Satz (Vorahnung) sehr verhalten und mit erstaunlichen Farbnüancen ausgestattet, der zweite Satz (Der Tod) mit Tiefe und starker Ausdruckskraft.
Die „Kreisleriana“ op. 16 von Robert Schumann gelangen dem erstaunlich reifen Künstler ebenso eindrücklich. Stürmisch zu Beginn, äusserst subtil im Mittelteil des ersten Stücks, mit feinsten Farb- und Anschlagsnüancen. Im weiteren Verlauf bestätigten sich die Eindrücke: da ist ein überlegener Gestalter am Werk, der auch den Charakter dieser manchmal eruptiven, manchmal verträumten und verinnerlichten, manchmal auch skurrilen und grotesken Charakterbilder erfasst hat.
Die Sonate „Les Adieux“ op. 81a von Ludwig van Beethoven erfuhr ebenso eine werkgerechte Interpretation , wobei die zum Teil heftigen Konstraste vielleicht um eine Spur überbetont wurden. Doch auch hier bewunderte man den gespflegten Anschlag und eine das Melodische hervorhebende Tongebung im zweiten Satz und die glitzernden Passagen im „vivacissimamente“ des Schlusssatzes.
Die drei kurzen „Poêmes“ aus op. 69 und op. 32 von Alexander Skrjabin boten dem Pianisten erneut Gelegenheit zu raffinierter Klanggestaltung. Dagegen konnte er in der Sonate Nr. 1 op. 22 von Alberto Ginastera den rhythmischen Furor und die perkussiven Elemente und im Presto misterioso des zweiten Satzes ebenfalls die bewundernswerte technische Sicherheit zur Geltung bringen.
Zwei sehr gegensätzliche Zugaben schlossen den eindrücklichen Abend ab mit dem „alla turca“ von Mozart in der atemberaubenden Version von Arcadi Volodos und einem Intermezzo aus dem opus 118 von Johannes Brahms. Im ersten Stück konnte Haochen Zhang die stupende Virtuosität einmal mehr unter Beweis stellen und im zweiten Stück weckte er den Wunsch, ihn noch mehr in der poetischen Welt der Romantik zu erleben.
Sinn für Dramatik und Poesie
Der Pianist Joseph-Maurice Weder im Kulturzentrum "La Prairie"
Im Kulturzentrum „La Prairie“ in Bellmund bei Biel war der Pianist Joseph-Maurice Weder zu hören. In einem klug aufgebauten Prorgamm mit Fantasien von Mozart und Schumann und der Sonate h-moll von Franz Liszt, die tatsächlich auch eine Art Fantasie ist (ein bisschen der „Wanderer“-Fantasie von Schubert abgeschaut, mehrsätzig aber auf einem einzigen Thema beruhend). Die Liszt-Sonate einsätzig aber mit mehr oder weniger klar abgetrennten Teilen die einen Sonatenhauptsatz, einen langsamen Satz, ein Scherzo und ein Finale andeuten, wobei das Finale die (variierte) Reprise des Sonatensatzes ist.
Der Pianist ist Schweizer, hat zuletzt in London studiert und wurde in „La Prairie“ in der Reihe „Jeunesse“ präsentiert, obschon er mit Jahrgang 1988 bereits eine solide Karriere mit glänzenden Kritiken erklommen hat. Für uns Bieler war er jedenfalls eine Entdeckung. Er hat die Fantasie d-moll KV 397 von Mozart unzimperlich aber durchaus sehr differenziert interpretiert, wobei schon hier der Klang im Piano angenehm auffiel. Die viel grösser angelegte Fantasie C-Dur op. 17 von Robert Schumann zeigte technische Souveränität – eine Voraussetzung für erfolgreiche Pianisten – und aber auch eine recht eigenwillige Gestaltungskraft. Die Eigenwilligkeit äusserte sich nicht in Eskapaden, aber man spürte, dass da eine eigenständige musikalische Persönlichkeit am Werk war. Die Tempi waren innerhalb eines bestimmten Rahmens, so dass der erste Satz nicht in Episoden auseinander fiel, der zweite Satz nicht als Demonstration der Virtuosität erschien, kraftvoll aber nicht protzig klang, und der letzte Satz seinen Zauber entfalten konnte.
Die Sonate von Liszt ist in jeder Hinsicht ein Prüfstein. Nicht von ungefähr stellen sie viele junge Pianisten in ihr Programm. Sie stellt ausserordentliche technische Anforderungen, neben Brillanz und Durchstehvermögen verlangt sie eine sehr breite klangliche Palette, mal perlende Klarheit, mal ein singendes Legato, kraftvolle Akkorde und Oktavgänge, dazu natürlich ein Gestaltungsvermögen, das aus dem fast halbstündigen Werk eine grosse Einheit schafft. All das wurde von Joseph-Maurice Weder in sehr hohem Mass, mit Sinn für Dramatik aber auch Poesie und Versenkung, geboten.
Ein Konzert mit vielen Eindrücken
Das 9. Sinfoniekonzert im Bieler Kongresshaus war vielleicht etwas lang und anstrengend, aber in mehrfacher Hinsicht ein Leistungsausweis. Erstens die Programmierung. Seit Kaspar Zehnder Chefdirigent ist, kommen wir vermehrt und regelmässig in den Genuss von Uraufführungen, Erstaufführungen und wir bekommen allgemein auch eher selten gespieltes zu Gehör. Bis jetzt scheint sich das auf die Zuhörerzahlen nicht negativ auszuwirken. Das wäre positiv. Zweitens hat sich die Qualität des Orchesters erneut gesteigert. Kaspar Zehnder hat einen anderen Interpretationsansatz als sein Vorgänger Thomas Rösner. Da konnte man zuerst befürchten, das Orchester finde zu alter Betulichkeit zurück. Nach dem schlanken, transparenten Ton unter Rösner, der vielleicht auch gelegentlich ein gran zu dünn war, fand das Orchester zunächst wieder zu opulenter Klangfülle, die dafür auf Kosten der Genauigkeit und des Ausgleichs unter den Registern ging. Jetzt hat man einen unzimperlichen Klang mit Genauigkeit, dynamischer Differenziertheit und Staffelung unter den Registern verbunden und es kommen sehr gute Aufführungen zustande wie jüngst in Solothurn bei Mozarts „Jupiter“-Sinfonie und jetzt bei der ebenfalls genialen Sinfonie Nr. 95 in c-moll von Joseph Haydn. Es wird konstrastreich gespielt, zupackend beim ersten Motiv, leicht und geschmeidig bei der Fortsetzung, die Forte sind kräftig aber nicht zu dick aufgetragen, die Motivik lebendig akzentuiert gestaltet. Über die ganze Sinfonie hinweg eine durchaus erfreuliche Darbietung.
Brillante Solisten
In „Pampanea“ Nr. 2 für Cello und Orchester von Alberto Ginastera konnte man vor allem die noch junge Cellistin Nadège Rochat mit tadelloser Technik, Impulsivität, kräftigem und wohlkingendem Ton bewundern. Das Stück des argentinischen Komponisten gefiel mit seinen folkloristischen Einflüssen aus der Pampa, eingebettet in eine solide klassische Textur.
Applaus für den Komponisten Marco Antonio Pérez-Ramirez (Bildmitte)
Das 3. Klavierkonzert in B-Dur von Franz Liszt war eine Schweizerische Erstaufführung, ist es doch erst vor rund 25 Jahren aus Entwürfen von 1839 rekonstruiert worden. Als Werk hat es durchaus Bestand, vor allem der virtuose Klavierpart klingt nach echtem Liszt. Das Orchester ist teilweise etwas spärlich besetzt hat aber auch originelle Züge. Der Pianist Aimo Pagin gestaltete das Werk technisch und musikalisch mit Überlegenheit, und die fünfteilige freie Form, die bloss andeutungsweise der traditionellen Konzertform folgte, kam zu guter Wirkung.
Unterbrochene Stille
Nach der Pause gab es zwei echte Uraufführungen. Zuerst das knapp gehaltene, bloss siebenminütige Stück von Marco Antonio Pérez-Ramirez, „Duende“ für Cello, Klavier und Orchester. Es ist tatsächlich, wie der Komponist schreibt, ein Werk aus der Stille, die von heftigen Eruptionen und Schlägen untebrochen wird. Die Solo-Instrumente spielen häufig unisono in einfachen Tonmustern und bilden mehrheitlich einen Teil des Orchesters.
Lange Entwicklungen
Ausführlicher ist die halbstündige „Symphony of Roses“ des Engländers Peter Seabourne. Obwohl die Komponisten beinahe gleich alt sind, könnte ihre Musik nicht unterschiedlicher sein. Ist die Partitur des in Biel bei TOBS arbeitenden Pérez-Ramirez von Einzelereignissen geprägt, so sind in der Sinfonie von Seabourne in fast neoromantischer Weise (es klingt manchmal der mittlere Stil von Gustav Mahler an) lange Melodien in den Geigen oder Celli und überhaupt Entwicklungen über längere Zeit charakteristisch. Es kommt immer wieder zu raffinierten Klangmischungen zwischen Perkussion, Bläsern, Harfe und Streichern, es gibt vor allem im dritten Satz spannende rhythmische Überlagerungen. Insgesamt erschien das Werk etwas überlang, was aber auch dem Umstand zugeschrieben werden kann, dass die Aufführung am Schluss eines bereits etwas zu langen Programms erklang. Beide Komponisten, wie auch Solisten, Dirigent und Orchester konnten reichlich verdienten Beifall für ein eindrucksvolles Konzert entgegen nehmen.
Unfehlbare Technik und Reife der Gestaltung
Gestern traten der Klarinettist Raphaël Sévère und der Pianist Adam Laloum, beide extra aus Paris angereist, vor vollem Wyttenbachsaal in Biel auf. Das Publikum war einhellig begeistert. Viele waren gekommen um den Pianisten Adam Laloum, der vor fünf Wochen in einem Solo-Rezital aufgetreten war, noch einmal zu hören, so beeindruckt waren sie von seinem subtilen Spiel. Ein Zuhörer, eher ein Skeptiker wenn es um die Beurteilung von Solisten geht, meinte, er hätte mehr auf das aufmerksame Spiel des Pianisten geachtet, als auf den Klarinettisten. Das ist etwas ungerecht gegenüber dem jungen Raphaël Sévère, der natürlich in einem sehr vielseitigen Programm - das er auswendig spielte - auch eine hervorragende Performance bot. Ich konnte "leider" das Spiel der Beiden bloss aus der Perspek-tive des Blattwenders beurteilen. Das hat den Vorteil, dass man die Partitur mit ihren Spielanweisungen vor sich hat, aber ein Teil der Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist, den richtigen Moment zum Seiten wenden nicht zu verpassen. Aber beeindruckend waren die feinen Nüancen des Klarinettisten, vom zartesten Pianissimo bis zum wilden Forte wobei sich Raphaël Sévère als wahrer Klang-magier entpuppte. Debussys Rhapsodie entfaltete ihren ganzen Zauber und den Reichtum der Klangsprache des Franzosen. Die vier Stücke op. 5 von Alban Berg liessen mit ihren hauchzarten Tönen und einer stark expressiven Melodik aufhorchen. Die Sonate von Francis Poulenc gefiel im Wechsel von Keckheit und Poesie bei unfehlbarer Technik und jugendlicher Musikalität der Interpreten. Die erste der beiden Klarinettensonaten op. 120 von Johannes Brahms war das anspruchsvollste Stück des Abends und diesem Anspruch wurden die jungen Musiker in ausser-ordentlich hohem Mass gerecht. Es gibt kraftvolle Stellen im Klavier, welche Adam Laloum mit vollem Klang meisterte und eine feine Melancholie, die das hervorragend aufeinander eingespielte Duo auch auf berüh-rende Art mit viel Einfüh-lung verwirklichte. Eine reife Leisung. Den Schluss bildeten die Rumänischen Volkstänze von Béla Bartók, schlüssig, konzis und auch mit zarter Poesie darge-stellt. Es war ein glanzvoller Saison-Abschluss der Reihe RÉVÉLATIONS - JEUNES INTERPRÈTES in Biel, der Lust weckt auf die kommende Saison, in der auch zahlreiche Leckerbissen mit jungen Musikern angekündigt sind.
Daniel Andres
Legenden und Lobgesänge
Drei Konzerte der
letzten Woche in Biel sind noch zu besprechen. Am Sonntag spielte Dagmar Clottu
in der Adventskirche ein Rezital mit B...eethoven, Haydn und Liszt.
Eine Woche später sang der „Chœur symphonique“ im Kongresshaus den „Lobgesang“ -
die zweite Sinfonie – von Mendelssohn und am Montag darauf spielte Hans Eugen
Frischknecht eigene Werke auf den Orgeln der Stadtkirche Biel.
Romantische Klangmalerei
Das Rezital von Dagmar
Clottu war insofern von besonderem Interesse, weil die zwei Legenden von Franz
Liszt - „Franz von Assisi, den Vögeln predigend“ und „Der heilige Franz von Paul
auf den Wogen schreitend“-, Werke sind, die man im Konzert fast nie zu Gehör
bekommt. Sie haben viel Klangmalerei und nehmen da Errungenschaften des
französischen Impressionimus voraus, vor allem bei der klanglichen Nachbildung
des Vogelgesangs in der ersten Legende, aber gegensätzlich dazu auch in der
Beschreibung der Meeresfluten auf denen der heilige Franz von Italien nach
Sizilien schreitet.
Dagmar Clottu spielte die Vogelpredigt, die junge Pianistin Sabrina Avelin
konnte sich in den Meereswogen vorstellen. Beide Pianistinnen waren überzeugend,
die junge Sabria Avelin auch mit solider Technik, aber vielleicht noch etwas
schüchterner Zurückhaltung in der Gestaltung des Notentextes.
Dagmar Clottu spielte auch zwei weniger oft gespielte Stücke der Klassik, die
vierte Klaviersonate op. 7 von Ludwig van Beethoven, eine wahrhaftig gross
angelegtes viersätziges Werk, und ebenso akkurat die Variationen in f-moll von
Joseph Haydn.
Etwas blasser Lobgesang
Die zweite Sinfonie von Felix Mendelssohn ist wie Beethovens Neunte ein viersätziges Orchesterwerk mit Hinzufügung von Solisten und Chor im Finale. Damit erschöpft sich aber auch der Vergleich. Beide Werke sind in der Anlage zu unterschiedlich und von im Wesen zu verschiedenen Komponisten geschrieben. Die zweite Sinfonie von Mendelssohn wurde 1840 vollendet und uraufgeführt, gehört also eigentlich zur reiferen Periode des Musikers, während die Sinfonien drei und vier früher entstanden sind und noch mehr vom jugendlichen Ungestüm des jungen Genies zeugen. Die Aufführung durch den „Chœur symphonique“ und das Sinfonieorchester Biel Solothurn war zugleich ein Abschied von der Dirigentin Anna Jelmorini, welche nach drei Jahren Wirken in Biel ein neues Tätigkeitsfeld in Zürich gefunden hat. Die Wiedergabe war insofern etwas enttäuschend, als die Dirigentin – entgegen der früheren Vorschusslorbeeren – sich als Orchesterdirigentin etwas hilflos erwies. Mit kaum etws nüncierten Parallelbewegungen beider Arme schlug sie sich durch die drei instrumentalen Sätze und dabei zeigte sich auch das Orchester nicht sehr inspiriert und blieb dynamisch und agogisch meist in einem mittleren Bereich. Ausser dass das Blech, besonders die Posaunen, bei jedem Einsatz zu laut waren, aber von der musikalischen Leiterin auch kaum Hilfe bei der Abstimmung erhielten. Das blieb sich auch beim Finale ähnlich. Der Chor, wiewohl recht stark an Anzahl der Sängerinnen und Sänger, sang sauber und rhythmisch korrekt, blieb aber blass, dafür war das Orchester oft zu laut und zu undifferenziert. Ein Lichtblick waren die Solisten, die Sopranistinnen Alessandra Boër und Karine Lavorel brachten mit leuchtenden Stimmen Glanzpunkte ins musikalische Geschehen, und der eingesprungene Tenor Jörg Dürmüller zeigte sich mit strahlendem und auch dramatischem Tenor auf der Höhe der Aufgabe.
Klangexperimente auf der Orgel
Am Montag darauf ein
Orgelkonzert in der Bieler Stadtkirche, wo der Berner Organist und Komponist
Hans Eugen Frischknecht eigene Werke darbot. Zuerst auf der Hochwandorgel vier
Stücke für eine mitteltönig gestimmt Orgel in denen der Komponist hörbar
lustvoll die unterschiedlichen Terzen von g – dis oder g - es oder e- gis und e
- as auskostete.
Fünf liturgische Stücke, auf der Hauptorgel gespielt, standen näher am
traditionellen Orgelklang, wiewohl der Komponist auch darin klangliche
Besonderheiten der Orgel erprobt. Die vier Bilder für die winddynamische Orgel
wiederum erprobten die besonderen Klänge dieses Instruments, auf dem die Töne
dank spezieller Technik in der Tonhöhe und Lautstärke verändert werden können
und dabei eben auch Abweichungen von der „normalen“ temperierten Stimmung
zulassen. Das Rezital endete mit „FanSolSi“ für Orgel, einer Fantasie, in der
die vielfältigen Registrierungen und Klangmischungen der Orgel genutzt werden.
Der Organist war ein ebenso kompetenter wie authentischer Interpret der eigenen
Werke.
Huldigung an die musikalische Romantik
Das "Ottetto di Firenze" in der Bieler Pasquartkirche
Daniel
Andres
Das letzte Konzert der Société philharmonique Bienne fand nicht im Logensaal, sondern in der Französischen Kirche statt. Grund war sowohl die Grösse des Ensembles, das Ottetto di Firenze als auch die Zahl der erwarteten Besucher. Auf dem Programm standen zwei Werke, zur Hauptsache das Oktett in F-Dur D 803 von Franz Schubert, als „Nebensache“ die Urauf-führung eines Oktettsatzes des Primgeigers des Oktetts aus Florenz, Daniele Giorgi. Dieses zum ersten Mal aufgeführte Werk ist eine Huldigung an die musikalische Hochromantik und
Foto Daniel Andres
erinnert an die Epoche der Siebziger- und Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts als etliche Komponisten vollendete oder auch unvollendete Werke grosser Meister aufgriffen und sie in moderner Form veränderten, etwa mit Hinzufügen von Noten, welche den tonalen Urtext zum zwölftönigen Werk umformten. Die Grundstruktur ist tonal und sehr melodisch und empatisch und ein paar fremde Töne schärfen das Ganze zuweilen.
Bukolisch und ernst zugleich
Das berühmte Oktett von Schubert ist eigentlich ein Divertimento in sechs Sätzen nach Vorbildern von Mozart und Beethovens Septett op. 20, dem Schubert aber in mancher Hinsicht sinfonische Züge verlieh. Zwei Menuette, bei Schubert ist das erste zwar ein wahrhaftiges Scherzo – rahmen einen zweiten langsamen Satz ein, der – auch wieder eine Tradition – als Thema mit Variationen gestaltet ist. Bedeutsame Einleitungen bereiten den ersten und den letzten Satz vor, neben bukolischen Zügen – vor allem im letzten Satz – werden auch „Lebensstürme“, dunkle Gewitterwolken, angedeutet und sowohl die Harmonik ist reich wie auch die Behandlung und Verwebung der Instrumente. Die acht Musiker aus Florenz betonten in der Aufführung das Orchestrale, gefielen aber auch immer wieder durch kammermusikalische und solistische Einschübe des ersten Geigers, des Cellisten, des Hornisten und der Klarinette. Es war eine schöne Wiedergabe mit vollem Klang und bei aller Gepflegtheit auch mit spontaner Spielfreude. Die Mitgleder des Oktetts sind bewährte Musiker, die alle in bedeutenden Orchestern in Italien und dem Ausland spielen.
„Seven Towers“ eine grossformatige Uraufführung in Biel
Der Kongresshaussaal verkehrt aufgebaut, dort wo sonst die teuren Plätze sind, ist jetzt das grosse Orchester aus Sinfonieorchester Biel Solothurn und Studierenden der Hochschule der Künste Bern (HKB). Es hat trotzdem noch Platz für ein erstaunlich zahlreiches Publikum für die Uraufführung des achtzig Minuten dauernden Werks „The Seven Towers“ der Komponistin Cécile Marti.
Die Komposition ist nicht bloss zeitlich ausgedehnt – die Komponistin: „ich wollte mal ein abendfüllendes Orchesterwerk schreiben“ - sondern braucht auch eine grosse Anzahl von Musikern, neben den verstärkten Streichern dreifache Holzbläser, vier Hörner, drei Trompeten, drei Posaunen und Tuba, dazu Harfen, Klavier, Celesta, Akkordeon und ein reichhaltiges Schlagwerk, von vier Perkussionisten bedient. Die „sieben Türme“, entsprechend sieben Sätzen, wurden zumindest ein bisschen von den Türmen der Luzerner Museggmauer inspiriert, einerseits von der Architektur des Turms, andererseits vom Auf und Ab, von hoch und tief oder von Innenräumen mit ihren Klangräumen.
Solides Handwerk und aparte Klänge
Die bereits einige Erfolge ausweisende Komponistin weist sich über ein solides Handwerk aus, sie handhabt den grossen Orchesterapparat geschickt, vielseitig und mit aparten Klangwirkungen und Kombinationen. Das Tonmaterial reicht vom reinen Dreiklang über Cluster und Klangflächen, die auch noch mit Vierteltönen „aufgefüllt“ werden. Vierteltöne im umgestimmten Klavier und einer Harfe sorgen auch für beinahe exotische Klänge. Aus den bewegten Klangflächen ragen einzelne Melodien und auch prägnante Motive heraus. Bisweilen gleiten die Klänge – vor allem im letzten Teil – etwas stark ins allzu Süffige ab und erinnern etwas sehr an moderne Filmmusiken. Auch sonst versucht man sich gelegentlich zu erinnern „wo habe ich das schon gehört“. Aber insgesamt ist es eine über weite Strecken gelungene Komposition, vor allem auch durch die Bewältigung der grossformatigen formalen Verläufe, über die die Komponistin in diesem Zusammenhang spezielle Studien unternommen hat.
Vortreffliche Aufführung
Das Orchester und der Chor, das trefflich vorbereitete Vokalensemble Ardent, zeigten unter der Leitung von Kaspar Zehnder eine bewunderswerte Leistung, die vom Publikum mit einer stehenden Ovation verdankt wurde. Es ist ein Verdienst von Kaspar Zehnder und dem Sinfonieorchester Biel Solothurn sowie der Hochschule der Künste, eine solche Uraufführung in Biel ermöglicht zu haben. Der Teil des Publikums, der auch den Werkeinführungen und den Probenbesuchen gefolgt ist, aber auch die anderen interessierten Konzertbesucher konnten so von nah am Entstehungsprozess einer Komposition und deren Realisierung im Konzert teilhaben.
Wenn alles einfach stimmt
Rezital Adam Laloum in Biel
Es
gibt Konzerte, die sind einfach schön, weil die Musiker gut gespielt
haben, die Werke interessant und h...ochstehend
waren, ja, und es gibt Konzerte, nach denen ist man sozusagen ein
anderer Mensch. Weil man eine tiefe Erfahrung gemacht hat mit einem
Werk und mit einem Künstler, einer Persönlichkeit, welche im
gespielten Werk ganz aufgeht. Das lässt einen nicht unberührt, man
ist ihm durch alle Höhen und Tiefen gefolgt und hat selbst ein
Ereignis erlebt, das einen in gewisser Hinscht verändert und das
lange nachhallt.
So erging es vielen am Rezital von Adam
Laloum im Bieler Wyttenbachsaal. Man hatte hohe Erwartungen, weil
man entweder Adam Laloum schon früher gehört hat oder weil man es
sich sagen liess, dass da ein grosser Musiker am Werk ist. Und dann
stimmte einfach alles. Ein erwartungsvolles Publikum, ein leicht
verspäteter Auftritt des Pianisten, weil ihn der Veranstalter
zunächst suchen musste und ihn schliesslich in der Garderobe fand.
Und dann liess er los mit den fröhlichen ersten Takten der
„Davidsbündlertänze“ von Robert Schumann. Es fiel gleich auf, dass
der Pianist einen hervorragenden Flügel unter den Händen hatte und
dass er damit umgehen konnte und vor allem in den lyrischen Stücken
ein zauberhaftes Legato, wunderbar feine Klänge, eine differenzierte
Diktion bis ins kleinste Detail hinwarf und in den burschikosen
Stücken auch den richtigen Ton traf, übermütig, manchmal trotzig und
verbohrt, so wie Schumann es sich in diesen sehr persönlichen
Stücken gedacht hatte.
Bei Schumann war eine kleinräumige
Gestaltung gefragt mit raschen und unvermittelten Klimawechseln. Bei
Franz Schuberts letzter Klaviersonate in B-Dur D 960 war ein
grossräumiges Denken und Fühlen angesagt. Da brauchte es sogar Mut
und Beharrlichkeit, über eine ganze Exposition hinweg die Spannung
zu halten und dazu noch die Wiederholung anzugehen, und eine atemlos
lauschende Hörgemeinde folgte dem Pianisten dann auch in die
Durchführung und in die Reprise. Beim zweiten Satz herrschte schon
beinahe Andacht, man war gebannt. Das kecke Scherzo gab eine leichte
Auflockerung und dann folgte man den Weiten des Finale genau so
gespannt, bis zur erlösenden Stretta im kühnen Fortissimo. Bei der
Interpretation von Adam Laloum stimmte einfach alles, die Dynamik,
der bewundernswerte Anschlag, die fein austarierte Agogik, des
Gespür für die Zeitabläusfe. Und doch war es nicht einfach makellos
gespielt, sondern man spürte förmlich und intensiv die Versenkung
des Pianisten in das Werk, die persönliche Identifikation mit der
Musik. Und alles wirkte natürlich, nichts war aufgesetzt oder auf
Wirkung hin angelegt. Es war ein berückendes Erlebnis. Die Zugabe
des "Moments musical" in f-moll war das Tüpfchen auf dem i, ein
Kleinod, eine Kostbarkeit, die genau passte. Adam Laloum wird beim
sehr aufmerksamen und auch kennerischen Bieler Publikum – es kam
eine Auswahl von Kennern und Sachverständigen – in tiefer Erinnerung
bleiben und man freut sich auf seinen nächsten Auftritt in fünf
Wochen mit dem jungen Klarinettisten Raphaël Sévère (11. Mai, mit
Werken von Debussy, Berg, Poulenc, Brahms und Bartok).
Genuss und Ergriffenheit
Händels "Messiah" im 7. Sinfoniekonert SOBS
Daniel Andres
Georg Friedrich Händels „Messiah“ in englischer Originalsprache im 7. Sinfoniekonzert im Bieler Kongresshaus (am Tag darauf auch im Konzertsaal Solothurn). Das vielleicht populärste Oratorium der Musikgeschichte wurde ungekürzt mit 48 Nummern wiedergegeben. Die Zweidreiviertel Stunden – mit einer Pause mitten im zweiten Teil – vergingen im Fluge. Fast jede Nummer ist ein Highlight und die Aufführung war insgesamt von einer so hochstehenden Qualität, dass man einerseits im Genuss schwelgte, andererseits stets aufmerksam blieb und schliesslich auch ergriffen oder auch gepackt war. Nicht verwunderlich, dass schon nach der ersten Hälfte und dann am Schluss der Applaus – eine stehende Ovation – sehr lange anhielt.
Eindrücklicher Chor
Ein Garant für hohe Ansprüche und hohen Hörgenuss war das Basler Vokalensemble „La Cetra“. Die rund zwanzig Sängerinnen und Sänger, gleichmässig auf Frauen- und Männerstimmen aufgeteilt, boten eine eindrückliche Leistung in Stimmkultur, Leichtigkeit und Beweglichkeit, feiner dynmischer Abstufung mit Kraft und Glanz wo es gegeben war. Der Chor war auch unterschiedlich aufgestellt, wie gewohnt hinter dem Orchester, im zweiten Teil aber auch in einer Reihe vor dem Orchester und darauf auch zweigeteilt jeweils neben dem Orchester. Das trug zusätzlich zum klanglichen und räumlichen Erlebnis bei, und auch bei den unterschiedlichen Aufstellungen verlor der Chor nie an Präzision und sicht- wie hörbarem Engagement. Dieser äusserst professionelle Choreinsatz war ein ganz wesentlicher Teil des intensiven Konzerterlebnisses.
Überzeugende Solisten
Die Solisten konnten ebenfalls überzeugen. Die Sopranistin Elodie Kimmel gefiel sehr mit einem reinen, leichten und doch immer abgerundeten Ton. So bekannte Arien wie „Ich weiss dass mein Erlöser lebt“ wurden zu neuen Erlebnisen. Jordanka Milkova war für die Altpartien ebenbürtig, die abgedunkelte, aber nie schwere Stimme und ihr Ausdrucksvermögen ohne Pathos waren ein ungetrübter Genuss. Das Duett „Er weidet seine Herde“ war ein weiterer Höhepunkt (unter vielen) der Aufführung. Die Herren gestalteten ihre Partien etwas dramatischer und mit vielfältigeren Farbnüancen. Der Tenor Thomas Walker wirkte da und dort etwas kehlig, auch vielleicht durch die englische Sprache, aber seine Gestaltungen waren sehr eindrücklich und fesselnd. Der Bassist Dominik Wörner nahm ebenfalls gefangen durch eine mal fahle (Das Volk das im Finstern wandelt), mal dramatischere Stimmgebung (Warum rasen die Völker).
Die richtigen Tempi
Das Orchester in relativ kleiner Streicher-Besetzung, die Trompeten und Pauken in den Jubelchören des zweiten und dritten Teils oder in der Arie „The trompet shall sound“, die Continuo-Gruppe mit Vital Julian Frey am Cembalo und Joan Boronat Sanz an der Orgel spielte stilistisch einwandfrei. Kaspar Zehnder war der in allen Belangen hervorragende und überlegene Leiter der Aufführung. Er wählte immer die richtigen Tempi, flüssig nach neueren Auffassungen aber nie gehetzt, so dass die Musik sich entfalten konnte. Wenig Vibrato bei den Streichern, aber der Klang war immer ausdrucksvoll. Zusammen mit einem sehr aufmerksam mitgehenden Orchester, ausgezeichneten Solisten und einem vortrefflichen Chor gelang ihm eine wundervolle Aufführung, die sicher bleibende Eindrücke hinterlässt.
Ein junger Pianist, der grosse Erwartungen weckt
Eine volle Bieler
Stadtkirche, ein junger Pianist mit drei höchst anspruchsvollen Werken: Es
war war schon beeindruckend, was Nicolas Caccivio dargeboten hat. Das
einzig Missliche, der noch in Wien studierende Pianist musste sein Rezital
auf einem alten Burger&Jacobi-Flügel bestreiten. Er liess sich allerdings
nichts anmerken. Man erschrak zwar etwas beim ersten Ton der g-moll-Ballade
von Frédéric Chopin, doch dann fand ma...n
sich damit ab, dass der Flügel nicht so brillant klang wie ein neuer
Steinway, aber das hatte bei den romantischen Werken sogar ein paar
Vorteile. Die Mittellage klang mild und weich, der Diskant (mit Ausnahme der
obersten Töne) hatte noch Klang, und wenn die Bässe nicht zu hart
angeschlagen wurden, hatten sie immerhin Substanz.
Nicolas
Caccivio liess sich jedenfalls anscheinend nicht stören und bot technisch
eine nahezu perfekte Leistung, gestalterisch hatte er Einiges zu sagen, sein
Zugriff war durchaus viril (obschon man es ihm nicht zutrauen würde), die
Tempi forsch und teilweise an der oberen Grenze, doch immer beherrscht.
Erzählerisch
Die Ballade Nr. 1 in
g-moll von Chopin gestaltete der junge Künstler erzählerisch und er
liess sich Zeit in den ruhigen Passagen, hatte auch Leichtigkeit im
mittleren Teil, zeigte in den vollgriffigen Akkorden und den
Oktavpasssagen keine Aggressivität und stürmte in der Stretta mit vollem
Elan auf den Schluss zu.
Die Sonat e in f-moll op. 54, die
„Appassionata“, von Ludwig van Beethoven wurde ihrem Namen voll gerecht.
Sehr gegensätzlich der erste Satz, aber mit Übersicht und guter
dynamischer Dosierung, die Variationen des zweiten Satzes hätten eine
Spur überirdischer sein können, das war fast etwas zu sachlich, der
letzte Satz aber ein Sturmlauf mit kleinen Verschnaufpausen, aber jede
Note an ihrem Platz. Das war eindrucksvoll für einen jungen Pianisten,
der kaum am Anfang einer Karriere steht.
Forsch und reif
Pausenlos fügte er die „Wanderer“-Fantasie von Franz Schubert an, ein kompositorisches Meisterwerk und pianistisch ebenfalls äusserst anforderungsreich. Auch hier ein forscher Zugriff in den Eckteilen. Auf einem anderen Flügel hätten die Variationen vielleicht klanglich noch differenzierter schattiert werden können. Aber auch hier war man als Zuhörer von einer staunenswerten Wiedergabe gefesselt. Da steckt neben den technischen Fähigkeiten auch schon viel Reife in dem Menschen. Ein Walzer von Chopin als Zugabe und eine stehende Ovation eines begeisterten Publikums. Man ist wahrlich gespannt auf die weitere Entwicklung des Künstlers (im Wissen, wie hart der Aufstieg heutzutage ist). Bereits im Oktober wird er im Konzertsaal Solothurn eine nächste Kostprobe abgeben.
Eine junge Pianistenpersönlichkeit
Mit Lukas Geniušas trat gestern Sonntag ein junger Pianist in der Reihe „Junge Talente“ der Société philharmonique auf. Der Logensaal war gut gefüllt und der Pianist aus Russland (seine Eltern stammen aus Lettland) hinterliess einen guten Eindruck. Er hat 2009 den 2. Preis am Chopin-Wettbewerb von Warschau erhalten und errang 2015 einen 2, Preis am Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Er begann sein Rezital mit der Sonate c-moll op.10 Nr. 1 von Ludwig van Beethoven. Eine klassische Interpretation, die ein wenig an die Beethoven-Interpretation von Grygory Sokolov erinnert. Was bedeutet: das Klavier wird nicht übermässig beansprucht und der klare Klang und die nicht ausschweifende Dynamik erinnern an das Hammerklavier am Ende des 18. Jahrhunderts. Dafür wird gut artikuliert, die Läufe werden klar und mit Leichtigkeit hingelegt und trotz einer gewissen Zurückhaltung wirkt die Ausführung doch kraftvoll. Einige Härten werden in Kauf genommen.
Jugendliches Feuer
Bei der recht selten gespielten Sonate Nr. 1 op. 1 in C-Dur von Johannes Brahms wird die Zurückhaltung weggelegt und das aufbrausende Genie des jungen Brahms kommt zur Geltung. Auch hier ein paar harte Attacken, aber auch ein sehr kluger Umgang mit dem Klang, vor allem im schlichten Andante, das auf ein einfaches Volkslied zurückgreift. Das Werk stellt technisch hohe Anforderungen und fordert eine persönliche Gestaltung auch im Aufbau, Voraussetzungen, die der tüchtige Pianist erfüllt, man spürte das innere Mitgehen des 25-jährigen Künstlers und eine gewisse Identifikation mit dem Feuer des jungen Brahms, welcher diese Sonate im Alter von zwanzig Jahren vollendete.
Perkussives Klavier
Die Drei Burlesken von Béla Bártok verlangen Virtuosität wie auch Klangsinn und erklangen in jeder Beziehung vortrefflich. Und die siebente Klaviersonate op. 83 in B-Dur hatte wiederum Kraft und wurde überlegen wie auch überlegt gestaltet. Es gibt bei jedem Werk verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung und ein Interpret legt den Schwerpunkt mal auf diesen oder jenen Aspekt. Hier wurde im ersten wie im dritten Satz das Perkussive hervorgehoben, teilweise auch bei Bártok, dafür traten die rhythmischen Elemente mit den Betonungen auf verschiedenen Taktteilen etwas in den Hintergrund. Doch es war eine beeindruckende Parforceleistung, auf einem Flügel, der die Härten des Anschlags noch eher hervortreten lässt und ein sangliches Legato eher erschwert. In Lukas Geniušas begegnete man jedenfalls einem jungen Pianisten mit einer bereits stark entwickelten künstlerischen Persönlichkeit.
„Russische Seele“, authentisch und begeisternd
Das sechste Sinfoniekonzert in Biel war in
jeder Hinsicht wieder ein Erfolg. Vor einem fast ganz ausverkauften
Kongresshaussaal präsentierte sich das Sinfonieorchester Solothurn in guter
Verfassung und mit Verstärkung der Streicher und Bläser. Mit dem Gastdirigenten
Alexander Anissimov aus Russland wurde ein hochkarätiger Dirigent verpflichtet,
der das Programm unter dem Motto „Russische Seele“ sehr authentisch leitete und
das Publikum zu begeistern wusste. Etwas weniger Glück hatte man
Trauerfalls in der Familie
absagen musste. Im Pia-
nisten Patrizio Mazzola, der in Bern und Luzern an
den
Hochschulen unterrichtet, fand man jedoch in
kürzester Zeit einen Musiker,
welcher den verhinder-
ten Russen ebenbürtig vertreten konnte. Er war
wohl für
Viele die Überraschung des Abends. Nicht
nur weil man mit ihm einen Solisten
fand, der sich
24 Stunden vor dem Konzert bereit erklärte, den hor-
rend
schwierigen Part im sehr selten aufgeführten
1. Klavierkonzert von Sergei
Rachmaninow zu übernehmen, der diese Aufgabe dann auch mit bewun-
dernswerter
Bravour erfüllte.
Jugendlich frisch
Rachmaninow schrieb das Konzert op. 1 im Alter von 17 Jahren, arbeitete es aber später um und es unterscheidet sich von den späteren berühmteren Werken vorab dadurch, dass es pianistisch sehr brillant gestaltet ist, aber noch jugendlich frisch und unbekümmert und ohne die Melancholie der späteren Werke wirkt. Sowohl in technischer Hinsicht wie auch in der musikalischen Gestaltung gab es bei Patrizio Mazzola keine Einschränkungen und sein Auftritt verdient höchste Anerkennung. Man konnte sich höchstens fragen, wieso ein solcher Ausnahmekönner bei uns nicht längst berühmt und gefeiert ist. Die einzige Einschränkung gilt dem Dirigenten und dem Orchester, welche mit voller Klangentfaltung spielten und das Klavier gerade bei den feinen und filigranen Passagen in den Hintergrund drängten. Der Solist liess sich nicht beirren und blieb bei seiner sehr differenzierten Gestaltung. Die Zugabe eines Prölude aus dem Opus 32 von Rachmaninov bewies ein weiteres Mal seine Affinität zu dem russischen Komponisten.
Opulente Klangfülle
Im zweiten Teil erklang Pjotr I. Tschaikowskys fünfte Sinfonie in e-moll op. 84. Auch hier schöpften Dirigent und Orchester aus dem Vollen und gelegentlich geriet die Klangpracht an obere Grenzen. Alexander Anissimov, der Moskauer Schule entstammand und viele Jahre Chedirigent des Bolschoi-Theaters in Minsk und von dort her mit Orchester und Ensemble mehrmals Gast am Classic Openair von Solothurn, wählte eine opulente Darstellung des sinfonischen Werks von Tschaikowsky, und das Orchester folgte ihm nur allzu willig. Aber es war doch auch eine in Dynamik und Tempi abgestufte Interpretation. Die Architektonik des Werks mit einem Leitthema, das sich über alle vier Sätze hindurchzieht, geriet dabei zu eindrucksvoller Darstellung. Einzige Wermutstropfen: in den Klanggipfeln war die Klangkultur nicht optimal und geriet in die Nähe des Vulgären, und das Tempo des letzten Satzes schien etwas langsam, was die tendenzielle Schwere des Klangs noch etwas unterstrich. Man kennt Interpretationen, die einen geschliffeneren Tschaikowsky präsentieren. Immerhin war die Balance meistens gewährleistet, Posaunen und die Tuba wie auch die Holzbläser mit ihren Soli stellten sich in ein gutes Licht. Und auch die Streicher konnten sich behaupten und gefielen durch Wärme und Fülle gerade auch in den dunkleren Stellen. Das Publikum war begeistert und verdankte die Wiedergabe mit einer stehenden Ovation.
Gemeinsamer interpretatorischer Ansatz
Conradin Brotbek, Violoncello, und Dagmar Clottu, Klavier, spielten vor einem vollen Saal in der Adventskirche die Sonate op. 102, Nr. 1 von Ludwig van Beethoven, die Fantasiestücke op. 73 von Robert Schumann und die 2. Cellosonate op. 99 von Johannes Brahms. Die zwei Künstler stammen beide aus Biel, doch Conradin Brotbek wirkt inzwischen als Dozent in Basel und Stuttgart. Im Duo haben sie sich jetzt gut ergänzt. Man spürte gelegentlich, dass sie nicht ein seit Jahren eingesp...ieltes Team bilden, es war zuweilen mehr ein Nebeneinander statt ein Miteinander. Aber insgesamt fanden sie einen gemeinsamen interpretatorischen Ansatz. Der Cellist betörte vorab in den leisen Stellen, zu Beginn im Andante der Sonate von Beethoven, das eher zerbrechlich wirkte, aber auch im ersten der Fantasiestücke von Schumann, in welchem bei der Bezeichnung "Zart und mit Ausdruck" vor allem das "zart" wörtlich genommen wurde. Das Allegro vivace bei Beethoven und das dritte Fantasiestück "Rasch und mit Feuer" wurden dann ebenso extensiv ausgelegt. Das Adagio Affettuoso, der zweite Satz der Brahms-Sonate, bildte im Ausdruck wohl einen Höhepunkt des Konzerts. Es waren aber vor allem die grossen Kontraste, welche das Bild prägten. Wobei beim Klavier im Forte gewisse Härten in Kauf genommen wurden. Es gab auch die eine oer andere Unsicherheit oder intonatorische Trübung, aber im Ganzen war es ein erfreuliches Konzert von Vollblutmusikern, die auch - gerade bei der abschliessenden Sonate von Brahms - die Risiken nicht scheuten. Für die Zuhörer war es dafür eine sehr lebendige und packende Angelegenheit. Eine Bearbeitung des Orgelchorals "Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ" des Cellisten Maurice Gendron rundete als Zugabe das vom Publikum gut aufgenommene Konzert ab.
Benjamin Grosvenor im Bieler Logensaal
Nein, das ist keine
Kritik, schon gar keine kritische Beobachtung und Beschreibung eines
Interpreten. Der Pianist Benjamin Grosvenor gastierte gestern (10.
Januar) im Saal der Loge in Biel auf Einladung der Société
philharmonique de Bienne. Als Programm schlug er vor: Zwei Präludien und
Fugen von Felix Mendelssohn-Bartholdi (endlich spielt die wieder einmal
jemand an einem Konzert), die zweite Klaviersonate b-moll von Frédéric
Chopin, "le Tombeau de Couperin" von Maurice Ravel und "Da Venezia
a Napoli" von Franz Liszt. Eine Kohärenz kann ich in diesem Programm
nicht erkennen. Vielmehr: von jedem Stil ein bisschen etwas.
e Tombeau de Couperin" von Maurice Ravel
und "Da Venezia a Napoli" von Franz Liszt. Eine Kohärenz kann ich in
diesem Programm nicht erkennen. Vielmehr: von jedem Stil ein bisschen
etwas.
Dem 22-jährigen Künstler gingen beträchtliche Vorschuss-lorbeeren
voraus: grosse Erfolge in grossen Konzerthäusern mit renommierten
Orchestern, famose Kritiken in der internationalen Presse. Das führte
dazu, dass der Logensaal restlos überfüllt war und sämtliche im Haus
verfügbaren Stühle heran geschafft werden mussten.
Der junge Pianist zeichnet sich auch durch alles aus, was man von einem
bereits mehrfach preisgekrönten und geehrten Künstler erwarten kann.
Technik, Anschlag, Gestaltung der Linien, nüancierte Klangfarben,
formale Übersicht, absolut nichts auszusetzen. Ein formidabler junger
ernsthafter Musiker.
Bloss: mir scheint, ich habe in letzter Zeit etliche junge Pianisten
gehört und gesehen, welche ihm eigentlich in nichts nachstehen. Man
könnte mühelos ein halbes bis ein ganzes Dutzend Namen aufzählen, die in
die selbe Kategorie passen. Abgesehen von den virtuosen Shootingstars
wie Daniil Trifonov und anderen Gewinnern des alljährlichen
Tschaikowsky-Klavierwettbewerbs, welche trotzdem noch nicht den Olymp
erklommen haben . Da gibt es eben auch junge Pianisten, welche sich ein
anderes Repertoire aussuchen: Schubert, Schumann, Brahms, Beethoven,
Bach, und die eine durchaus markante und ausgeprägte Persönlichkeit
haben, die viele Konzerte absolvieren, sogar in den grössten und
bedeutendsten Konzertsälen, und doch nicht den Nimbus von Stars haben.
Vielleicht reifen sie ja noch mit den Jahren und man wird sie in ein
oder zwei Jahrzehnten zu den Meistern zählen. Dazu gehört fast sicher
auch Benjamin Grosvenor. Aber für mich ist er diesmal in Biel nicht als
der grosse und bezaubernde, aus allen herausragende Pianist erschienen.
Ich anerkenne alle seine Qualitäten und will nicht ungerecht erscheinen,
aber er ist immer noch eines unter vielen grossartigen Talenten, die
momentan heran wachsen und die ich Jahr für Jahr verfolge. Anfang
Februar werden in Gstaad an den "Sommets musicaux" acht ganz junge
Pianisten antreten, von denen einer oder mehrere vielleicht schon die
nötige Reife haben. Ihr Mentor wird übrigens Joseph Moog sein, vor ein
paar Jahren ein Shootingstar, der aber hierzulande immer noch fast
unbekannt ist, obschon auch er über alle Eigenschaften verfügt, die
einen grossen Interpreten ausmachen. Die vielen und oft unwägbaren
Seiten des grossen Musikbetriebs !Dem
22-jährigen Künstler gingen beträchtliche Vorschusslorbeeren voraus:
grosse Erfolge in grossen Konzerthäusern mit renommierten Orchestern,
famose Kritiken in der internationalen Presse. Das führte dazu, dass der
Logensaal restlos überfüllt war und sämtliche im Haus verfügbaren Stühle
heran geschafft werden mussten.
Der junge Pianist zeichnet sich auch durch alles aus, was man von einem
bereits mehrfach preisgekrönten und geehrten Künstler erwarten kann.
Technik, Anschlag, Gestaltung der Linien, nüancierte Klangfarben,
formale Übersicht, absolut nichts auszusetzen. Ein formidabler junger
ernsthafter Musiker.
Bloss: mir scheint, ich habe in letzter Zeit etliche junge Pianisten
gehört und gesehen, welche ihm eigentlich in nichts nachstehen. Man
könnte mühelos ein halbes bis ein ganzes Dutzend Namen aufzählen, die in
die selbe Kategorie passen. Abgesehen von den virtuosen Shootingstars
wie Daniil Trifonov und anderen Gewinnern des alljährlichen
Tschaikowsky-Klavierwettbewerbs, welche trotzdem noch nicht den Olymp
erklommen haben . Da gibt es eben auch junge Pianisten, welche sich ein
anderes Repertoire aussuchen: Schubert, Schumann, Brahms, Beethoven,
Bach, und die eine durchaus markante und ausgeprägte Persönlichkeit
haben, die viele Konzerte absolvieren, sogar in den grössten und
bedeutendsten Konzertsälen, und doch nicht den Nimbus von Stars haben.
Vielleicht reifen sie ja noch mit den Jahren und man wird sie in ein
oder zwei Jahrzehnten zu den Meistern zählen. Dazu gehört fast sicher
auch Benjamin Grosvenor. Aber für mich ist er diesmal in Biel nicht als
der grosse und bezaubernde, aus allen herausragende Pianist erschienen.
Ich anerkenne alle seine Qualitäten und will nicht ungerecht erscheinen,
aber er ist immer noch eines unter vielen grossartigen Talenten, die
momentan heran wachsen und die ich Jahr für Jahr verfolge. Anfang
Februar werden in Gstaad an den "Sommets musicaux" acht ganz junge
Pianisten antreten, von denen einer oder mehrere vielleicht schon die
nötige Reife haben. Ihr Mentor wird übrigens Joseph Moog sein, vor ein
paar Jahren ein Shootingstar, der aber hierzulande immer noch fast
unbekannt ist, obschon auch er über alle Eigenschaften verfügt, die
einen grossen Interpreten ausmachen. Die vielen und oft unwägbaren
Seiten des grossen Musikbetriebs !