Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic

 

Das Swiss-Classic-Journal

Archiv

2008

 

21. Dezember 2008     Stilistische Vielfalt des ausgehenden Barock (Bieler Kammerorchester

191. Dezember 2008   Erfrischende und prickelnde Persiflage ("La Périchole" im Stadttheater

12. Dezember 2008     Packendes und ausdrucksvolles Weihnachtsoratorium 

10. Dezember 2008     Musik aus einer spannenden Übergangszeit (4. Sinfoniekonzert)

26. November 2008    Ein unerschöpfliches Variationenwerk (Goldberg-Variationen)

15. Novemer 2008      Optimistische Schöpfungsgeschichte (Haydns "Schöpfung")

12. November 2008    Exotisches Kolorit aus Spanien (3. Sinfoniekonzert)

8. November 2008      Eindrückliche „Hohe Messe“

29. Oktober 2008.      Grosse Gefühle der Romantik (2. Sinfoniekonzert Biel)

23. Oktober 2008.      Triumpf für „Lucia“ (Lucia di Lammermoor, Premiere)

11. Oktober 2008.      Bruckner, Messe in f-moll

7. Oktober 2008.        Vertrautheit und Verständnis (Lyceumclub)

17. September 2008.  Vorbild und Nachfahre (1. Sinfoniekonzert Biel)

14. September 2008.  Gelungener Auftakt der Burgkonzerte

2. September 2008     Hörenswerter "Don Giovanni"

2. September 2008     Neue Konzertreihe (Burgkonzerte im Ratssaal)

26. August 2008.        Sommerkonzert 6 Variationen...

24. August 2008.        Allegria musicale

19. August 2008.        London Baroque in der Stadtkirche

13. August 2008.        Sommerkonzert 3 Im Abendrot

  2. August 2008.        Sommerkonzert 1 Russische Walpurgisnacht

 

Stilistische Vielfalt des ausgehenden Barock

 

Das Bieler Kammerorchester erfreute ein recht zahlreiches Publikum in der Stadtkirche mit Musik aus dem französischen,

italienischen und deutschen Barock.

 

Daniel Andres

 

Das Bieler Laienorchester, bestehend aus praktizierenden Musikliebhabern, scheint immer noch zu gedeihen. In seinem zweiten Konzert in diesem Jahr hat sein Dirigent Jean Sidler Werke aus Barock und Vor-klassik ausgesucht und dabei eine gute Hand gezeigt. Es waren nicht nur einerseits Werke, die im Schwierigkeitsgrad den Fä-higkeiten von Amateurmusikern angemes-sen waren, sondern andererseits doch auch hochstehende und unter verschie-denen Aspekten interessante Stücke.

 

Genialer Hamburger Bach

 

Beginnen wir am Schluss des Programms, an dem die dritte der sogenannten „Or-chestersinfonien" von Carl Philipp Ema-nuel Bach erklang. Entstanden sind die vier Sinfonien zwischen 1774 und 1776, ver-öffentlicht wurden sie 1780. „Eben das Neue und Originale, was man in allen Bachischen Compositionen so sehr be-wundert, trifft man auch in diesen Sin-fonien an, die einen unbeschreiblichen Effect machen, wenn sie gehörig besetzt und gut ausgeführt werden." So heisst es in einer Rezension von Ende 1780 aus Hamburg, wo der zweitälteste Bachsohn Kapellmeister und Musikdirektor war. Die Besetzung mit doppelten Holzbläsern (ohne Klarinetten), zwei Hörnern und Strei-chern entspricht schon den grossen Sin-fonien der anbrechenden Wiener Klassik, die sich – vor allem mit Joseph Haydn – stark auf den Hamburger Bach bezog. Es  ist eine geniale Musiksprache des „Sturm

und Drang", welche an Aussagekraft die frühen Sinfonien Mozarts und anderer Zeitgenossen übersteigt, höchstens Haydn kann da noch mithalten. Heute gilt Carl Philipp Emanuel Bach völlig zu Un-recht oft noch als „Kleinmeister", der im Schatten seines Vaters und der nach-folgenden Wiener Klassiker steht, und höchstens spezialisierte Ensembles spielen seine Werke auf dem Niveau, das ihnen ei-gentlich gebührt. Jean Sidler und das Bieler Kammerorchester erreichten eine respek-table Wiedergabe des nicht einfach zu spielenden Werks und ermöglichten so ei-ne interessante Begegnung.

 

Hervorragende Fagottistin

 

Vorher spielte Doruntina Guralumi, die Solo-Fagottistin des Bieler Sinfonieorches-ters, zwei Fagottkonzerte von Antonio Vivaldi. Auch die sind für die Streicher nicht ganz einfach zu bewältigen, vor allem die raschen Figuren und die Tempo-wechsel im B-Dur-Konzert verlangen Fin-ger- und Bogenfertigkeit und Aufmerk-samkeit. Nicht zuletzt dank der unbe-streitbaren Qualitäten der Solistin gelang-ten die zwei Konzerte des Venezianers, der eigentlich das dreiteilige Instrumental-konzert schuf, das auch Bach in Deutsch-land übernahm, zu schöner Wirkung. Als Zugabe griff Doruntina Guralumi zur Geige und spielte zusammen mit Jean Sidler und einem reduzierten Streicherensemble den zweiten Satz aus dem Konzert für zwei Vio-linen in d-moll von Johann Sebastian Bach.

Die vielseitige Musikerin wird das Fa-gottkonzert auch am Weihnachtskonzert vom 25. Dezember in der Zwinglikirche Bö-zingen, diesmal mit einem professionellen Ensemble, noch einmal spielen und auch dort ihre Doppelbegabung als Fagottistin und Geigerin ausspielen.

Zwischen den Vivaldi-Konzerten erklangen zwei gefällige Volksliedbearbeitungen aus Griechenland und Armenien, in denen auch die Bläser des Orchesters, hier auch die Klarinetten, Gelegenheit zu schönen Ein-sätzen hatten.

 

Exotische Tänze

 

Und ganz zu Beginn eine Suite des Fran-zosen Jean-Philippe Rameau. „Les Indes galantes" hat nach einer Ouvertüre im fran-zösischen Stil eine Reihe von charak-teristischen Tanzsätzen. Dabei brachte der damals „moderne" Rameau 1736 eben auch exotische Tänze der „Wilden" u.a. aus den damaligen Kolonien Frankreichs auf die Bühne, was die Anhänger der traditionel-len Oper empörte, aber durchaus den Gefal-len des Königs Louis XV. fand. Auch hier traf das Orchester mit Jean Sidler am Pult weitgehend nicht nur die richtigen Töne sondern auch den richtigen Ton, wobei man sich die exotischen Klangbilder aus der Türkei, aus Persien, Peru und Nord-amerika noch etwas kräftiger gemalt, oder mit kräftigerem Bogenstrich gezeichnet hätte vorstellen können. Sympathie und Beifall war den Ausführenden in der Stadtkirche gewiss.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

Erfrischende und prickelnde Persiflage

 

Es war eine turbulente spritzige und prickelnde Version der Opéra-bouffe „La Périchole" von Jacques Offenbach,

welche das Theater Biel Solothurn am Freitag auf die Bühne des Bieler Stadttheaters brachte, und zwar in darstellerischer

wie musikalischer Hinsicht.

 

Daniel Andres

 

 

 

Nach etwas mehr als zwei Stunden, drei Akten und vier Bildern verliess das Pub-likum aufgeräumt und vergnügt die Spiel-stätte. Wie immer an Premieren, waren auch viele Freunde der Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker im Saal, und sie spendeten alle den Hauptakteuren, aber auch den Nebendarstellern begeisterten und auch hoch verdienten Beifall. Einmal mehr war es eine Produktion, in der man wie die Nadel im Heuhaufen das Haar in der Suppe suchen muss, um irgendwelche negativen Seiten zu finden. Kurz: es war ein toller Abend.

Komische Leidenschaften

Das Stück der Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy mit der Musik von Jacques Offenbach ist eine veritable Buffo-Oper mit einer in jeder Hinsicht virtuosen Persiflierung der Gesellschaft und auch der seriösen und tragischen Grande-Opéra. Will heissen, es kommen alle grossen Lei-denschaften um Macht, Geld, Ehre, Liebe und Eifersucht zum Zug, jedoch mit der Umformung ins Satirische und Komische. Wie schnell schlägt auch im Leben Tragik und vermeintliche Grösse in Komik um, zeigen uns die Textautoren und der geniale Musiker, der Offenbach war. Der gesell-schaftskritische Unterton, der den Offen-bach-Werken auch zugrunde liegt, na, der wurde hier nicht speziell heraus gearbeitet. Aber das kennen wir ja ohnehin: diejeni-gen, die oben in Saus und Braus feiern, während die unten fürs tägliche Brot auch mal ihre Ehre aufs Spiel setzen müssen, auch ohne es zu wollen. Also amüsieren uns darüber statt uns zu ärgern.

Und Regisseur Thomas Schulte- Michels

 setzt dies mit den nicht luxuriösen Mitteln

einer Kleinstadtbühne aber hoch motivier-ten Mitwirkenden zu mindest hoch amü-sant um. Wobei eine leicht veränderte und gekürzte Textfassung des Theaters Biel, die aber in der französischen Originalspra-che gesungen wird, zum Zuge kommt.

Das Bühnenbild ein Kasten mit rotem und im zweiten Teil silbern leuchtendem Stan-niol ausgekleidet. Die Kostüme (Tanja Lie-bermann) passend zu clownesken und überdrehten Auftritten.

 

Ausgelassen, doch nicht peinlich

 

Bereits beim ersten Auftritt des Chors und der Protagonisten zeigt sich die Fähigkeit des Regisseurs, einerseits zu organisieren, zu choreografieren und zu koordinieren, andererseits der Spielfreude der Individuen freien Lauf zu lassen. Die wilde Fete zu Be-ginn und auch die totale Besoffenheit des gesamten Bühnenpersonals im zweiten Bild wirken so ausgelassen und echt komisch, aber ohne grobe Peinlichkeit. Der Chor, einstudiert von Valentin Vassilev, zeigt sich in diesen Szenen, aber auch später, wo er mehr zum Beobachter und Kommentator wird, einmal mehr von seiner besten Seite. Musikalisch sicher, weitgehend präzis (bis auf einige kleine Verzögerungen) und ausnehmend spielfreudig.

Verwandlungskunst

 

Bei den Darstellern staunt man über die immense und anscheinend äusserst ver-gnügliche Wandlungsfähigkeit des Opern-ensembles. Carmela Calvano Forte zeigt eine temperamentvolle, selbstsichere und

lustvolle, in der Briefszene auch zu echten Gefühlen fähige Péricole. Ihr etwas un-glücklicher Geliebter und unfreiwilliger Ge-mahl Piquillo wird von Valery Tsarev auf anrührend komische Weise gespielt und gesungen. Einen in jeder Hinsicht glänzend persiflierten Vizekönig mit Machtanspruch aber ohne Scheu, in jeden Fettnapf zu tre-ten, zeigt Michael Raschle. Umwerfend die Hofschranzen und Meister der Korruption und diensteifrigen Unterwerfung Konstan-tin Nazlamov, der sein komisches Talent noch einmal überbietet, und Yongfan Chen-Hauser, von dem man solch lächer-liche Rollenporträts weniger gewohnt ist. Die beiden Notare Valentin Vassilev und Jérémie Brocard spielen die Sturzbesoffen-heit in ihrem Auftritt völlig glaubwürdig.

Von den Damen überrascht Rosa Elvira Sierra, die sich von der Tragödin (in „Lucia di Lammermoor") zu einer der lebens-lustigen wie geldgierigen „Cousinen" ver-wandelt, sekundiert von Julia Schiwoka und Barbara Horáková und Verena Poncet als Ninetta, die letzteren drei Studierende des Schweizer Opernstudios.

 

Gelungene Premiere

 

Schliesslich der musikalische Leiter des Abends, Moritz Caffier. Es ist seine erste eigene musikalische Produktion, und er überzeugte mit handwerklichem Können, straffer und genauer Führung und doch viel Flair für den französischen Esprit der Musik sowohl ein vortrefflich mitgehendes Orchester wie die Sänger wie auch das Publikum, das ihm herzlich und stürmisch und auch wohlverdient zu seiner gelungenen Premiere applaudierte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

 

Packendes und ausdrucksvolles Weihnachtsoratorium

 

Gäste aus dem Jura unter der Leitung von Facundo Agudin boten in der Pasquartkirche eine eindrückliche Interpre-

tation des zweiten Teils des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach.

 

Daniel Andres

 

Vor Jahresfrist erhielten wir die Kantaten eins bis drei vorgesetzt, nun folgte gleichsam die Fortsetzung, nämlich die Kantaten für den vierten bis sechsten Weihnachtstag. Das lutherische Weih-nachtsfest dauert bis zum Dreikönigstag, und mit dem Besuch der Könige aus dem Morgenland an der Krippe im Stall zu Beth-lehem endet das Bach’sche Weihnachts-oratorium.

Und wiederum faszinierte die Interpretation von Facundo Agudin mit seinen Chören und dem „Orchestre Symphonique du Ju-ra" und einem ausgezeichneten Solisten-quartett.

 

Beweglicher Chor

 

Das Orchester spielte mit Ausnahme der Oboe d’amore auf modernen Instrumenten, also nichts von Barockbogen oder Darm-saiten bei den Streichern oder Naturstim-mung bei Hörnern und Trompeten. Nichts-destotrotz war der Einfluss historischer Aufführungspraxis durchwegs zu spüren, nicht zuletzt bei den teilweise rasanten, aber vortrefflich gemeisterten Tempi. Und um es vorweg zu nehmen: es war eine Auf-führung die fast elektrisierend mitriss, man hätte teilweise aufstehen und mittanzen mögen, die aber auch berührte und be-glückte.

Von Anfang an erstaunte der Chor, zu-

 

sammengesetzt aus „Espace Choral" und dem Chor des kantonalen Lyzeums von Pruntrut, durch eine ungemeine Beweg-lichkeit und Genauigkeit, natürlich in der deutschen Originalsprache, für die Sänger französischer Zunge eine zusätzliche Her-ausforderung. Die einzelnen Register be-herrschten ihren Part fast zur Vollkommen-heit und auch in den schwierigsten und sehr rasch genommenen Partien gab es kei-ne Verschwommenheit, sondern Genauig-keit und Klarheit. Eine ganz vortreffliche und beeindruckende Leistung.

 

Virtuose Instrumentalisten

 

Das klein besetzte Orchester leistete eine ähnlich hervorragende Arbeit. Ausser den wenigen Tutti-Geigen traten fast alle Instrumentalisten solistisch hervor und blieben den hohen Anforderungen nichts schuldig. Die Hörner in der vierten Kantate waren tadellos und ohne Patzer. Die Oboi d’amore klangschön, herrlich auch in der Echoarie des Soprans, mit Echopartien in der zweiten Oboe und auch in einer lupen-rein singenden kleinen Gruppe von Sop-ranistinnen. In der sechsten Kantate bril-lierten die drei Trompeten mit untadeligen Einsätzen. Und die Soloviolinen legten in der Tenorarie „Ich will nur dir zur Ehre le-ben" ein absolut virtuoses und hinreis-sendes Concerto hin. Ausgezeichnet und

 

ohne Fehl auch die Continuo-Gruppe mit Cello, Kontrabass, Fagott und Orgelposi-tiv.

 

Unwiderstehlicher Evangelist

 

Die Solisten vielleicht mit einer etwas abgestufteren Bewertung. Oben aus schwang ohne Zweifel der Tenor Dieter Wagner, den wir schon vor Jahresfrist als Evangelist in den Rezitativen wie auch als Solisten nur zu rühmen wussten. Die er-wähnte Arie „Ich will nur dir zu Ehren leben" war inbezug auf vokale Virtuosität und Beweglichkeit mit absolut klaren Kolo-raturen in einem irrsinnigen Tempo un-widerstehlich. Aber auch in den Rezita-tiven schenkte er dem Publikum herrliche Momente mit einer wundervoll hellen, ge-schmeidigen und ausdrucksvollen Stimme. Die Sopranistin Léonie Renaud gefiel durchaus mit einer glasklaren und reinen Stimme. Nur ein wenig blasser wirkten die Mezzosopranistin Michèle Fähndrich und der Bass Peter Brechbühler, den man sich nur um ein Kleines kraftvoller vorgestellt hätte.

Facundo Agudin mit seinen Getreuen schenkte dem recht zahlreichen Publikum in der Pasquartkirche wiederum eine äus-serst lebendige, sehr hochstehende und sowohl faszinierende wie ergreifende Darstellung des Bach’schen Meisterwerks.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

Musik aus einer spannenden Übergangszeit

 

Madrigale und Motetten statt Sinfonien und Konzerte standen auf dem Programm des 4. Sinfoniekonzertes im

Kongresshaus. Auf der Bühne das Ensemble „Cappella Mediterranea".

 

Daniel Andres

 

 

Madrigal und Motette sind vergleichbare Formen der Vokalmusik aus der Zeit der Renaissance und des beginnenden Barock. Das Madrigal ist weltlich, die Motette geistlich. Die Motette strenger in Form und Satztechnik, das Madrigal dagegen freier und dadurch namentlich im ausgehenden 16. Jahrhundert ein reiches Experimentier-feld für die Komponisten. Letztlich ging aus dem Madrigal die Solo-Kantate und im Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert die Oper hervor. Es war eine spannende Über-gangszeit von der Renaissance zum Ba-rock, fast eine kopernikanische Wende in der Kunstmusik Europas.

 

Exil in Flandern

 

Das Ensemble „Capella Mediterranea" unter Leitung von Leonardo García-Alar-cón führte vergangenen Mittwoch aus-schliesslich Werke des englischen Kompo-nisten Peter Philips auf, der wegen seines katholischen Glaubens England verliess und nach Stationen in Rom und Reisen

nach Spanien schliesslich in Antwerpen und später Brüssel im damaligen den spanischen Habsburgern gehörenden Flandern landete.

Im Übrigen erlebte das Madrigal ausser in

Italien mit etwas Verspätung in England eine Blütezeit. Peter Philips, der sich neben den grossen Briten John Bull und William Byrd auch als Komponist von Cembalo-musik betätigte, gehörte zu den bedeuten-den englischen Madrigalisten. Ein interes-santes Kapitel, wie sich die führende ita-lienische Musik sowohl in Deutschland und Frankreich und bis nach England durchsetzte.

 

Reichhaltige Besetzung

 

Der erste Teil des Konzertes war Madrigalen von Peter Philips aus den Jahren 1596 bis 1603 gewidmet, wobei die Jahre eher die Veröffentlichung als die Entstehung bezeichnen. Sie

teilweise verständlich, da hätte ein Textheft helfen können, auch wenn die Grund-

stimmung des Stückes schon aus den Ti- teln mehr oder weniger erkennbar war.

Nach der Pause folgten acht Motetten, die ebenfalls – was dem Gebrauch der Zeit ent-

sprach – zum Teil rein instrumental, in den andern Fällen in geglückten Mischungen zwischen Instrumental- und Vokalstimmen dargeboten wurden.

 

Stilistische Kompetenz

 

Ein englischer Komponist in Spanisch-Flandern" war der Titel des Konzerts. Und auch wenn ein einziger Komponist für den ganzen Abend die Vorlagen lieferte, so zeigten doch sowohl Kompositionen, wie auch die jeweils abgestimmte und farben-reich wechselnde Besetzung und die mit-reissende Interpretation eine Vielfalt, die für ein abwechslungsreiches und stim-mungsvolles Konzert sorgte. Auch wenn nicht alles perfekt gelang und die eine oder andere kleine Panne passierte, überzeugten Dirigent und Ensemble durch stilistische und instrumental-vokale Kompetenz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

Ein unerschöpfliches Variationenwerk

Im Lyceumclub sassen die Zuhörer dicht an dicht, als am Dienstag die Pianistin Dagmar Clottu die „Goldberg"-Variationen von Johann Sebastian Bach auf dem Flügel vortrug.

 

Daniel Andres

 

Es ist auch etwas Besonderes um dieses Variationenwerk aus den letzten Lebens-jahren Bachs. Ob die Geschichte um die Entstehung des Werks wahr oder bloss schön erfunden ist, bleibt dabei fast uner-heblich. Der russische Gesandte am Dres-dener Hof, Graf Keyserling soll das Werk bestellt haben, damit ihm der 14-jährige Cembalist Johann Gottlieb Goldberg in schlaflosen Nächten daraus vorspiele.

Bach hat das Werk als „Clavierübung, vier-ter Teil" unter dem Titel „Aria mit verschie-denen Veraenderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen" veröffentlicht. Wie in an-deren Spätwerken (Kunst der Fuge, Musi-kalisches Opfer) hat er darin seine Kunst demonstriert, eine Kunst, die Mitte des 18. Jahrhunderts gerade mal am Untergehen war, denn eine neue Generation hatte sich ganz andern Idealen verschrieben.

 

Strenger Aufbau

 

Bach zeigt in 30 Variationen über einen Bass einerseits die Kunst der „Verän-derung", wobei er die einzelnen Variatio-nen ins Gewand von barocken Tänzen klei-det oder in den langsamen Variationen die melodische Auszierung über äusserst chromatischen Harmonien auf die Spitze treibt. Das Besondere ist, dass jede dritte Variation ein strenger Kanon im Abstand von Unisono bis zu einer None ist und da-

bei das „Thema" auch in Umkehrung, d.h. vertikal gespiegelt erscheint. Höchste Kunst des Kontrapunktes also, und dabei besteht die Kunst gerade darin, dass der Hörer von der „Gelehrtheit" dieser Techni-ken kaum etwas mitbekommt, sondern ganz einfach „schöne Musik", geistreiche Unter-haltung vorgesetzt erhält.

 

Tücken auf dem Flügel

 

Spielt man, wie Dagmar Clottu, das Werk auf dem modernen Flügel, hat man mit Handicaps zu kämpfen, denn die vielen Stimmkreuzungen sind auf einem einzigen „Clavier" (Tastatur) häufig fast nicht reali-sierbar, der Pianist muss ein bisschen mo-geln, indem er stellenweise die Stimmen um eine Oktave verlegt. Andererseits hat der Pianist gegenüber dem Cembalisten den Vorteil, dass er Stimmen dynamisch hervor-heben kann und damit das kontrapunk-tische Geflecht für den Hörer verdeut-lichen kann. Und einzelne Sätze sind aus-serordentlich ausdrucksvoll, was wieder-um auf dem Flügel besser zur Geltung kommt als auf dem doch ein bisschen sprö-den Cembalo.

Dagmar Clottu hat sich für eine „roman-tische" Interpretation entschieden, wobei der Begriff „romantisch" relativiert werden muss. So ist etwa die sogenannt histori-sche Aufführungspraxis, die sich an Lehr-

büchern und Ratgebern des 18. Jahrhun-dert orientiert, bei weitem nicht so spröd, wie die „puristische" barocke Auffüh-

rungspraxis noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die „beredte" Spielweise lässt durchaus ein Rubato zu, und gerade der Stil der sogenannten „Empfindsam-keit", dem auch Bach durchaus huldigte, ruft nach sensiblem Ausdruck.

 

 Französischer Stil

 

Alle diese Erklärungen dienen eigentlich bloss dem Hinweis, dass Dagmar Clottu dem Werk in seiner grossartigen Vielfalt und in seinem fast unerschöpflichen Reich-tum in hohem Mass gerecht geworden ist. Die pianistische Leistung und die Ausein-andersetzung mit dem Werk sind für jeden Interpreten eine Herausforderung, welche die Pianistin meisterte. Einzig die Stile der damaligen Zeit, vor allem den Einfluss des französischen Stils (vor allem in der Varia-tion 16 in Form einer Französischen Ouver-türe) hätte sie stärker berücksichtigen kön-nen. Die einstündige Darbietung zog die Zuhörer in den Bann, und ob man jetzt des Kontrapunkts kundig war oder bloss der Musik lauschte, war die Begegnung mit einem der zeitlosen Meisterwerke Bachs ein Erlebnis. Der Beifall war anerkennend und dankbar zugleich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

Optimistische Schöpfungsgeschichte

 

Das Oratorium „Die Schöpfung" von Haydn, gesungen zum 75-jährigen Jubiläum des Chors Ipsach, fand am Wochenende eine höchst beachtenswerte Wiedergabe im Kongresshaus Biel.

 

Daniel Andres

 

 

Zum dritten Mal innert Wochenfrist kann man Erfreuliches aus der klassischen Mu-sikszene berichten. Das Jubiläumskonzert des Ipsacher Chors mit dem Sinfonie Orchester Biel und drei namhaften Solisten unter der Leitung von Bernhard Scheideg-ger war ein künstlerischer Erfolg.

Über das Werk haben wir geschrieben, ein optimistisches und idealistisch gesinntes Werk aus der europäischen Aufklärung. „Es werde Licht" ist gleichsam das Motto darüber. Und wenn Uriel am Schluss zu den ersten Menschen sagt „O glücklich Paar und glücklich immerfort, wenn fal-scher Wahn euch nicht verführt noch mehr zu haben als ihr habt und mehr zu wissen als ihr sollt!" schlägt er eine besinnliche Brücke zu den Gefahren der menschlichen Selbstüberschätzung in der heutigen Zeit. Im nicht restlos vollbesetzten Kongress-haus erlebten die Zuhörer am Samstag-abend (Wiederholung am Sonntagnach-mittag) eine insgesamt kraftvolle und lichterfüllte Aufführung des Alterswerks von Joseph Haydn.

 

Moderne Aufführungspraxis

 

Ein Hauptträger des Ereignisses war zweifelsohne der über achtzigköpfige Chor, der mit sichtlichem Enthusiasmus zu Werke ging, aber auch optimal vorbereitet war. Auffallend war das Bemühen um eine plas-tische Gestaltung, insbesondere auch der grossen Chorfugen. Das gelang auch weit-

gehend, nur einige wenige Male hätte man sich noch etwas mehr Prägnanz vor allem bei den Männerstimmen gewünscht. Dafür

waren die leisen Stellen sehr schön ge-staltet, angefangen beim ersten Einsatz des Chors „und der Geist Gottes schwebte auf der Fläche der Wasser". Der Chor verfügt über eine gute Klangkultur, ist beweglich und folgt aufmerksam den oft recht zügi-gen Tempi des Dirigenten.

Bernhard Scheidegger schlug einen Interpretationsstil an, der sich in Manchem an die neueren Auffassungen, die mit dem Namen Nikolaus Harnoncourt verbunden sind, anlehnt. Dabei wurde einem bewusst, wie sehr diese Auffassungen bereits in die heutige Aufführungspraxis ganz natürli-cherweise eingedrungen sind. In Bezug auf den Chor, aber auch auf das Orchester kann man fast selbstverständlich von „Klangrede" sprechen.

 

Gepflegte Klangkultur

 

Das aufmerksam und gut disponierte Sinfonie Orchester Biel (Konzertmeisterin Luitgard Mayer) bemühte sich mit Erfolg um eine kluge und differenzierte Artiku-lation und eine sehr schöne dynamische Differenzierung bei gepflegter Klangkultur. Festzustellen waren am Samstag noch klei-ne Koordinationsmängel, eine nicht immer von Beginn an herrschende Übereinstim-mung zwischen Dirigent und Orchester in den Tempi. Bernhard Scheidegger zog da-

für gelegentlich in den Chornummern das Tempo noch zusätzlich an, was durchaus nicht grundsätzlich negativ war. Auch der Cellist Matthias Walpen und der Cembalist Bertrand Roulet hatten noch kleine Ver-ständigungsprobleme, die sicher bis am Sonntag ausgeräumt waren. Diese weni-gen kritischen Bemerkungen schmälern kei-neswegs eine insgesamt hochstehende Wiedergabe, die auch dem Kenner Freude verschaffte.

Treffliche Gestaltung

Und da war noch ein hochkarätiges So-listentrio, das nun beinahe keine Wünsche offen liess. Die Sopranistin Maria C. Schmid berückte nicht bloss mit wunder-voll leicht eingesetztem und doch rund klingenden Sopran, sie erfüllte die Partien des Gabriel und der Eva mit Wärme und auch einer Dosis Humor, vor allem im veritablen Liebesduett mit Adam ganz am Schluss des Werks. Adam und Raphael wurden vom Bassbariton Dominik Wörner ebenso trefflich und am Text orientiert ge-staltet. Und der Tenor Christophe Einhorn (für den erkrankten Rolf Romel kurzfristig eingesprungen) war eine gleichermassen hervorragende Besetzung des Uriel. Alle drei Gesangssolisten sowohl stimmlich wie auch interpretatorisch herausragend. Es war ein Genuss ihnen zuzuhören. Und im Ganzen wurde das volkstümliche Meister-werk von Haydn dank allen Beteiligten ein weiteres Mal zum Gewinn für die Zuhörer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

Exotisches Kolorit aus Spanien

 

Nicht so sehr der Werke wegen, aber wegen deren Interpretation wurde das dritte Sinfoniekonzert der

Saison zu einem Höhepunkt. Der Spanier Jesús Amigo dirigierte spanische und spanisch inspirierte Werke.

 

Daniel Andres

 

 

Die Programmzusammenstellung hatte es durchaus in sich. Drei spanische Kompo-nisten aus drei Epochen wurden aufge-führt, dazu die „Symphonie espagnole“ des Franzosen Edouard Lalo und eine Suite aus der Oper „Der Corregidor“ des österreich-isch-slowenischen Komponisten Hugo Wolf. Das ergab innere Verwandtschaften aber auch interessante Unterschiede und Gegensätze.

Eine spanische Nationalmusik entstand En-de des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhun-derts. Ihre Vertreter heissen Isaac Albeniz, Enrique Granados  und besonders Manuel de Falla. Vorher waren es vor allem Fran-zosen, die das exotische Kolorit Spaniens als Würze in ihre Musik brachten. Anreger dabei war unter anderem der spanische Wundergeiger Pablo de Sarasate, der als Wunderknabe die Franzosen in Aufregung versetzte und die Komponisten zu Werken anregte.  

 

Melodisch und virtuos

 

Eines der Hauptwerke aus dieser Mode-richtung ist die „Symphonie espagnole“ von Edouard Lalo, eines von vier Violin-konzerten, die Lalo komponierte. Ein fünf-sätziges Werk, das dem gross besetzten Orchester breiten Raum gibt, aber auch die Solovioline einerseits mit herrlichen Melo-dien, andererseits mit wirkungsvollster Vir-tuosität ausstattet. Der Geiger Alexandre Dubach war, wie fast nicht anders zu er-warten war, dem Werk ein grossartiger An-walt. Hatte man ganz zu Beginn noch Be-

denken, wegen dem schlanken Ton des Geigers gegenüber der Übermacht des Or-chesters und auch darum, der Solist könnte rhythmisch-metrisch in zu engem Rahmen gehalten werden, so lösten sich die Be-fürchtungen sehr rasch auf. Dubach be-wegte sich mit einem schlanken aber wun-dervollen, süssen aber keinesfalls süssli-chen Ton (so hat vielleicht der legendäre Sarasate geklungen) absolut frei über ein-em Orchester, das mit dem spanischen Di-rigenten Jesús Amigo seinerseits eine Spit-zenleistung bot. Die technischen Zaube-reien bewältigte Dubach mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Kurz: Werk und Inter-pretation lösten höchste Begeisterung aus.

 

Traumwandlerische Sicherheit

 

Und Dubach setzte einen drauf mit einer kaum zu überbietenden Zirkusnummer (aus eigener Feder) in der die Schwierigkeiten nur so angehäuft erschienen, das Ganze mit einer grossen Portion Humor und dar-geboten mit traumwandlerischer Sicherheit

 

 

und einem spitzbübischen Lächeln. Zu Beginn erklang mit „Sortilegis“ ein neueres Werk des Spaniers Xavier Mont-salvatge. Ziemliche Stilvielfalt, unmittelbar eingäng-liche Musik, interessant ihr mal begegnet zu sein.

Von Juan Crisóstomo  de Arriaga, der nur

gerade zwanzig Jahre alt wurde, hörte man die Ouvertüre zu „Los esclavos felices“ mit schmeichelnder Melodik und spritzigen, Rossini abgeschauten Partien. Schade starb das Genie so früh!

 

Zwei Mal Eifersuchtskomödie

 

Manuel de Falla und Hugo Wolf schrieben Musik zum selben Stoff des Dichters Antonio de Alarcon y Ariza, eine spani-sche Eifersuchtskomödie. Das Ballett „Der Dreispitz“ von Manuel de Falla gehört zum Besten und Authentischsten, was zwi-schen Impressionismus in Paris und Spa-nienbegeisterung der Franzosen entstand. „Der Corregidor“ von Hugo Wolf ist eine Oper, die zunächst Erfolg hatte, aber bald von den Bühnen verschwand. Übrig ge-blieben ist eine Orchestersuite, stilistisch zwischen Wagner und Richard Strauss os-zillierend, aber durchaus auch das Genie des ebenfalls schon mit 43 Jahren ver-storbenen Komponisten zeigend. Alle die-se Werke wurden vom Sinfonie Orchester Biel mit dem hervorragenden, aus Bilbao stammenden Jesús Amigo am Pult akkurat, farbig und mitreissend dargeboten. Ein-hellige Zustimmung im Publikum. Ein Kon-zert, das richtig Freude machte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

Eindrückliche „Hohe Messe“

 

Eine musikalische Grosstat war die Aufführung von Bachs h-moll-Messe am letzten Wochenende in der Stadtkirche durch den Bieler Kammerchor und das Barock-Ensemble „Allegria musicale“.

 

Daniel Andres

 

 

 

Superlative fliessen dem Kritiker eher schwer aus der Feder (dem Computer). Für einmal kann man aber fast nur schwärmen, und das Bieler Publikum hat glücklicher-weise auch gemerkt, dass da ein Ereignis stattfindet. Zwei Mal war die Bieler Stadt-kirche fast voll (zwei Mal ausverkauft wäre noch angebrachter gewesen). Wo findet man auf der Welt eine Stadt von der Grös-se Biels in der mit weitgehend eigenen Kräften Bachs h-moll-Messe in histori-scher Aufführungspraxis und in einer Qua-lität, die einer Weltstadt würdig wäre, aufgeführt wird!

Das ist das grosse Verdienst von Alfred Schilt und seinem vor 25 Jahren gegrün-deten Kammerchor. Wie er im Programm-heft vermerkt, hat er sich die „Hohe Mes-se“ von Bach für das Chorjubiläum aufge-spart, nachdem er zum zwanzigjährigen Ge-burtstag des Chors bereits Bachs Johan-nes-Passion vorgenommen hatte.

 

Lange Entstehungsgeschichte

 

Bachs „catholische Messe“ hat eigentlich auch im lutheranischen Gottesdienst Platz. Zumal die beiden ersten Teile, das Kyrie und das Gloria, wurden an hohen Fest-tagen in die lutherische Liturgie aufgenommen. Aber auch das „Credo“ (bei Bach „Symbolum Nicäum“) und das Sanctus konnten an bestimmten Feiertagen aufgeführt werden. Und Bachs Messe als fünfteiliges Ordinarium (Missa tota) hatte

eine lange Entstehungsgeschichte. Als äl-tester Teil entstand 1724 bereits das Sanc-tus. 1733 schrieb der Leipziger Thomas-kantor für den Hof von Dresden die Missa brevis (Kyrie und Gloria) und bewarb sich damit für den Titel eines Hofcompositeurs (den er drei Jahre später auch erhielt). Erst 1748 ergänzte er die Partitur zu einer voll-ständigen Messe, wobei er teilweise auf das Parodieverfahren griff, was heisst, dass er ältere Kantatensätze umarbeitete und mit dem lateinischen Messetext versah.

Die Form ist die einer Missa concertata mit Arien und Chören in grosser Besetzung (vier bis achtstimmiger Chor) und farbiger Instrumentation (Trompeten, Pauken, Oboen, Flöten, Jagdhorn, Fagotte, Streicher und Orgel).

 

Bewundernswerte Interpreten

 

All das kam in der Aufführung vom Sonntag zu voller Geltung. Ein tadellos vorbereiteter Chor von etwa vierzig Sän-gerinnen und Sängern, der auch die schwierigsten chromatischen und nur durch den Generalbass begleiteten Stellen (etwa im „Confiteor una Baptisma“) oder im „Cruzifixus“) sauber und klangschön meis-terte. Ein Chor, der nicht durch Klang-masse beeindruckte aber durch Kultur, rei-ne Intonation, Lebendigkeit (im elektrisie-renden „Cum Sancto Spiritu“ oder „Et vi-tam ventura saeculi“).

Fünf Solistinnen und Solisten von her-vorragender Qualität waren eingesetzt. Alle offenbar vertraut mit historischer Aufführungspraxis, gerade Tongebung ohne Vibrato, Reinheit der Intonation, Leichtigkeit der Koloraturen und klare Diktion zeichneten sie aus.

Nicola Meier als erster Sopran von über-wältigender Schönheit, Murielle Glauser-Spycher als Chorsängerin auch für den zweiten Solosopran einspringend tadel-los, Patrizia Häusermann mit einem schlanken Alt wunderbar (auch im „Ag-nus Dei“, einem der ausdrucksstärksten Stücke), Hans-Jürg Rickenbacher mit un-fehlbar geführtem Tenor und René Perler mit leichtem und doch tragenden Bass.

 

Barocker Originalklang

 

Die Solisten von „Allegria musicale“ zeigten ihr ganzes Können und die Er-fahrung mit dem barocken Originalklang. Mindestens erwähnen muss man den er-fahrenen Konzertmeister Andreas Heini-ger, die Trompeter Pascal Geay, Krisztian Kovacs und Roland Callmar, den Hornis-ten Martin Roos (bewundernswerte De-monstration der „Stopftechnik“ auf dem ventillosen „Corno da caccia“), aber auch die Oboen, Flöten und Fagotte waren voll auf der Höhe ihrer Aufgaben. Eine in jeder Hinsicht eindrückliche  Aufführung die noch lange im Bewusstsein nach-klingen müsste.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

Grosse Gefühle der Romantik

 

Erfolgreiche künstlerische Zusammenarbeit prägte das zweite Sinfoniekonzert im Kongresshaus.

Romantische Chorwerke und Mahlers erste Sinfonie hinterliessen starke Eindrücke.

 

Daniel Andres

 

 

 Nicht zum ersten Mal entstand dank der Zusammenarbeit zwischen Sinfonie Or-chester Biel und dem „Orchestre sympho-nique du Jura“ eine orchestrale Grossfor-mation, welche erlaubt, Trauben zu pflü-cken, die sonst zu hoch hangen.

Nicht bloss zahlenmässig konnten sich die Musiker beider Orchester unter der Leitung von Thomas Rösner an ein grosses Werk des ausklingenden 19. Jahrhunderts wa-gen. Dank guter Vorarbeit und bester Ver-fassung der Ausführenden war die Auf-führung der ersten Sinfonie in D-Dur von Gustav Mahler auch künstlerisch ein durchschlagender Erfolg, der Schlussapp-laus lang und verdient.

 

Übersicht und Emotionen

 

Man kann Mahlers Sinfonien eher ana-lytisch oder eher emotional interpretieren. Die besten Deutungen – etwa von Bern-hard Haitink – liegen genau dazwischen. Es braucht einerseits Intelligenz und klare Übersicht, um den Formaufbau oder den dynamischen Aufbau oder die Tempo-verhältnisse über vier Sätze hinweg zu dis-ponieren und zu gestalten. Es braucht ebenso Einfühlungsvermögen und manch-mal ein bisschen Mut, um voll in die Welt der grossen Gefühle, der manchmal trivia-len (und auch sehr rührenden) Anklänge an Volksmusik mitsamt „falschen“ Noten und „kitschigen“ Melodien einzutauchen,

 

 sich auch damit identifizieren zu können. Thomas Rösner hat mit seinen Musikern die Gratwanderung gewagt und sie ist auch in hohem Masse gelungen.

Die Tempi stimmten durchwegs, der dyna-mische Aufbau war überlegt und auch dif-ferenziert, die Farbmischungen fast immer zutreffend, die karikierten Farben und Ein-würfe (Glissandi in den Streichern, grelle Einwürfe in den Bläsern) trugen zur Cha-rakterisierung bei. Der Orchesterklang war transparent, das Zusammenspiel – bis auf ein paar nicht ganz synchrone Beschleu-nigungen im ersten Satz – klappte präzis. Die Trompeten aus der Ferne wie auch im Orchester gestochen scharf. Einige Schlen-zer in den Hörnern gehören beinahe dazu.  Eine Darstellung des Werks, die gefangen nahm.

 

Mehr Resonanz

 

Wieso wurde die „Frère Jacques“-Melodie zu Beginn des dritten Satzes nicht von ei-nem Solo-Kontrabass gespielt? Das ist ein Element, das zur Skurrilität der Szene we-sentlich beiträgt. Und dass es den Strei-chern gelegentlich an Wärme mangelte (das „Lindenbaum-Zitat“ ebenfalls im drit-ten Satz oder die ruhigen Episoden im Fi-nale) war nicht ihre Schuld, sondern eine falsch eingestellte Saalakustik, welche den Klang nicht bloss trocken, sondern auch kalt erscheinen  liess.  Auch  wenn  die  Ge-

 

fahr besteht, ganz am Schluss im Fortis-simo zu überborden, braucht der Orches-terklang etwas mehr Resonanz. Die Musi-ker würden sich und ihr Umfeld auch bes-ser hören.

 

Tadellose Chöre

 

Das Problem bestand auch im ersten Teil mit den Chorwerken. Zwar stand mit dem „Ensemble vocal de l’Erguel“ und dem OPUS Kammerchor ein hervorragender Chor mit reiner Intonation, hoher Klang-kultur und absoluter Genauigkeit zur Ver-fügung und der Hörgenuss in der wun-dervollen „Nänie“ von Brahms und dem genialen „Requiem für Mignon“ von Schu-mann war ganz eindeutig hoch. Die Chöre aus dem südlichen und nördlichen Jura wa-ren von ihren Leitern Philippe Krüttli und Facundo Agudin tadellos vorbereitet wor-den. Aber auch hier wirkte vor allem der Chorklang etwas distanziert und vielleicht deswegen war der Beifall nach den Chor-werken trotz hervorragender Leistung der Beteiligten eher verhalten. Gut, beide Wer-ke, die auch eher selten gehört werden, sind nicht auf äusserliche Wirkung ausge-richtet, sondern von Text und Musik her eher auf Verinnerlichung, was durchaus auch erreicht wurde. Trotz der Einschrän-kungen war es ein eindrückliches und nachhaltig wirkendes Konzert. Es wird am Sonntag in Delémont wiederholt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

Triumpf für „Lucia“

 

23. Oktober 2008. Eine selten abgerundete Glanzleistung bot das Opern-Ensemble des Theaters Biel Solothurn am Donnerstag in „Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti.

 

Daniel Andres

 

 

Donizettis tragisch-romantische Oper „Lucia di Lammermoor“ ist ein Vorstoss in das Innere eines Menschen. Der Versuch, die psychologischen Vorgänge eines Men-schen und insbesondere einer Frau musi-kalisch und szenisch darzustellen ist vor-her kaum einmal so weit getrieben worden.

Etliche Gestalten in dem verhängnisvollen Ablauf des Stücks entsprechen noch fast typisierten Figuren. Der Schurke Norman-no, der Geistliche Raimondo, Lord Arturo, der Lucia aus irgendwelchen Gründen, bloss nicht aus wirklicher Liebe heiratet, handeln nach einem Schema und nach ein-er hergebrachten Dramaturgie.

Differenzierter sind Lord Enrico, der Bruder Lucias, und Sir Edgardo, der wirkliche Ge-liebte der Titelfigur, dargestellt. Sie haben innere Konflikte und handeln zwar nach gewissen gesellschaftlichen Vorgaben – Ehre, Rache, Ansehen, Stellung, finanzielle Sicherheit -, aber vor allem Edgardo (der Gute im Stück) ist doch bereit, Konventio-nen hinter sich zu lassen und aus Liebe zu Lucia auf die Rache gegen Enrico zu ver-zichten.

Lucia ist dazwischen und ist einer Männergewalt und –logik ausgesetzt, der sie sich nicht unterziehen will und der sie sich, dazu gezwungen, durch Mord und „Flucht“ in den Wahn entzieht.

 

Ambivalente Figuren

 

Die Inszenierung von Gregor Horres ging im Grunde sehr genau auf diese Konstella-tion ein. Sie zeigt die Positionen im Macht-spiel und wie am Schluss alle verlieren schnörkellos geradlinig und konsequent auf. Zusammen mit dem einfachen, dank

 

Lichtfarben auf die psychologische Situa-tion eingehendem Bühnenbild  und den – mit Ausnahme weniger Frauen - weit-gehend schwarzen Kostümen (Eva-Maria Pfeiffer) wird auch die Stimmung für einen erbarmungslosen Verlauf der Tragödie ge-schaffen.

Ein Verdienst der Inszenierung ist aber auch die treffliche Charakterisierung der doch ambivalenten Figuren. Lord Enrico ist ein Egoist, aber auch aus Schwäche und Zukunftsangst. Arturo bleibt recht farblos, ein anständiger Edelmann, der nicht recht realisiert, was mit ihm gespielt wird. Ed-gardo ist der jugendliche Liebhaber, der alle Gefahren aus einer alten Familienfehde vergisst und verdrängt und neben Lucia ein Opfer der Intrigen wird. Raimondo ist voll guten Willens, aber unfähig, die zum Unheil drängenden Konventionen zu durchbrechen, und Normanno ist der Fies-ling und Drahtzieher und hat als Einziger ausschliesslich schurkenhafte Züge (und eine entsprechende Mimik).

 

Sängerische Höchstleistung

 

„Lucia di Lammermoor“ wurde aber zur Erfolgsoper bis zum heutigen Tag wegen der Musik. Einerseits wegen ungeheuer schlagkräftiger Dramatik bereits im ersten Akt, welche von einer aussagestarken Mu-sik grossartig unterstützt wird. Anderer-seits wegen der alles dominierenden Wahnsinnsszene im zweiten Akt. Und hier zeigt sich die Künstlichkeit der Oper, indem der musikalische Ausdruck an eine unglaubliche stimmliche Virtuosität geknüpft ist, welche bis heute genau so fasziniert wie das eigentliche Bühnendrama. Eine Frau die ausser sich ist

 

und Koloraturen und höchste Spitzentöne und ein wahres Feuerwerk an Gesangs-technik produziert, das auch reine Stimm-fetischisten immer wieder begeisterte.

Und diese Ambivalenz war auch an der Premiere vorhanden. Man ist gerührt vom Schicksal der unglücklich Liebenden und bewundert gleichzeitig die Singkunst der Sopranistin Rosa Elvira Sierra, welche das Publikum zu Ovationen hinriss. Franco Trinca, der musikalische Opernchef, hat ja eine Fassung der „Lucia“ gewählt, die noch etwas höher liegt als die meist ge-bräuchliche. Und das meistert die mexika-nische Sängerin, welche uns schon in „La Sonnambula“ beglückte, bewundernswert. Sängerisch und darstellerisch eine wahre Höchstleistung.

 

Begeistertes Publikum

 

Sehr viel Gefallen finden auch die  sängeri-schen Leistungen der Herren, von Michele Govi als stimmstarkem Enrico über den schönen Tenor von Valery Tsarev als Ar-turo über den strahlenden Tenor von Os-car Roa in der Partie des Edgardo bis zum fülligen Bariton von Yongfan Chen-Hauser als Raimondo. Barbora Horakova als Alisa und Konstantin Nazlamov als Normanno haben nicht so grosse sängerische Partien, meisterten diese aber auf dem guten Ni-veau der gesamten Aufführung.

Wozu auch das gut disponierte Orchester beitrug. Kleine Unreinheiten im Blech, aber insgesamt sehr geschlossen und mit her-vorragenden Soli der Harfe (Johanna Baer) und der Flöte (Polina Peskina) und mit viel Elan, aber auch Differenzierung des musi-kalischen Leiters Franco Trinca. Ein rund-um und zu Recht begeistertes Publikum.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

 

 

 

Ausdrucksstark und wirkungsvoll

 

11. Oktober 2008. Anton Bruckners Grosse Messe in f-moll wurde am Samstag in der Bieler Stadtkirche aufgeführt. Drei Chöre, vier Solisten und das Sinfonieorchester Biel standen unter der Leitung von Pierre von Gunten.

 

Daniel Andres

 

 

Bruckners f-moll Messe gehört zu den Säulen unter den grossen Messeverton-ungen insbesondere des 19. Jahrhunderts. Obwohl der Komponist ein gläubiger, ja fast ein bigotter Katholik war, ist diese unter seinen Messevertonungen nicht un-bedingt für den liturgischen Gebrauch be-stimmt. Zu ausladend in den zeitlichen Di-mensionen und auch im benötigten Auf-führungsapparat und vielleicht auch zu farbig. Der im Leben bescheidene Bruckner wusste sehr wohl, wie man in der Musik grosse Wirkung erzielt ohne dabei effekt-haschend oder gar oberflächlich zu er-scheinen.

 

Glanzlichter und matte Stellen

  

Zwei französischsprachige reformierte Kirchenchöre nahmen sich des Werks an, verstärkt durch das Ensemble vocal von Biel, das vor dreissig Jahren auch durch Pierre von Gunten gegründet worden war. Es ist nicht despektierlich zu sagen, dass die Kirchenchöre etwas überaltert sind und es deshalb der Verstärkung durch jüngere Stimmen bedurfte um Glanzlichter, insbe-sondere bei den hohen Frauenstimmen zu setzen. Man kann denn auch insgesamt von einer guten Ausführung durch den

 

Chor sprechen, auch wenn nicht alle Wün-sche erfüllt wurden. Hin und  wieder klang der Chor etwas matt, hin und wieder war in den polyphonen Partien nicht die volle Klarheit vorhanden, hin und wieder war die Intonation (in zugegeben schwierigen chromatischen Stellen und dazu noch ohne Orchesterbegleitung) nicht von ungetrüb-ter Reinheit. Man glaubte auch da und dort eine gewisse Verkrampftheit oder anders ausgedrückt das Fehlen von Lockerheit zu spüren. Möglich dass die Wiederholung in einer Woche in der Französischen Kirche Bern da und dort noch Verbesserungen bringt.

 

Inneres Engagement

 

An den entscheidenden Stellen hatte der Chor doch Kraft und die Diktion des lateinischen Textes war über weiteste Strecken verständlich. Und man spürte das innere Engagement der Sängerinnen und Sänger. Damit

wurde die Begegnung mit dem grossartigen Werk für den unbefangenen Zuhörer doch eine schöne Bereicherung.

Das Solistenquartett mit Brigitte Scholl, Sopran, Liliane Mathey, Alt, Martin Hostettler, Tenor, und György Mozsar,

 

 Bass, ergab in den Ensembles eine gute Mischung. Vor allem das „Benedictus“ geriet ausdrucksstark und eindrücklich. Im Einzelnen konnte vor allem der Tenor Mar-tin Hostettler überzeugen, etwa im „Incar-natus est“ zusammen mit den Soli von Violine (Luitgard Mayer) und Viola (Rolf-Dieter Gangl). Überhaupt gefiel das Bieler Sinfonieorchester durch eine sehr verant-wortungsbewusste Leistung und sehr schönen klanglichen Ergebnissen. Erwähnt sei dabei etwa die wunderschöne Streicher-einleitung zum „Benedictus“ oder etwas später die mit Bläserfarben angereicherte Überleitung zum zweiten „Hosanna“. Das Blech gefiel mitsamt der Orgel (Françoise Matile) durch Reinheit und Zurückhaltung und war zugleich eine zuverlässige Stütze der grossen Choreinsätze.

Pierre von Gunten wählte im Ganzen günstige Tempi auch in Blick auf den Werkverlauf, ist aber meist keine Quelle in der Detailgestaltung. Das Tempo des ein-gangs gesungenen „Ave verum corpus“ von Mozart hingegen war für unser Em-pfinden eindeutig zu langsam und das Gan-ze „troppo espressivo“, das heisst schon dem nachfolgenden Bruckner, der starken Ausdruck ohne Weiteres verträgt, ange-nähert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

Vertrautheit und Verständnis

7. Oktober 2008. Der Lyceumclub Biel empfing am Dienstag in den Räumen des Museum Neuhaus zwei junge Musiker, den „Bieler" Cellisten Beat Sieber, der vom Pianisten Jonas Pulver aus Lausanne begleitet wurde.

 

Daniel Andres

 

Beat Sieber ist im Aargau aufgewachsen und hat zunächst in Biel bei Conradin Brotbeck sein Lehrdiplom, später bei Pat-rick Demenga in Lausanne das Konzert-diplom geholt. Jonas Pulver erhielt sein Lehrdiplom in Neuenburg und studierte in Lausanne und verschiedenen Masterclas-ses weiter.

Im „Salon" des Museum Neuhaus spielte das Duo Werke von Igor Strawinsky, Franz Liszt und Sergej Rachmaninoff.

Die „Italienische Suite" von Strawinsky geht auf das Ballett „Pulcinella" zurück, worin der russische Komponist nach sein-en kühnen Ballettmusiken wie „Petrusch-ka" und „Sacre du Printemps" auf barocke Vorbilder wie Pergolesi und andere Italie-ner der Zeit zurückgreift und eine klassi-zistische tonale Musik begründet. Die Sät-ze sind meist hoch virtuos, voll vertrackter Schwierigkeiten, aber auch melodiös und unterhaltsam. In der Enge des kleinen Kon-zertraumes und der dichten Nähe klang der

 

mit ein paar Dissonanzen gepfefferte Neo-barock recht kraftvoll und unzimperlich. Doch hatte man Freude an der zugriffigen und zupackenden Art des Musizierens.    Ganz anders drei Stücke des späten Franz Liszt, die eigentlich Bearbeitungen von Lie-dern und Klavierstücken sind. Beat Sieber konnte dort weiträumige Melodien sehr schön und mit weitem Atem gestalten, während Jonas Pulver für teils raffinierte Harmonien und eher dunkle Klänge auf dem Klavier zuständig war.

Als Abschluss brachten die beiden Mu-siker die Cellosonate in g-moll Opus 19 von Sergej Rachmaninoff zu Gehör. Ein pracht-voller Viersätzer, der vor allem im Klavier die ganze Ausdruckspalette des russi-schen Spätromantikers ausbreitet und da-mit dem Pianisten auch Etliches abverlangt. Da kommt uns der Begriff Emphase in den Sinn („eine besonders nachdrückliche, be-geisterte, die eigene innere Bewegung und Zustimmung widerspiegelnde Ausdrucks-

 

weise") mit dem die Interpretation der jungen Künstler kurz und genau umschrie-ben werden kann. So schien einerseits die Vertrautheit der Interpreten mit der Musik einleuchtend, andererseits das gegensei-tige Verständnis der Musiker unterein-ander allgegenwärtig. Es war eine auch die Zuhörerinnen – der Lyceumclub besteht immer noch fast ausschliesslich aus Damen - bewegende und mitreissende Wieder-gabe. Man weiss, dass der Flügel in diesem Saal nicht der beste ist, sein Ton ist eher dumpf als brillant, hat aber eine gewisse Wärme, die den dunklen Seiten bei List und Rachmaninoff durchaus entgegen kam. Die Enge und die Nähe des Publikums machen die Balance zwischen Klavier und Cello öfters schwierig. Trotz diesen Ein-schränkungen kann man den beiden Inter-preten für das ganze Programm und ins-besondere auch für die Sonate von Rach-maninoff ein ungeteiltes Lob spenden. Man war ganz einfach von Werk  und Wie-dergabe voll und ganz angetan.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

 

 

Vorbild und Nachfahre

 

17. September 2008. Mit dem international renommierten Pianisten Rudolf Buchbinder am Flügel eröffnete das Bieler

 Sinfonieorchester unter Thomas Rösner am Mittwoch sehr überzeugend die Saison.

 

Daniel Andres

 

Thomas Rösner am Pult des Bieler Sinfonieorchesters (Foto Joel Schweizer)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein fast voller Saal im Kongresshaus und ein erwartungsvolles Publikum. Beethoven und Brahms standen auf dem Programm und wie alle Konzerte seit diesem Sommer stand auch dieses unter einem Motto: “Die Schritte des Riesen“. Mit dem Riesen ist Beethoven gemeint, der seinen künstle-rischen Nachfahren im 19. Jahrhundert ein-en fast lähmenden Respekt einflösste. Brahms tat sich jedenfalls schwer, als Sin-foniker in die Fussstapfen des Meisters zu treten. Also schrieb er statt einer Sinfonie zunächst ein Klavierkonzert und auch die-ses auf Umwegen. Zuerst war eine Sonate für zwei Klavier geplant, dann doch ein Or-chesterwerk und schliesslich wurde ein Stück für Klavier und Orchester daraus, al-lerdings eines mit sinfonischen Ausmas-sen.

 

Bereits ein grosser Brocken

 

Vor dem Klavierkonzert in d-moll Opus 15 von Johannes Brahms erklang  eine Sinfo-nie des Vorbildes. Beethovens Zweite hat den Ruf, eher heiter und harmlos zu sein. Aber nur, wenn man sie mit der darauf fol-genden „Eroica“ oder der „Fünften“ oder der „Neunten“ vergleicht. Gegenüber allem was vorher an Sinfonien geschrieben wur-de, ist sie auch bereits ein grosser Brocken, nicht nur in der zeitlichen Ausdehnung, sondern durchaus auch im Inhalt.

 Beethoven rüttelt an der klassischen Form, erweitert  sie,  z.B. mit  einer  ausgedehnten

 

 Coda im letzten Satz. Aber auch im In-nenleben, in der Harmonik, in der Verarbei-ung der Themen und Motive geht Beet-hoven schon weiter und tiefer als seine Vorbilder, vor allem Haydn.

Thomas Rösner betonte die inhärente Dramatik der Sinfonie mit lebhaften Tempi und einer kontrastreichen Dynamik. Über-haupt sind Kontraste ein wesentliches Merkmal bereits des frühen Beethoven und das wurde auch in dieser Interpretation ausgeleuchtet. Es war eine erfreuliche, le-bendige und engagierte Wiedergabe, ge-legentlich gingen in den raschen Tempi Auftaktmotive etwas unter, oder beim ra-schen Wechsel von Forte und Piano wurde das Piano noch vom vorhergehenden Forte etwas zugedeckt. Aber im Ganzen zeigte sich das Orchester von seiner sehr guten Seite.

 

Folgerichtige Deutung

 

Das gilt auch für das Klavierkonzert von Brahms, das den zweiten Teil des Kon-zertes ausfüllte. Rudolf Buchbinder ging den ersten Satz nach der turbulenten Ein-leitung zwar lyrisch an, aber er verlor sich nie in Zärteleien. Das recht flüssige Tempo stand von Anfang an und wurde durchge-halten. Wo angebracht und richtig hielt er das Tempo zurück, fand jedoch immer zum Grundtempo, und damit erhielt der Satz auch  seine  Einheit  und  Geschlossenheit.

 Im zweiten Satz versenkte sich der Pianist in die Tiefe dieser reifen und ergreifenden Musik, entlockte dem bejahrten Flügel auch schöne gesangliche Klänge um den dritten Satz wiederum kraftvoll und zügig zu attackieren. Es war insgesamt eine inte-ressante, spannungsvolle, auch gegen-sätzliche, doch auch folgerichtige Deu-tung, der man aufmerksam und erfüllt zu-hörte.

 

Grosse Übereinstimmung

 

Und das Orchester mit Thomas Rösner am Pult hielt hervorragend mit. Das Zusam-menwirken zwischen Solist und Orchester erschien nahezu ideal. Der Solist hatte die wünschbare Freiheit, und die Auffas-sungen zwischen dem Pianisten und dem Dirigenten stimmten sehr gut überein. Klei-ne Patzer im Orchester erwiesen sich im Nachhinein als irrevelant, denn die positi-ven Eindrücke überwogen eindeutig und zeigten die Qualität dieses Klangkörpers. Die Holzbläser gaben einzeln und im Ver-bund ihr Bestes – Brahms verwendet immer wieder schon seit der frühen Serenade wunderschöne Bläsersätze, die er Mozarts Bläserserenaden abgeschaut hat. Das erste Horn absolut untadelig und tonschön in den Soli und den Dialogen mit dem Klavier, die tiefen Streicher grundierten den Klang vortrefflich. Es war eine begeisternde Auf-führung und das ganze Konzert viel ver-sprechend für die begonnene Saison.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

Gelungener Auftakt der Burgkonzerte

 

14. September 2008. Am Sonntagvormittag fand das erste der Burgkonzerte im Bieler Rathaussaal statt.

Musiker des Sinfonieorchesters Biel spielten Kammermusik von Beethoven und Brahms.

 

Daniel Andres

 

Für das erste der Burgkonzerte an denen das Sinfonieorchester, das Opernstudio, der Lyceumclub, das Theater Biel Solo-thurn und der Altstadtleist beteiligt sind, waren die Plätze im Rathaussaal fast aus-nahmslos besetzt. Ein erfreulicher Start für eine auf Kammermusik und Vokalmusik fokussierte Konzertreihe.

„Die Schritte des Riesen“ spürte Johannes Brahms wenn er an Beethovens Sinfonien dachte. So verschob er die Komposition seiner ersten Sinfonie mehrere Male hin-aus, bis er sich sicher fühlte, der Heraus-forderung gewachsen zu sein. Aber in der Kammermusik holte er sich schon früh das kompositorische Rüstzeug. Wenn man die beiden gespielten Werke vergleicht, ein Quartett aus dem Opus 18 von Beethoven und das Klavierquartett in g-moll Opus 25 von Brahms, fragt man sich, wer nun der Riese ist.

 

Ziseliert oder sinfonisch

 

Beethovens Streichquartett in D-Dur, Opus 18 Nr. 3, ist fein ziseliert und hat wenige kraftvolle Ausbrüche  des  späteren  Sinfo-

 

nikers. Es beginnt zart in der ersten Violine und endet verspielt. Das Klavierquartett des jungen Brahms hingegen ist von An-fang an auf mächtige Wirkung angelegt, ja eigentlich orchestral und sinfonisch im An-satz, wie auch eine gelungene Bearbeitung von Arnold Schönberg für grosses Or-chester beweist.

Die Streicher Daniel Kobyliansky und So-phie Laville Minder, Violinen, Renée Straub, Viola, und Matthias Walpen, Vio-loncello, gingen beide Werke adäquat an. Bei Beethoven durfte man das feine Linien-spiel der vier Instrumente verfolgen, ohne dass die Akzentuierung vernachlässigt wurde. Brahms verwendet schon im ersten Thema Verdopplungen der Streicher im Dialog zum vollgriffigen Klaviersatz.

 

Wärme ohne Überhitzung

 

Die vier Stimmführer der Streicher im Orchester scheinen sich gut zu  verstehen, auch wenn die neue Solo-Bratschistin Re-née Straub als Ersatz für den erkrankten Zoltan Toth erst kürzlich dazu gestossen ist. Jedenfalls war  das  Zusammenspiel  bei

 

 Beethoven klar, aber doch mit einer gewis-sen Wärme ein der Tongebung . Eine gute Mischung von feiner Zeichnung der Linien ohne abweisende Kühle einerseits oder zu-viel Expressivität andererseits. Etwas ge-dämpft wurde der Klang durch die leicht wattige Akustik des Saales, was vermutlich mit wenigen Massnahmen für die Zukunft verbessert werden könnte.

Im fülligen Klavierquartett des jungen und ungestümen Johannes Brahms fanden die Streicher zusammen mit dem Pianisten Marc Pantillon ebenfalls den richtigen Ton, auch ohne die in diesem Werk öfters ge-hörte Überhitzung des Ausdrucks. Aus-drucksvoll der erste und dritte Satz, dahingehuscht das als Intermezzo bezeich-nete Scherzo mit einem launischen Trio und schliesslich hinreissend temperament-voll das zigeunerisch inspirierte Finale. Ein sehr zufriedenes und beifallfreudiges Pub-likum begleitete den gelungenen Auftakt zu der Konzertreihe im Parlamentssaal, der so eigentlich problemlos multifunktionell genutzt werden kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

Ein musikalisch hörenswerter „Don Giovanni“

 

2. September 2008. Mozarts Dramma giocoso „Don Giovanni“ wurde am Dienstag im Theater Palace gegeben. Die Ausführenden waren Gäste aus dem Jura, die im Rahmen der Sommerkonzerte des Bieler Sinfonieorchesters auftraten.

 

Daniel Andres

 

Es war eine halb konzertante Aufführung von Mozarts berühmter Oper um den ruch-losen Frauenverführer Don Juan. Die Pro-duktion wurde in Moutier bereits sechs Mal szenisch aufgeführt und weitere Gastspiele in der Romandie werden folgen. Es war also keine eigentliche Premiere und sowohl Or-chester wie Sänger sind bereits eingespielt.

Halb konzertant bedeutet, dass in Kostü-men aufgetreten wird und die Handlung zu-mindest angedeutet wird, aber im „Palace“ verzichtete man auf ein eigentliches Büh-nenbild und spielte vor einer je nach Szene in unterschiedlicher Farbe ausgeleuchteten Wand.

Für die Inszenierung verantwortlich zeichnet Robert Bouvier, der als Theater- und Filmschauspieler, aber auch als Thea-ter- und Opernregisseur aufgetreten ist, selber mehrere Filme gestaltet hat und künstlerischer Leiter der „Compagnie du Passage“ in Neuenburg ist.

 

Keine Psychologisierung

 

 Wohl liess er sich ein bisschen von der „Giovanni“-Inszenierung von Peter Sellars aus den 80er-Jahren anregen. Dort ist Don Giovanni kein spanischer Edelmann, son-dern ein freakiger Punk, und auch bei Ro-bert Bouvier wird Büchsenbier getrunken und der Kaffee am Fest aus Thermos-flaschen serviert. Der Titelheld ist auch bei Bouvier  kein  Edler,  sondern  ein  Playboy

 

 mit Sonnenbrille, und die Donna Elvira er-scheint mindestens zu Beginn als blondes Dummchen, das sich naiv verführen liess wie eine teutonische Touristin an einem spa-nischen Strand.

Doch eigentlich bleiben alle Protagonisten in dieser Aufführung Typen und werden nicht weiter psychologisch im Detail ge-zeichnet. Das ist auch vertretbar, denn so-wohl Don Giovanni wie sein Diener Lepo-rello, die Donna Anna wie ihr Verlobter Don Ottavio, der Bauer Masetto wie seine Frau Zerlina sind Archetypen. Am leben-digsten noch das Paar Zerlina-Masetto, welches das gewöhnliche Volk verkörpert.

 

Leichtes und präzises Spiel

 

Musikalisch erreicht die Aufführung ein beachtliches Niveau. Das Orchestre Sym-phonique du Jura – mehrheitlich junge und sehr junge Musikerinnen und Musiker – erzielt unter Facundo Agudin eine gute Performance, zeichnet sich durch lebendig artikuliertes und engagiertes, aber gleich-zeitig leichtes und präzises Spiel aus. Der Dirigent wählt von Beginn an eher rasche Tempi, mehrere Male muss er sie im Verlauf etwas zurücknehmen, ob aus Rücksicht auf die Sänger oder vielleicht auch unbe-absichtigt bleibt offen. Insgesamt scheint die Tempowahl etwas zufällig intuitiv und nicht etwa wie bei Harnoncourt innerhalb der ganzen  Oper  aufeinander  abgestimmt.

 

Starke Stimmen

 

Von den Sängerinnen gefiel spontan Cris-tiana Presutti als Zerlina mit einer natürlich aber untadelig eingesetzten Stimme. Svet-lana Ignatovich erweist sich als stimmstar-ke und willensstarke Donna Elvira und Ma-rine Deinyan ist durchaus sicher in der Par-tie der Donna Anna, gelegentlich ein biss-chen schrill in der Höhe bei gleichzeitiger Kraftanwendung, aber auch ausdruckstark.

Von den Männern hinterliess auch Lisandro Abadie als Masetto einen gelösten Eindruck. Wie Cristiana Presutti hat er barocke Musik studiert und mit Barockspezialisten aufgeführt, was bei beiden an der klaren und leichten Stim-me zu erkennen ist. Don Giovanni war mit Ru-bén Amoretti stimmstark besetzt, der helle Ba-riton konnte Gefallen erwecken. Auch Lepo-rello war mit Alejandro Meerapfel insgesamt komödiantisch wie stimmlich in guten Händen und Andreas Scheidegger gab einen virilen und vokal soliden Ottavio. Und schliesslich füllte Miklos Sebestyen die Rolle des Komturs vor allem auch im zweiten Finale kraftvoll aus. Der kleine Chor zeichnete sich durch geformte Stimmen aus und erzielte gute Wirkung.

Insgesamt also eine durchaus hörenswerte Aufführung, auch wenn, auch bedingt durch szenische Einschränkungen, die Charakter-dar-stellung der einzelnen Rollen teilweise summa-risch blieb.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

 

 

Kultur statt Politik im Stadtratssaal

2. September 2008. Im Stadtratssaal von Biel gibt es ab kommender Saison eine neue Konzertreihe, die "Burgkonzerte". Fünf Institutionen haben ihre Kräfte gebündelt, um im städtischen Parlamentssaal die Kultur Einzug halten zu lassen.

 

Daniel Andres

 

Sonntags um elf finden jeweils die Anlässe statt, die vom Sinfonieorchester Biel, dem Theater Biel-Solothurn, dem Schweizer Opernstudio in Biel und dem Lyceum Club Biel durchgeführt werden. Zur Träger-schaft gehört auch der Altstadtleist, der mit diesen Konzerten eine zusätzliche Be-lebung der Bieler Altstadt erhofft.

Seit diesem Sommer zügelt das Schweizer Opernstudio in die bisher von der Stadt-polizei genutzen Räume in der Bieler "Burg", die ans Stadttheater angrenzen.  Rund hundert Studentinnen und Studen-ten werden mit etwa dreissig Dozenten in den drei aneinandergebauten Gebäuden arbeiten. Einer der Räume in den histori-schen Bauten ist der Stadtratssaal, wo mo-natlich ein bis zwei Mal das städtische Parlament tagt.

Nun werden an mindestens zwölf Sonnta-gen auch Kammermusikkonzerte, Matineen des Musiktheaters und Vorstellungen des Opernstudios stattfinden. Die Veranstalter haben sich auf ein gemeinsames Programm und eine gemeinsame Finanzierung geeint.

Das vorgestellte Programm umfasst sechs Kammermusikkonzerte mit Musiker des Sinfonieorchesters, die bisher jeweils Sonntags im Saal der Loge stattfanden. Das Theater Biel Solothurn steuert drei Matineen zu Opernproduktionen bei, sogenannte Gesprächskonzerte zum Beispiel über den Wahnsinn in der Oper anhand von Donizettis "Lucia di Lammermoor", oder den seriösen Rossini am Beispiel seiner Oper "Otello", und "La fête du Roi" als Vorbereitung auf Lullys Zauberoper "Amadis".

Der Lyceum Club wartet mit einem Gesangsprogramm "Le 8e jour" auf und das Schweizer Opernstudio mit einem Präsentationskonzert der Studierenden im Master of Arts in Specialized Musi Performance, Major Oper (einem Studien-gang für fortgeschrittene Opernsänger).

Schliesslich organisiert der neu gegründete Verein "Burgkonzerte" ein Gastkonzert mit dem Aria-Quartett und der Sopranistin Ur-sula Füri-Bernhard.

Theaterdirektor  Beat  Wyrsch  schliesst

nicht aus, in diesem Saal auch zeitgenössi-sches Musiktheater aufzuführen, das für die Guckkastenbühne des Stadttheaters weniger geeignet scheint.

Im Gebäudekomplex, der angrenzend an das Stadttheater das historische Amthaus (Baujahr 1857), das Rathaus (Baujahr 1533) und die "Kanzlei"  (Baujahr 1726) umfasst, waren seit je die städtische Verwaltung, zuletzt ausschliesslich die städtische Polizei untergebracht. Durch die Fusion der Stadtpolizei mit der Kantonspolizei werden diese Räume frei und ab kommendem Jahr ausschliesslich für kulturelle Zwecke genutzt.

Dadurch begegnet Biel auch einer noch vor Jahresfrist drohenden Verlegung des Schweizer Opernstudios (unter den Fittichen der Hochschule für Künste Bern, HKB) nach Bern. Zusätzlich werden das Rhythmikseminar und die Theaterschule in die Gebäude einziehen. Das Opernstudio ist seit je mit dem Theater verbunden, als AbsolventInnen in Produktionen der städtischen Bühne einbezogen werden.

 

 

.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

Nachwuchs auf dem Podium

Das sechste und letzte Sommerkonzert im Bieler Stadtpark wurde von Finalisten des Solistenwettbewerbs der Berner Musikhochschule bestritten.

 

Daniel Andres

 

So stieg der junge Dirigent Nathan Brock auf das Dirigierpodium und eröffnete das Programm mit einem Stück des Amerika-ners John Adams, „The Chairman Dances: Foxtrott for Orchestra“. John Adams ge-hört der Schule der Minimalisten oder der Repetitiven Musik an, hat seine Sprache im Laufe der Jahre weiter entwickelt und diffe-renziert. Das aufgeführte Werk trägt cha-rakteristische Züge der repetitiven Mu-ik vor allem in rhythmischer Hinsicht, wech-selt aber in verschiedenen Blöcken ständig die Orchesterfarben. In dieser Hinsicht konnte die Aufführung im Freien nicht ganz genügen, die Farbtupfer fielen zu stark auseinander als dass sie sich richtig zu Flächen hätten vermischen können.

 

Expressiv und tänzerisch

 

Im zweiten Werk trat die Violinistin Noémie Rufer hinzu und interpretierte das erste Violinkonzert von Béla Bartók. Das Werk eines Verliebten, das der junge Komponist für die noch jüngere Geigerin Steffi Geyer geschrieben hat, das aber erst 1958, ein halbes Jahrhundert nach der Entstehung zur Uraufführung gelangte. Ein wunder-schönes zweisätziges Werk, das m ersten, langsamen Satz Melodien entwickelt  und  im  zweiten Satz  tänzerisch wird, aber auch  manchmal greller in den Farben und ver-

zerrter in den Figuren.

Die Solistin und der Dirigent fanden sich zu einer erstaunlich geschlossenen Wie-dergabe. Sowohl die Melodielinien gerieten der Geigerin expressiv auch im Piano und im schnellen Satz konnten sie beachtliche Virtuosität in Doppelgriffen und Tempera-ment demonstrieren. Das Orchester folgte unter Nathan Brocks Leitung beweglich und durchaus auch subtil und klangschön.

 

Werk zwischen den Epochen

 

Für die Rhapsodie für Saxophon und Orchester von Claude Debussy trat ein neues Gespann in Aktion, der Saxophonist Jonas Tschanz und die Dirigentin Agata Masurkiewicz. Das Werk lag zehn Jahre, von 1901 bis 1910  auf dem Schreibtisch von Debussy und weist daher Züge des frühen, aber auch des reifen Komponisten, der schon die „Nocturnes“ für Orchester und „La Mer“ komponiert hat,  auf.

Wie die Jury, worunter Chefdirigent Tho-mas Rösner, die Leistungen beurteilte, ist nicht bekannt und hier auch nicht relevant, aber auch hier konnte man sehr anspre-chende Leistungen von Solist und Dirigen-tin konstatieren. Der Saxophonist eigent-lich untadelig und mit schönem  Ton,   Diri-gentin   und  Orchester  präzis aber auch feinfühlig begleitend.

 

Selbstsicherer junger Dirigent

 

Zum Schluss trat noch einmal Nathan

Brock ans Dirigentenpult und führte das aufmerksam mitgehende Orchester durch die Variationen, welche Johannes Brahms über den St.Antoni-Choral aus einem Blä-serdivertimento von Joseph Haydn kom-poniert hat. Wenn man ganz zu Beginn  bei John  Adams noch eine gewisse Unsicher-heit beim jungen Dirigenten zu spüren glaubte, so war dieser Eindruck hier ver-schwunden. Mehr als bloss Verwirklichung des Notentextes hatte man den Eindruck, der junge Musiker nutze auch Möglichkei-ten der Gestaltung. Die Variationen haben jede ein anderes Tempo, das immer fast ideal getroffen wurde. Eine andere Schwie-rigkeit sind die für Brahms typischen Über-lagerungen von Zweier- und Dreierrhyth-men. Aber der aufmerksame Hörer erhielt das Gefühl, dass der Dirigent die Partitur im Kopf hat und das technische Dirigier-handwerk beherrscht. Und dank einem gu-ten Mitgehen des Orchesters  geriet die Aufführung durchaus zu einem Hörver-gnügen und hatte ein ansehnliches Ni-veau. Vor allem schien uns die Klangbal-ance zwischen Streichern und den Bläsern, die eine wichtige Rolle spielen, sehr gut ge-lungen. Der Beifall jedenfalls war für alle Beteiligten wohlverdient.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Journal"

 

Allegria musicale

 

Doppelkonzerte und Fugen von Bach

 

24. August 2008. Mit den Cembalisten Helene Ringgenberg und Martin Ennis führte das Barock-Ensemble

"Allegria musicale" in Bern und Biel zwei Konzerte für zwei Cembali von Johann Sebastian Bach auf.

 

Daniel Andres

 

Mit der Besetzung ein, zwei, drei und vier Cembali und Streichern hat Bach ausgiebig experimentiert. Meist nahm er bestehende Kompositionen aus früheren Jahren (Blä-ser- oder Violinkonzerte) als Vorlage und arbeitete sie für ein oder mehrere Cembali um. Zur Aufführung gelangten sie in Zim-mermanns Kaffeehaus in Leipzig, wo die Söhne und Schüler unter Leitung des Meisters als Solisten auftreten konnten. Kaum eines der Cembalokonzerte wurde original für dieses Instrument konzipiert, von den drei Konzerten für zwei Cembali ist am ehesten dasjenige in C-Dur von Anfang an für die Tasteninstrumente geschrieben worden, die anderen beiden in c-moll geh-en auf ein (rekonstruiertes) Doppelkonzert für Violine und Oboe beziehungsweise auf das bekannte Doppelkonzert für zwei Vio-linen zurück.

Das auf barocken Streichinstrumenten mu-sizierende Ensemble "Allegria musicale" eröffnete (im Gegensatz zum gedruckten Programm) mit dem Konzert in c-moll BWV 1060, das auch in der Fassung für Violine und Oboe inzwischen wieder oft gespielt wird. Dieses Konzert folgt recht genau der von Vivaldi übernommenen Konzertform mit Tutti-Ritornellen und Soloepisoden. Der langsame Satz ist besonders reizvoll durch die Pizzicato-Begleitung der Strei-cher, wodurch die Melodie-Linien der bei-den Cembali besser hörbar sind.

Die zwei verwendeten Instrumente sind im Klangcharakter deutlich unterscheidbar, das eine etwas heller und obertonreicher als das andere, was die Verfolgbarkeit der sich imitierenden Instrumente für das Ohr einfacher machte. Zusammen mit den Streichinstrumenten, die nicht nur baulich barocken Vorbildern folgten, sondern auch die Einsichten der barocken Aufführungs-praxis befolgten, kam eine sehr schöne Wiedergabe zustande, nicht bloss aufführ-ungstechnisch richtig, sondern auch mu-sikantisch umgesetzt.

Im Konzert in C-Dur BWV 1061 haben die Streicher eine so untergeordnete Rolle, dass man sie im Prinzip auch gleich weg-lassen könnte, was hin und wieder auch geschieht. Im ersten Satz stützen sie auch in den Tutti die Solisten mit spärlichen Ak-korden, im zweiten Satz fallen sie ganz weg und im dritten Satz, einer Fuge, setzen sie erst in der zweiten Hälfte mit der Ver-doppelung des Fugenthemas ein. Umso mehr kommen die Solopartien zur Geltung. Auch hier konnte man dem Spiel der So-listen mit Vergnügen folgen, sie entwick-elten ein bemerkenswertes Zusammenspiel, fügten da und dort mit sicherem Ge-schmack zusätzliche Verzierungen ein und waren insgesamt ein gut harmonisierendes Duo.

Die Streicher in diesem Stück etwas unter-

beschäftigt, aber mit der Konzertmeisterin Isabel Schau zuverlässig.

Sie und Melanie Kind, zweite Violine, Max Flückiger, Barockviola, und Beatrice Wenger. Barockcello, spielten zwischen den beiden Konzerten vier Fugen aus "Die Kunst der Fuge" BWV 1080 von Bach. Die Fugen schön symmetrisch angeordnet.        Zuerst eine einfache Fuge über das Thema in der Urgestalt, anschliessend eine Fuge über die Umkehrung des Themas. Dann eine Fuge über das variierte Thema und dessen Umkehrung für zwei Cembali und schliesslich "rückwärts" eine Fuge über die Umkehrung und noch eine Fuge über die Urgestalt.

In diesen rein polyphonen Stücken traten ein paar Intonationsprobleme und kleine Schwierigkeiten in der zeitlichen Koordina-tion zutage. Aber insgesamt zeugten auch diese Darbietungen vom hohen Stand der instrumentalen und stilistischen Ausein-andersetzung der Musiker mit der Musik des Leipziger Thomaskantors, der in  den Werken dieses Programms keinen gottes-dienstlichen Pflichten nachkam, sondern  einerseits der Freude am Konzertieren huldigte, andererseits im Spätwerk der "Kunst der Fuge" ein Kompendium der kontrapunktischen Techniken, sozusagen als Lehrwerk, schuf, das aber auch beim blossen Anhören Vergnügen bereitet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Kritiken"

 

 

"London Baroque" in der Bieler Stadtkirche

 

Meisterliche Darbietungen

 

19. August 2008. Solokantaten für Alt von Johann Sebastian Bach erklangen am Dienstag in der Bieler Stadtkirche. Zu Gast war das Ensemble „London Baroque" mit der Altistin Anne Schmid.

 

Daniel Andres

 

Johann Sebastian Bach hat um die zwanzig Kantaten für eine Solostimme geschrieben. Entweder hat er die Chorknaben des Tho-manerchors jeweils für andere Aufgaben gebraucht (er war ja für die sonntägliche Musik in mehreren Kirchen Leipzigs zu-ständig) oder er hat in den Jahren 1726 und 1727 als die meisten Solokantaten entstan-den, ausgerechnet hervorragende Solisten zur Verfügung gehabt. Wobei ja auch die Alt- und Sopranstimmen damals in Leipzig von Knaben gesungen wurden.

Harmonische Kühnheiten

Bei den Kantaten für Altstimme fällt zudem auf, dass die Orgel jeweils eine zentrale Rolle spielt. Bei den Nummern 169 und 170 sind es Eingangssinfonien mit konzer-tanten Soli für die Orgel, eigentliche Kon-zertsätze, die Bach meist früheren Instru-mentalkonzerten für Violine oder Oboe ent-nommen hat.

Die Altistin Anne Schmid absolvierte eine Tournee mit zwei der Solokantaten von Bach, deren zweitletzter Auftritt sie mit dem Ensemble London Baroque in die Bieler Stadtkirche führte.

 

Mit der Kantate Nummer 170 „Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust" für Alt, Oboe d’amore, Streicher und Basso continuo wurde der Abend eröffnet. Es ist unmög-lich zu sagen, welche der Bachkantaten, insbesondere der Solokantaten die genia-lere ist, meist ist es gerade diejenige die man hört. Jedenfalls ist dieses Werk trotz des schwülstigen Textes voll von Schön-heiten, harmonischen und melodischen Kühnheiten. Schon nur die chromatische Motivik der Orgel in der Arie „Wie jammern mich doch die verkehrten Herzen" ist ein Geniestreich. Und die Kombination von Altsolo mit den Linien der Oboe d’amore in der ersten und dritten Arie, wobei Bach in der Stimmung ganz auf den Text eingeht, ist von überwältigender Schönheit.

Weichzeichnung

Ähnliches ist von der Kantate Nummer 35 „Geist und Seele sind verwirret" zu sagen mit den beiden konzertanten Sinfonien als Eingang zum ersten und zweiten Teil. Mar-kus Hünninger spielte diese für „organo obligato" geschriebenen Sätze auf dem Cembalo, was nicht ganz einsichtig war, denn auf der Orgel zeichnen die konzertan-

 

ten Linien eindeutig besser. Und da hakt vielleicht auch der einzige kleine Kritik-punkt ein: Insgesamt war die Interpretation auf historischen Instrumenten zusammen mit der Altstimme nicht auf Klarheit ausgerichtet, sondern etliches klang in der Kirchenakustik eher verschwommen und weich. Die Altstimme war daher auch eher in den Instrumentalklang eingebettet und die Textverständlichkeit nicht optimal.

Hoher Genuss

Auch beim rekonstruierten Konzert für Oboe d’amore und Streicher, das man sonst in der Fassung als Cembalokonzert kennt, wirkte das von Katharina Suske gespielte Soloinstrument sehr weich. Aber doch waren die Darbietungen der Solisten wie der Ensemblespielerinnen von hervor-ragender Qualität und boten den recht zahlreichen Zuhörern im Kirchenschiff ei-nen hohen Genuss. Die meisterlichen Wer-ke wurden auf barocken Instrumenten auch meisterlich ausgeführt und der Beifall war entsprechend lang anhaltend.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Kritiken"

 

 

Sommerkonzert im Stadtpark

 

Gut vorbereitete Hauptprobe

 

13. August 2008. Vor wiederum zahlreicher Zuhörerschaft spielte das Sinfonieorchester Biel unter Thomas Rösner am Mittwoch im Stadtpark das für morgen Samstag in Ossiach (Österreich) vorgesehene Programm.

 

Daniel Andres

 

Thomas Rösner dirigiert das Sinfonie Orchester Biel  (Foto Daniel Andres)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bevor das Orchester an den „Carinthischen Sommer" ins österreichische Ossiach reist, spielte es den grössten Teil des vorgeseh-enen Programms im Bieler Stadtpark. Eine Art Hauptprobe also, aber man hörte, dass die Werke sorgfältig vorbereitet worden sind. Zudem spielte das Orchester in seiner Stammformation, also ohne die Praktikan-ten. Man will sich am Festival Ossiach-Vill-ach in bestmöglicher Form mit den Stamm-spielern vorstellen.

In Biel spielte man Beethoven und Schubert, in Österreich wird noch ein Werk des einstigen Bieler Chefdirigenten Jost Meier hinzu kommen.

Orchester statt Klavier

Zum Auftakt erklang die „Coriolan"-Ouver-türe op. 62 von Ludwig van Beethoven. Sie entstand nicht für Shakespeares Tragödie, sondern für ein Bühnenstück von Heinrich Joseph von Collin und endet nicht wie die „Egmont"-Ouvertüre in Siegesfreude und Freiheitstaumel sondern im tragischen c-moll und mit Pizzicatoklängen im Piano. Eine schöne Darbietung von Dirigent und Orchester.

Die Sopranistin Sandra Trattnigg vom Opernhaus Zürich sang in zwei Gruppen acht Lieder von Franz Schubert, deren Kla-vierbegleitung von Max Reger für

Orchester bearbeitet worden ist. Auch andere Komponisten wie Johannes Brahms oder Franz Liszt haben solche Bearbeitun-gen vorgenommen, die sich in letzter Zeit steigender Beliebtheit erfreuen. „Du bist die Ruh", „Im Abendrot" sind beliebte Melodien von Schubert, wie die fast noch bekannteren Gesänge „Gretchen am Spinn-rad", „Der Tod und das Mädchen" oder „Erlkönig" und das vielleicht berühmteste, das „Ave Maria" von Schubert, das eigent-lich mit dem christlichen „Ave-Maria"-Ge-bet nichts zu tun hat, sondern einem epi-schen Gedicht des Schotten Walter Scott entstammt.

Sowohl die Sängerin, die im Verlauf des Abends zunehmend an Ausstrahlung ge-wann, wie auch das Orchester waren den Liedern, die noch mit „An Silvia" als Zu-gabe ergänzt wurde, gute Vermittler. Die Sopranistin liess sich durch die fehlende Akustik trotz anfänglicher Unsicherheit nicht zu forciertem Ton verleiten und kam immer besser mit den Umständen zurecht. So wurde vor allem die zweite Werkgruppe zu einem ungetrübten Genuss und die fein-sinnige Orchestration trug farblich zum emotionalen Verständnis der Lieder durchaus bei.

Gelöstes Musizieren

Zwischen den Liedgruppen spielte der

junge polnische Violinist Piotr Jasiukowski das Rondo in A-Dur von Schubert. Ein Ju-gendwerk, aber was heisst bei Schubert schon Jugendwerk, er hat gerade im Lied-bereich mit sechzehn Jahren bereits Meis-terwerke geschaffen, bei den frühen Sin-fonien und bei diesem Rondo greift er aber noch stark auf das Vorbild Mozart zurück. Das Werk ist heikel zu spielen, aber der junge Geiger überzeugte mit einem akkurat sauberen Spiel in den Passagen und gefiel mit einem schlanken und ebenfalls unfor-cierten Ton und einem gelösten Musi-zieren. Die Streicher des Orchesters und Thomas Rösner waren ihm sichere Partner.

Beethovens achte Sinfonie ist sicher eines der heitersten Werke des Wiener Klassi-kers und wirkt stellenweise wie eine witzige Parodie auf die Sinfonien von Haydn. Sogar das Cellosolo im dritten Satz ist eine Anspielung auf eine in den frühen Sin-fonien der Vorklassik gängige Praxis. Tho-mas Rösner wählte frische Tempi, wobei der letzte Satz sogar noch einen kleinen Zacken mehr vertrüge. Die Bläser treten bei der kleinen Streicherbesetzung gut in Erscheinung, deckten aber gelegentlich wichtige Streichermotive zu. Und wenn ein paar kleine Präzisionsmängel noch aus-gemerzt werden, so wird die Sinfonie wie auch die anderen Werke zu einer guten Visitenkarte für die Bieler am Festival in Kärnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Kritiken"

 

 

1. Sommerkonzert des Sinfonie Orchesters Biel

 

Russische Walpurgisnacht im Park

 

2. August 2008. Ein paar Tröpfchen Regen konnten das erste Sommerkonzert des Bieler Sinfonieorchesters im Stadtpark nicht stören. Ein zahlreiches Publikum lauschte russischen und modernen Klängen.

 

Daniel Andres

 

"Lieutnant Kijé" ist eine von Sergej Pro-kofieff (1891–1953) 1933 geschriebene Film-musik zu einer satirischen Novelle von Yu-ry Tynianov (1894–1943), die 1927 ent-stand. In der Handlung geht es um die aus-ufernde Bürokratie unter Zar Paul I.

Der Film ist in Vergessenheit geraten, aber Prokofieff schuf aus der Musik eine Suite, die in zwei Varianten existiert. Einmal mit ei-ner Baritonstimme und die andere für Saxo-phon, die auch als Musik für das gleich-namige Ballett dient.

Orchesterpraktikum

Diese Suite mit Saxophon-Solo dirigierte Thomas Rösner zur Eröffnung des ersten Sommerkonzerts im Stadtpark, wo sich schätzungsweise gut dreihundert Musik-freunde am Samstagabend eingefunden hatten.

Es ist immer auch die erste Begegnung mit einem Orchester in welchem neu junge Absolventen eines Orchesterpraktikums Platz genommen haben. Man darf daher nicht auf Anhieb einen geschlossenen Or-chesterklang erwarten, auch weil die Akus-tik im Pavillon des Parks nicht so vorteil-haft sein kann wie in einem geschlossenen Saal. Man erfreute sich denn vor allem her-vorragend gespielter Soli, begonnen bei

 

der Trompete (Elisabeth Nouaille-Degorce), welche teils aus der Ferne, teils von nah im Orchester eine „tragende Rolle" spielt. Das Saxophon klang ebenfalls rund und sonor, Flöte, Klarinette, Horn und Tuba, aber auch Violine und Cello lieferten weitere schöne Beiträge.

Zwiespältige Novität

Ist die köstliche Suite von Prokofieff eher selten im Konzertsaal anzutreffen, so wur-de mit dem Konzert für E-Gitarre und Or-chester „Electric Tales" von Michael Erni mit dem Komponisten als Solisten eine Novität vorgestellt. Dabei blieben etwas zwiespältige Eindrücke. Der erfolgreiche Klassikgitarrist komponiert auch erfolg-reich für sein Instrument. In diesem Kon-zert mischen sich rockige, verzerrte Klänge und schnelle Riffs mit eher süsslichen Me-lodien im Orchester, die einer Western-Filmmusik gut anstünden. Was insgesamt den Zweispalt beim kritischen Zuhörer weckt. Mehr Rock einerseits oder mehr mo-derne Klassik andererseits wäre vielleicht die bessere Entscheidung gewesen. Das dreiteilige Stück wurde von Solist und Orchester gut dargeboten und vom Pub-likum mehr oder weniger beifällig aufge-nommen.

Hexensabbat

Zum Schluss dann noch mal sehr Russisches mit der Orchesterfantasie „Eine Nacht auf dem kahlen Berge" von Modest Petrovich Mussorgsky. Ein Werk, das spä-testens mit dem Disney-Film „Fantasia" zu Popularität gelangte. Es ist ein von rus-sischen Legenden inspirierter musikali-scher Hexensabbat, eine orchestral farbige

Walpurgisnacht mit für Mussorgsky cha-rakteristischen Klangblöcken und repetier-ten Melodien. Vielleicht war es auch hier die Akustik, welche die bildhafte Vor-stellung des wilden Hexentreibens etwas beeinträchtigte, das Grauen des Gesche-hens auf dem Hexenberg übertrug sich nur teilweise auf den Hörer. Am Schönsten und Stimmungsvollsten klang der zarte Schlussteil,. Aber auch ohne Sträuben der Nackenhaare oder dass es einem kalt den Rücken runterlief, nahm man recht präzise und abgestimmte Interventi-onen des Blechs auf und konstatierte ins-gesamt eine Orchesterleistung, die einen für die noch kommenden Sommerkonzerte dieser Formation Gutes erwarten lässt. Das Publikum erklatschte sich jedenfalls, was bei den Sommerkonzerten Tradition hat, eine Zugabe mit der Wiederholung von „Kijés Hochzeit" aus der Suite von Proko-fieff.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Kritiken"

 

 

 

Suchen nach:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

zurück zu "Kritiken"

 

 

Hit Counter


Copyright C 1999 by Daniel Andres, CH_Biel
Für Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte an: d.p.andres@bluewin.ch
Letzte Aktualisierung: 08. März 2016 .