Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic
Das Swiss-Classic-Journal
Zermatt
2014
7. September 2014
2013
8. September 2013 Musikalische Gipfel unter Berggipfeln
2012
11. September 2012 Reisen zwischen Ost und West
2. September 2012 Geistliches und Gegensätzliches zum Festivalbeginn
2011
4. September 2011 Geistlicher Auftakt zum Alpen-Festival
2010
9. September 2010 Geografisch und künstlerisch auf höchstem Niveau
2009
15. September 2009 Farben und Bilder im Raum (Matthias Pintscher im Gespräch)
21. September 2008. Junge Instrumentalisten und Neue Musik
7. September 2008. Hochkarätige Musik am Fuss des Matterhorns
Zermatt Festival 2014
Hochkultur in den Hochalpen
Till Fellner im Rezital
Zermatt hat sein zehn Jahren auch sein alpines Musikfestival und beruft sich dabei gern auf Pablo Casals, den legendären spanischen Meistercellisten, der in den Fünfzigerjahren in der Abgeschiedenheit der Bergwelt Kurse und Konzerte gab.
Am letzten Freitag wurde die neuste Ausgabe mit einem Konzert der Jungen Deutschen Philharmonie in der Zermatter Dorfkirche eröffnet. Auch der jetzige Kern des Festivals dreht sich um Kurse, wobei die Teilnehmer, welche von Mitgliedern der Berliner Philharmoniker unterrichtet werden, ein eigenes Kammerorchester bilden. So war es sinnig, für das Eröffnungskonzert auch ein Nachwuchsorchester einzuladen. Die Junge Deutsche Philharmonie besteht seit vierzig Jahren und bietet jungen Musikern bis zum Alter von 29 Jahren die Möglichkeit, Orchestererfahrung zu sammeln.
Klassiker und "Davidsbündler"
Unter der Leitung des Altmeisters Sir Neville Marriner bot das Orchester ein betont klassizistisches Programm an, das mit Serge Prokofieffs "Klassischer Sinfonie" begann, sich mit der an Haydn anknüpfenden "Sinfonia concertante" für Oboe, Fagott, Violine, Cello und Orchester von Bohuslav Martinu fortsetzte, nach der Pause eine Hommage an Mozart "Moz'Art à la Haydn" von Alfred Schnittke brachte und mit der Sinfonie Nr. 103 "mit dem Paukenwirbel" von Josef Haydn schloss. Das Orchester bot dabei eine schöne Leistung mit viel musikalischem Engagement und reifen Beiträgen der Solisten aus dem Orchester, wobei der alte Haydn noch am ehesten (für Kenner nicht ganz unerwartet) Klippen in den Weg stellte.
Am Samstag lernte man den österreichischen Pianisten Till Fellner, 1993 erhielt er den ersten Preis des Clara-Haskil-Wettbewerbs, in einem interessanten Programm kennen. Nach einem Rondo von Mozart, vier Präludien und Fugen aus dem "Wohltemperierten Klavier Teil II" von Bach und einer Sonate von Haydn überzeugte er nach der Pause mit den "Davidsbündlertänzen" von Robert Schumann. In den Tempi recht geradlinig ohne allzu viele Rubati traf er die mal leidenschaftlichen, mal trotzigen, mal humorigen und mal sehnsüchtigen Stimmungen der achtzehn Klavierstücke auf eindrückliche Weise.
Liebe und Tod
Am Sonntagmorgen in der Riffelalpkapelle eine recht mutige Programmwahl, die etwas weniger Zuhörer anlockte als auch schon, mit achtzehn Mörike-Liedern von Hugo Wolf. Der Bariton Stephan Genz , sekundiert am Klavier von Michel Dalberto, vermochte die Anwesenden mit Gesängen in den Bann zu ziehen, die auch die unterschiedlichsten Stimmungen durchlaufen von Verliebtheit, Todesahnungen bis zu witzigen Beiträgen.
Zermatt Festival 2013
Konzert mit dem Scharoun-Ensemble in der Kapelle Riffelalp. Dvořak, Quintett op. 77
Von musikalischen Gipfeln und Berggipfeln
In Zermatt läuft zum neunten Mal ein Musikfestival mit dem Scharoun-Ensemble aus Berlin und Studierenden der Festival-Akademie. Konzerte am letzten Wochenende zeigten das hohe musikalisIche Niveau, welches hier erreicht wird. Die Initiative zum Festival kam eigentlich von den Musikern aus Berlin, welche daran anknüpften, dass bereits Pablo Casals in den Fünfziger-Jahren am Fusse des Matterhorns mit Musikerfreunden Konzerte gab. Für den Touristenort, an welchem man Bergsteiger und Wanderer, Tagesausflügler neben Gästen aus Fernost antrifft, welche mit dem Glacier-Express ankommen und auf den Gornergrat weiterfahren, spielt das Musikfestival wohl eine eher geringe Rolle um sich neue Gästekategorien zu erschliessen. Neben der Lust, an einem schönen Ort schöne Musik zu spielen, spielt wie fast an jedem Alpenfestival die Nachwuchsförderung eine starke Rolle. „Man ist hier sozusagen eingeschlossen zwischen hohen Bergen und muss sich auf die musikalische Arbeit konzentrieren“ ist die Meinung der Direktorin Giovanna Panese. Und so unterrichten während zwei Wochen hindurch die Musiker des Scharoun-Ensembles, alle Mitglieder der Berliner Philharmoniker, drei Dutzend junge Musiker aus elf Ländern in Kammermusik und bilden mit ihnen zusammen ein Orchester. Auf Schönheit ausgerichtet Am Freitag in der Dorfkirche Kammermusik in Serenadenstimmung, ein Bläseroktett von Beethoven, ein Konzert für Flöte, Oboe und Orchester von Antonio Salieri und die Serenade in A-Dur von Johannes Brahms in einer Bearbeitung für Nonett. Harmonie auf hoher Ebene. Am Samstag, nach einer ziemlich beschwerlichen Bergwanderung aufs Ober-Rothorn (um eine seltene Pflanze, die weltweit nur hier gedeiht, zu suchen) ein Orchesterkonzert, wobei das Orchester im Violinkonzert von Beethoven auch ohne Dirigent eine sehr respektable Leistung erbringt. Die Begeisterung galt hier dem Solisten Guy Braunstein, einem Konzertmeister der Berliner, welcher Beethovens Konzert eher ruhig und „romantisch“ mit beinahe überschwenglichem Geigenklang anging, aber mit seiner wundervollen Musikalität die Zuhörer in Bann zog. Er dirigierte anschliessend die „Schottische“ Sinfonie von Felix Mendelssohn und auch hier ging die Faszination vom Impetus des Dirigenten und der spannungsvollen Energie des mehrheitlich jugendlichen Orchesters bei einem eher fülligen Orchesterklang aus. Schliesslich am Sonntagmorgen Kammermusik in der Riffelalp-Kapelle auf 2200 Metern über Meer mit Werken von Benjamin Britten, Antonin Dvořak und Louise Farrenc. Das Quintett op. 77 von Dvořak in einer beinahe Vollkommenheit, dass man zum Augenblicke sagte: Verweile doch! du bist so schön! Das Programm ist dieses Jahr auf Klassik und Romantik ausgerichtet. Im Gegensatz zu früheren Jahren gibt es keinen Composer in Residence, welcher vielleicht für etwas Verstörung hätte sorgen können. Vielleicht wird das zum zehnten Jahr, für welches die die Direktorin Giovanna Panese einige Überraschungen versprach, auch wieder anders. Jedenfalls ist die Qualität des Gebotenen so hoch, dass Zermatt neben den Berggipfeln auch für die Gipfel der klassischen Musik (dazu auch einige Jazzkonzerte) eine Reise wert ist.
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Zermatt Festival 2012
Reisen zwischen Ost und West (Daniel Schnyder, Composer in Residence)
Geistliches und Gegensätzliches zum Festivalbeginn
Reisen zwischen Ost und West
Daniel Schnyder, als Komponist und Interpret ein Grenzgänger zwischen Stilen und Idiomen, war
Composer in Residence am Zermatt Musikfestival, das am kommenden Wochenende zu Ende geht.
Daniel Andres
Daniel Schnyder in concert (Foto Daniel Andres)
Seit Beginn vor acht Jahren pflegt das Zermatt Festival einen Komponisten einzuladen, der in einer gewissen Breite sich und sein Werk vorstellen kann. Dieses Jahr war es Daniel Schnyder, Komponist, Saxophonist und Flötist, der in seiner Musik verschiedenste Richtungen integriert. „Integration, die Verbindung zwischen klassischer Mu-sik und Jazz im weitesten Sinne, eine Verbindung europäischer Musik mit aussereuropäischen Musikwelten“, das ist seine Wortwahl, denn die Bezeich-nung Crossover scheint ihm zu ober-flächlich. In Zermatt spielte er in drei Konzerten zusammen mit dem Scharoun-En-semble aus Berlin, dem brillanten Po-saunisten Stefan Schulze und dem Perkussionisten Bachar Khalifé eigene Werke. Am Freitag war es die Suite „Traveling East“, am Samstag eine Welturaufführung „Der Bergmensch“ für Oktett, dazu das „Songbook“ für Saxo-phon und Orchester und am Sonntag in der Riffelalp-Kapelle auf 2222 m.ü.M. eine Reihe kleinerer Werke.
Naturtöne und lüpfige Klänge
„Der Bergmensch“ wurde für die acht Mu-siker des Scharoun Ensembles – alle hochkarätige Mitglieder der Berliner Philharmoniker - geschrieben. In drei Sätzen erklingen Töne, auch Naturtöne, Obertöne, welche auf raffinierte und
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sehr gekonnte Art Volksmusik der Schweizer Berge assoziieren, Alphorn-klänge, Jodel, aber auch die lüpfigen Klänge einer Ländlerkapelle und ein kleines Drama am Schluss, „Ötzis Tod“ überschrieben. Das „Songbook“ benützt jazzinspirierte Klänge eher melodiöser oder balladenhafter Art. In anderen Stücken für Saxophon und Streichquar-tett kann es auch ruppiger zugehen. Und gekonnt fügt Daniel Schnyder auch orientalische Klänge ein. Er ist selbst ein hervorragender und erfolgreicher Jazz-Musiker der mit eigenen Forma-tionen weltweit auftritt, dazu werden seine klassischen Werke von grossen Or-chestern aufgeführt und er wurde mehrmals mit Preisen ausgezeichnet. Für Biel und den Trompeter Jörg Schneider schrieb er vor einigen Jahren ein Trompetenkonzert, das inzwischen mit dem Solisten Reinhold Friedrich auf CD erschienen ist.
Spezielle Instrumente
„Ich habe sehr oft auch mit Musikern aussereuropäischer Kulturen zusam-men gespielt und mich mit speziellen Instrumenten und Spieltechniken ver-traut gemacht“ erzählt er und spielt auf dem Sopran-Saxophon eine Passage, in der das E tiefer als in der europäi-schen Musik klingt, wofür er eine Klap-pe extra verändert hat. Besonderen Spass habe ihm auch die Zusammen-
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arbeit mit dem Scharoun-Ensemble gemacht, die alle seine Stücke „und sie sind teilweise sehr schwierig und sehr rasch“ in kürzester Zeit einstudierten. Das Scharoun Ensemble bewies seine hervorragenden Qualitäten auch in klassischen Stücken, letzten Samstag im himmlischen Oktett von Franz Schu-bert. „Wir haben das Werk sicher zwei-hundert Mal gespielt und es macht immer noch Spass“, sagte der Hornist Stefan de Leval Jezierski, und den Spielern war der Spass bei der wunder-schönen Interpretation wohl anzusehen.
Studierende aus aller Welt
Am ersten Wochenende bekam man mit dem Estnischen Kammerchor rus-sische geistliche Musik, darunter die Vesper op. 37 von Sergei Rachmaninov, in exzellenter Weise zu hören. Dazu zwei recht gegensätzliche Klavierrezi-tals mit der draufgängerischen noch sehr jungen chinesisch-schweizeri-schen Pianisten Melodie Zhao und dem mit seiner schon fast abgeklärten Reife überzeugenden Schweizer Cedric Pes-cia. Das Festival findet seinen Ab-schluss nächstes Wochenende, unter anderem mit Teilnehmern der Zermatt Festival Academy, an welcher über dreissig ausgewählte junge Musiker aus aller Welt unter der Führung des Scharoun Ensembles Kammermusik und Orchesterwerke studieren. |
Geistliches und Gegensätzliches zum Festivalbeginn
Ein Chor, eine Pianistin und ein Pianist mit unterschiedlichen Auffassungen am ersten Wochenende des
Zermatt-Festivals
Daniel Andres
Es wird zur Tradition, das Zermatt
Festival mit einem Chorkonzert zu eröffnen. So gastierte am Freitag des
ersten Festival-Wochenendes der Estnische Kammerchor, geleitet vom
Niederländer Daniel Reuss, mit geist-lichen Werken russischer Komponis-ten. Von Arvo Pärt und Alfred Schnittke wurden kleinere Werke
aufgeführt, das Hauptwerk des Abends war die grosse Vesper op. 37 von
Sergej Rachmani-nov. Der Chor bestach durch die abso-lute Reinheit
vor allem der Frauenstim-men, und die offenbare Vertrautheit mit dem
musikalischen Idiom der russisch-orthodoxen Kirche. Die Werke Pärts und
Schnittkes sind leicht zugänglich und die Vesper Rachmaninovs gehört zu
den Meisterwerken der Chormusik im 20.Jahr hundert und war in dieser
Aufführung ein genussvolles und gehalt-reiches Erlebnis. Jung und ungestüm Der zweite Abend gehörte der chine-sisch-schweizerischen Pianistin Mé-lodie Zhao aus Genf. In einem zweige-teilten Programm mit zwei Sonaten von Beethoven, der "Pathétique" op. 13 und der "Waldstein" op. 53, sowie zwei Werken von Franz Liszt, dem "Mephis-to-Walzer" und der h-moll-Sonate, konnte die knapp über 20-Jährige ihre stupende Virtuosität zur Schau stellen. Sie neigt zu sehr schnellen Tempi und dabei geht gelegentlich etwas vom |
musikalischen Gehalt verloren. Aller-dings kompensiert sie die rasenden Passagen durch gedehnte Tempi in den langsamen Sätzen oder der langsamen Einleitung der "Pathétique". Der Klavierklang bei Beethoven ist mas-sig und vom Pedal macht sie reichlich Gebrauch, auch an Stellen wo Beetho-ven nicht ausdrücklich den Pedalein-satz vorgesehen hat. Sie unterdrückt konsequent die Wiederholungen der Exposition, und die motivische Verar-beitung dürfte noch bewusster gestaltet werden. Erfreulicher die Liszt-Darbietungen, ob-wohl der Mephisto-Walzer durch die zur Schau gestellte Virtuosität an Hinter-gründigkeit und Dämonie verliert. In der Sonate bewunderte man sicher die Treffsicherheit und durchaus auch die Klarheit etwa im Fugato, in welchem man trotz forciertem Tempo jede Note verfolgen konnte. In den lyrischen Passagen gefällt die Pianistin durch Gesanglichkeit und nüancierten An-schlag.
Ein Philosoph am Klavier
Ganz anders der Ansatz den Cédric Pescia am Sonntagmorgen in der Riffelalp-Kapelle wählte. Auch er bestritt den ersten Programmteil mit zwei So-naten von Ludwig van Beethoven, der "Sturm"-Sonate op. 31,2 und der "Pas-torale" op. 28. Der ebenfalls noch junge |
Westschweizer Pianist zeigte in diesen Werken
aber eine beachtliche Reife. Die beiden Rezitals
hätten in dieser Hinsicht nicht gegensätzlicher sein können. Pescia, das
bezeugten auch seine einführenden Worte, beschäftigt sich eingehend mit
dem musikalischen Text, und seine pianistische Technik, trotz kleinen
Fehlern doch überzeugend und überlegen, ist bloss Werkzeug zur
Darstellung des musikalischen Ge-haltes. So konnte er auf einem klang-lich
stumpferen Flügel als am Vorabend das Publikum und auch die kritischen
Kenner für sich gewinnen. Es waren gültige, aussagekräftige
Beethoven-Interpretationen die man zu hören bekam. Dasselbe lässt sich
von der Sonate in G-Dur D.894 von Franz Schubert sagen. Es ist ein
besinnliches Stück, mit langen liedhaften Teilen, die den Hörer, wie
der Pianist treffend dar-legte, auf eine lange Wanderung mit-nehmen.
Pescia verfügt über einen sub-tilen Anschlag und bei Schubert wird der
Pianist beinahe philosophisch in der geduldigen und weiträumigen
Ausle-gung der Musik. Ihm zuzuhören war mehr als Genuss, es war auch anrühr-end und sogar ergreifend. Beide Künstler, Mélodie Zhao und Cé-dric Pescia, sind beim Platten-Label CLAVES unter Vertrag. Pescia hat hier u.a. das Klavierwerk von Robert Schu-mann eingespielt. |
Zermatt Festival 2011
2011
Geistlicher Auftakt zum Alpen-Festival
Mit dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms wurde das siebente Klassik-Festival von Zermatt
vergangenes Wochenende eröffnet.
Daniel Andres
Fabio Biondi und "Europa galante" (Foto Daniel Andres)
Drei Konzerte markierten das erste Wo-chenende des Zermatt-Festival. Richtig los geht es aber erst diese Woche, wenn auch die Academy ihren Betrieb aufnimmt und Mitglieder der Berliner Philharmoniker mit rund dreissig Stipendiaten aus aller Welt Kammermusik und Orchesterwerke erar-beiten. Eigentliches Markenzeichen des Festivals ist das Scharoun-Ensemble, wel-ches einen Teil der kommenden Konzerte bestreitet und zudem mit Studenten in verschiedenen Werken, in kleineren und grösseren Besetzungen zusammen auftritt. Ganz zum Schluss werden die Studenten in einem Konzert die Resultate ihrer Arbeit in ausgewählten Werken vorführen. Doch schon während der zwei Wochen des Fes-tivals finden Gratiskonzerte mit von den Kursteilnehmern vorgetragenen Kammer-musikwerken statt.
Anklänge an alte Meister
Mit einem grossen geistlichen Chorwerk startete das Festival in der Pfarrkirche St.Mauritius zu Zermatt seine siebente Ausgabe. Die Basler Madrigalisten, ein professioneller Chor von etwa dreissig Sängerinnen und Sängern unter der Lei-tung von Fritz Näf, sangen das Deutsche Requiem von Johannes Brahms, den Or-chesterpart spielten an zwei Flügeln die Pianisten Michel Dalberto und Adam La-loum. Brahms selbst hat eine Fassung für Klavier vierhändig hergestellt. Der Chor,
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sonst auf Musik des 15. bis 18. Jahrhun-derts spezialisiert, interpretierte das spät-romantische Werk vom differenzierten Pia-nissimo bis zu erstaunlicher aber unforcier-ter Fülle in eindrücklicher Manier und liess dabei auch die Verbindungen des Brahms-Stils zu den alten Meistern ohrenfällig an-klingen. Rachel Harnisch sang wunder-schön unangestrengt die Sopran-Partie und Stephan Genz mit hellem und warmem Timbre die Bariton-Einsätze.
Aussagekräftige Gestaltung
Den Bariton konnte man am Sonntagmorgen in der Riffelalp-Kapelle in Schuberts „Winterreise“ bewundern. Eine hervorragende Darstellung des Liederzyklus, bei der man die überzeugende Gestaltung ebenso wie den vorzüglichen Einsatz der Stimme, namentlich in wundervoll geführtem Piano, hervorheben kann. Nebenbei gesagt ist die Anstrengung des Sängers auf 2220 Metern Höhe über Meer beträchtlich grösser als sonst, die sich der technisch versierte Sänger keinesfalls anmerken liess. Michel Dalberto war weit mehr als nur ein Beglei-ter, ein ebenso bemerkenswerter Gestalter des so aussagekräftigen Klavierparts. Am Samstagabend trat in der leider nicht ganz so voll besetzten Pfarrkirche das ita-lienische Barockensemble „Europa galan-te“ mit dem Solo-Violinisten Fabio Biondi auf. Das Programm bestand aus den sechs
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Violinkonzerten „La Stravaganza“ der Lon-doner Ausgabe von 1728 von Antonio Vi-valdi. Ergänzend zwei Sinfonien des „Prete rosso“ aus Venedig, die ihn nicht nur als routinierten Vielschreiber, sondern auch als bis ins Alter die Musikentwicklung ver-folgenden Neuerer zeigen.
Rasant und differenziert
Fabio Biondi mit den fünf Streichern und der Cembalistin neigt wie die meisten, vor allem italienischen, Barockensembles zu recht rasanten Tempi. Er hat aber die Frei-heit und Überlegenheit, auch in schwindel-erregender Geschwindigkeit seinen Solo-part zu artikulieren und klanglich zu diffe-renzieren. Die langsamen Sätze sind beson-dere klangliche Perlen und klingen richtig verführerisch. Und in der aufgeführten Konzertsammlung wie auch in den gespiel-ten „Sinfonie d’Opere“ ist Vivaldi keines-wegs ein Vielschreiber der sich stets wie-derholt, sondern zeichnet sich im Detail durch Ideenreichtum auch im Ausschöpfen der geigerischen Möglichkeiten aus und überrascht zudem durch eine Vielzahl von Abweichung von der von ihm selbst ge-schaffenen Norm in den Formen, aber auch zuweilen mit kühner Harmonik. Dies wurde den interessierten Hörern auch bewusst gemacht durch die interessanten Erläute-rungen zu den Werken durch den Musik-wissenschaftler Prof. Anselm Gerhard. Das Festival dauert noch bis 18 September. |
Zermatt Festival 2010
Geografisch und künstlerisch auf höchstem Niveau
Das Zermatt-Festival, eines der jüngsten Alpen-Festivals, findet seit einer Woche statt. Zur Eröffnung sang
die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova Arien aus Opern von Händel.
Daniel Andres
Seit Beginn der Woche sind auch die dreis-sig ausgewählten Stipendiaten aus aller Welt eingetroffen, die in Kammermusik-Kursen von Musikern des Scharoun-En-sembles Berlin, das sind Mitglieder der Berliner Philharmoniker, betreut werden. Abends finden ab nächster Woche jeweils in Kirchen oder den Hotelpalästen Kon-zerte der Kursteilnehmer statt. Und zusam-men mit dem Scharoun-Ensembles bilden diese auch das Festival-Orchester, das an zwei Wochenenden auftritt.
Buhlen um Publikumsgunst
Trotz internationaler Stars muss das junge Festival noch um jeden Besucher kämpfen. So war die Dorfkirche von Zermatt beim Konzert des Basler Kammerorchesters mit der international renommierten Mezzosop-ranistin Vesselina Kasarova wohl knapp zur Hälfte besetzt. Am Programm lag es auch nicht, denn die Starsängerin trat mit ausdrucksvollen und virtuosen Arien aus Händel-Opern auf und vermochte das Publikum mit ihrem warmen und runden Timbre und der hinreissenden Virtuosität ihrer Koloraturen zu begeistern. Geleitet von der Konzertmeisterin Julia Schröder begleitete das Barockensemble des Basler Kammerorchesters und gefiel auch in
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temperamentvollen Wiedergaben von zwei Concerti grossi sowie Ballettmusiken aus Opern Händels.
Stars und Aufsteiger
Gut geführte Festivals locken nicht bloss die Stars der Musikszene an, sondern stel-len dem Publikum auch junge Aufsteiger vor. So in Zermatt den jungen deutsche Pianisten Joseph Moog an, der mit seinen 22 Jahren eine erstaunliche Reife in einem vielseitigen Programm zeigte. Nach Haydn und Fauré zeigte er in vier Etüden von Leopold Godowsky nach Chopin, dass diese Bravourstücke ausser effektvollen Exerzitien auch musikalisch sinnvolle Wer-ke sind. In der siebenten Sonate, genannt die „Weisse Messe“, von Alexander Skrja-bin und in der b-moll-Sonate von Chopin stand eine überzeugende musikalische Gestaltung im Vordergrund. Am Sonntag fuhr die Festival-Gemeinde mit der Gornergratbahn auf die Riffelalp, wo in der Kapelle auf 2222 m. ü. M der französische Meisterpianist Michel Dal-berto sein Rezital gab. Man spürte die an-dere Schule des Franzosen von den ersten Takten der „Bénédiction de Dieu dans la solitude“ von Franz Liszt an und, auch die drei „Etudes d’exécution transcendante“ |
desselben Komponisten waren wie die vier Stücke aus dem Zyklus „Images“ von Maurice Ravel von technischer und klang-licher Raffinesse geprägt. Der Zyklus „Carnaval“ von Robert Schumann schloss dieses Konzert wirkungsvoll ab und zeigte den Pianisten noch einmal von einer andern Seite.
Öffnung für Neues
Das zweite und dritte Wochenende wird von der Gegenwart des Komponisten, Oboisten und Dirigenten Heinz Holliger geprägt, der sowohl eigene Kammermusik interpretiert wie auch mit dem Orchester Werke von Mozart und Sinfonien von Schubert und Mendelssohn erarbeitet. Mit der jährlichen Einladung eines Kom-ponisten der Gegenwart und der Auffüh-rung auch unbequemer Werke beweist das Zermatt-Festival, seit diesem Jahr unter der künstlerischen Leitung von Giovanna Panese, Mut und den Willen, nicht nur touristische Bedürfnisse zur zusätzlichen Belegung der Hotels in der Zwischen-saison, sondern auch hohe künstlerische Ambitionen zu befriedigen. Ein Wille der bislang auch vom Stiftungsrat und den Sponsoren gestützt wird. |
Fotogalerie Zermatt-Festival 2010
Zermatt Festival 2009
Zum fünften Mal
erklang am Zermatt Festival wieder klassische Musik vom
Feinsten. Für unvergessliche Konzerte sorgten nach wie vor
Musiker der Berliner Philharmoniker.
Geladen waren die Berliner Barocksolisten, das
Blechbläserensemble und natürlich das Scharoun Ensemble,
seit Beginn Stammgast des Festivals. Als geladene Gäste,
Philippe Jaroussky, Leonidas Kavakos, Annette Dasch und Matthias Pintscher.
Farben und Bilder im Raum
Am kleinen, aber ehrgeizigen und mutigen Musikfestival von Zermatt war der deutsche Komponist Matthias
Pintscher als „Composer in Residence“ eingeladen. An einem Wochenende kamen vier Werke von ihm, zwei
davon in Uraufführung, zum Erklingen.
Daniel Andres führte mit dem Komponisten ein Gespräch.
Im Garten des „Mont Cervin Palace“, Matthias Pintscher mit Jahrgang 1971 hat eben die Proben zu zwei neuen Stücken und auch zu „Sieben frühe Lieder“ von Alban Berg mit der sängerisch wunder-vollen und mit einer herrlichen Bühnen-präsenz ausgestatteten Marisol Montalvo hinter sich und bloss einen kleinen Bissen zu sich genommen. Am Abend vorher, vor der Aufführung von „A Twilight’s Song“ mit Marisol Montalvo, die kurzfristig und sehr erfolgreich für Annette Dasch einge-sprungen war, hatte er zum Publikum gesagt, zwölf Jahre seit der Entstehung eines Werks seien für einen Komponisten eine lange Zeit, weil er sich ja dauernd weiter entwickle. Worin denn der entwicklungsbedingte Unterschied der neuen, eben geprobten Musik zu den früheren Werken bestehe, wollten wir wissen. Ausser, dass die Selbstbeschreibung für einen Künstler immer schwierig sei, mache er die Er-fahrung als Interpret, dass er sich nach einiger Zeit mit einem älteren Werk das er dirigiere fast so intensiv befassen müsse wie mit der Musik eines anderen Kompo-nisten. Der fast gleichaltrige Jörg Widmann ist gleichzeitig „Composer in Residence“ am Lucerne Festival, da interessiert es doch, ob Ähnlichkeiten festzustellen sind, ob da eine Generation Aufwind hat, die sich bereits wieder von der ihrer Lehrer, die in der vorigen Jahrhundertmitte geboren sind unterscheidet. Ästhetische Wirkung
Die Musik von Matthias Pintscher ist ausgesprochen klanglich orientiert. Schon in den Songs von 1997 erzeugen die sieben Instrumente Klänge und Klangfarben, die oft von einem Instru-ment ausgehen und sich in einem an-dern Instrument oder in einer Instrumen-tengruppe verlängern und sich verän-dern. Da ist auch eine räumliche Kom-ponente dabei, aber auch die kommuni-kative Seite unter den Instrumentalis-ten. In den neuen Stücken „Celestial Object I und II“, das eine für Trompete, das andere für Horn und Ensemble, wird diese Technik weitergeführt. So neu ist das an sich nicht, was bei den jüngeren Komponisten auffällt, ist die ästhetische Wirkung, denn alles in allem und bei aller Befremdlichkeit für ungewohnte Ohren wirken die Klang-landschaften oft fast betörend schön. Beim ersten Anhören ist kein grosser Unterschied zum früheren Werk zu hören. Streicher spielen verfremdete Töne auf dem Griffbrett, mit dem Holz des Bogens, Obertöne, Bläser auch mal Mehrfachklänge und Obertöne, meist im leisesten Piano bis zur Bei- |
nahe-Unhörbarkeit. Solo-Trompeter und Hornist haben es auch mit konkreteren Klängen, virtuosen Girlanden, Läufen und Sprüngen zu tun. „Die Harmonik hat sich stark verändert“, sagt der Komponist, „sie fächert sich von einem Zentralton aus nach oben und unten auf und ist reichhaltiger ge-worden“. Die Flexibilität sei grösser geworden, die Musiker sollen mit der Musik spielen können und auch er sel-ber sei freier geworden. Die Musik sei auch körperhafter geworden, das hänge mit dem Einfluss der bildenden Kunst zusammen. „Ich kenne mittlerweile etliche Künstler persönlich und befasse mich mit ihrem
Matthias Pintscher im Gespräch (Foto D.A. swissclassig.org)
Schaffen und in Gesprächen mit ihnen und bin auch zum Sammler geworden.“ „Wir haben eine ähnliche Sprache, bloss mit andern Mitteln“. Die Farbe sei ihm sehr wichtig, aber zunehmend auch die Räumlichkeit des Klangs, das ver-binde ihn mit der Architektur. „Der Transport eines Klanges von einem In-strument zum andern ist eine ständige Kommunikation, und die ist mir ein An-liegen“. Dabei müssten die Musiker auch sich selber einbringen, auch wenn er alles akribisch genau notiere. „Eigentlich ist ja das Orchester mein Instrument, aber in letzter Zeit schreibe ich viel Kammermusik und die hilft mir, noch genauer zu werden“.
Kein Fenster zur Vergangenheit
Was verbindet ihn mit oder unterschei-det ihn von Widmann? Dieser zitiert in seinem „Jagdquartett“ die „Papillons“ von Schumann oder in seinem Oktett gibt es Anklänge an Schubert. Solche Klangzitate kommen bei etlichen Kom-ponisten der jüngeren und mittleren Ge-neration vor. „Zitate sind wie ein Fens-ter zur Vergangenheit“, meint Pint-scher, „ich kann mit meinen Klängen so umgehen, dass ich keine solchen Fenster nötig habe.“ Es gab im zwanzigsten Jahrhundert einige Wenden, nach dem Krieg der Serialismus und in den sechziger Jah-ren die Befreiung davon. „Und die war absolut notwendig“, wirft Pintscher ein. Dann kam so etwas wie Neoromantik, ist jetzt wieder eine Wende fällig, |
braucht es einen neuen Aufbruch? „Eigentlich gab es immer schon alles gleichzeitig, auch schon in den fünf-ziger Jahren. Ich bin für die Gleichzei-tigkeit, für einen Pluralismus, es gibt nicht nur eine Entwicklung.“ Was macht grosse Musik aus, worin unterscheidet sich Schubert, den er liebt, von andern, weniger bedeutenden Komponisten, fragt Pintscher selbst. "Die serielle Musik stellte strenge Regeln auf. Die Befolgung der Regeln bewirkt noch nicht grosse Musik. Es ist die strenge Form und gleichzeitig eine völlig freie Erfindung, das ist die Gabe der grossen Komponisten“, ist seine Antwort. Stört es ihn, wenn man die Klangfar-benkomposition als Klangdesign be-zeichnen würde? „Klangdesign tönt et-was despektierlich, aber es gibt bei der Aufspaltung der Töne doch auch eine wunderbare Differenzierung, und gleich-zeitig ist auch die Reduktion wichtig, neben dem Ausufern auch die Be-schränkung auf Wesentliches.“
Wundersame Wirkung
Das Zermattfestival mutete seinen Be-suchern mit den Werken von Matthias Pintscher etwas zu, auch am Sonntag-morgen in der Ryffelalpkapelle mit ei-nem hauchzarten Duo für Violine und Violoncello. Alle Werke vom Berliner Scharoun-Ensemble mit „Zuzügern“ hervorragend interpretiert. Matthias Pintscher liebt es, für befreundete Musiker und Orchester zu schreiben. „Die Berliner Philharmoniker sind zu echten Partnern geworden, es gibt ein gegenseitiges Vertrauen und eine ge-genseitige Achtung.“ Nicolas Bohnet, der künstlerische Leiter meint zum Wagnis: „Am ersten Abend gingen einige Besucher raus, am zweiten Abend fanden Leute, die vorher keinen Bezug zu dieser Musik hatten, plötzlich doch ein Interesse an den Klängen.“ Die Sonntagsgäste auf der Ryffelalp waren sich der überleisen Klänge der Streich-nstrumente, welche die Saiten kaum berührten und sehr zerbrechliche Töne hervorbrachten, vielleicht nicht gewohnt, aber etliche hörten intuitiv, wie auch schon am Abend zuvor, dass wenn man sich einfach darauf einlässt, eine wundersame Wirkung davon aus-geht. In Zermatt kommen Einheimische und Gäste nicht bloss zu einem genuss-reichen Konzert sondern auch zu Be-gegnungen mit Neuem und Ungewohn-tem. „Das ist doch gut so“, meint Matthias Pintscher, „ob beim Reisen oder einem guten Essen oder einem Konzert wollen die Leute das Ausser-gewöhnliche. Aber die Qualität und der Rahmen müssen stimmen.“ |
Fotogalerie Zermatt 2009 (alle Fotos
Daniel Andres, swissclasssic.org)
Zermatt Festival 2008
Junge Instrumentalisten und Neue Musik
21. September 2008.
In Zermatt bürgen die Mitglieder des Berliner Scharoun-Ensembles für
hervorragende Konzerte. Sie unterrichten
dazu auch eine Anzahl
Stipendiaten aus aller Welt in Kammermusik. Und die Re-sultate dieser Arbeit
können sich hören lassen.
Daniel Andres
So am dritten und letzten Wochenende des Festivals.
Schon während der Woche fanden etwa im Hotel Mont Cervin Palace – eine
der ersten Adres-sen im Touristenort - Konzerte der Kursteilnehmer statt.
In den Schluss-konzerten wurden die Stipendiaten in die Festivalkonzerte
integriert und so spielten sie etwa im Bläseroktett opus 108 von
Beethoven Seite an Seite mit den gestandenen Musikern der
Berliner Philharmoniker.
Für das Werk „Carlo“ des
Composer in residence Brett Dean bildeten Lehrer und Schüler ein
gemeinsames Kam-merorches-ter. Am letzten Sonntag Vormittag spielten in
der Ryffelalp-Ka-pelle auf 2222 Metern über Meer aus-schliesslich
Studierende der Akademie in einem abwechslungsreichen Pro-gramm aus wenig
bekannten Werken des 20. Jahrhunderts von Samuel Bar-ber, Erwin
Schulhoff, Brett Dean und dem Streichquintett C-Dur von Mozart. Dabei
waren auch Vergleiche möglich und aufschlussreich, denn die Streicher
des Scharoun-Ensembles hatten am Freitag zuvor Mozarts Streichquintett
in g-moll wahrhaft meisterlich interpretiert.
Ist das Zermatt-Festival ein reiner Touristenanlass und – wie
Musikjourna-listen von andern vergleichbaren Festi-vals berichten -
rein kommerziell aus-gerichtet. Ja und Nein ist die Antwort in fast
allen diesen Fällen. Klar ver-sucht man mit den Konzerten ein ganz
bestimmtes Touristensegment anzulo-cken um vor allem die Sommersaison
oder auch das Saisonende zu beleben. Andererseits sind solche Vorhaben
zum Scheitern verurteilt, wenn nicht auch auf künstlerischer Ebene hohe
und höchste Ansprüche befriedigt wer-den. Und fast jeder Kunstanlass
braucht ja einen kommerziellen Erfolg um längerfristig überleben zu
können. Interessant ist dabei aber, wie die je-weilige Festivalleitung
die finanziellen und kommerziellen Bedürfnisse mit künstlerischen Ideen
verbindet, ohne
dass die Kunst zum blossen Feigen-blatt für den Kommerz verkommt. |
Direktor des Zermatt-Festivals Einiges zugute zu halten. Einerseits vermeldet
das Tourist Office, dass etliche Gäste extra des Festivals wegen tage-
oder wochenweise nach Zermatt reisen. An-dererseits setzt Nicolas Bohnet
neben hochstehenden klassischen Reissern (etwas despektierlich gesagt)
auch neuere und unbekannte Musik aufs Programm und geht damit gewisse
Ri-siken ein, wie das Konzert mit „Carlo“ für Streicher, Sampler und
Tonband von Brett Dean zeigte, wo die Kirche nur zur Hälfte gefüllt war.
Am Abend zuvor mit Werken von Beethoven, Mozart und dem „Stabat Mater“
von Pergolesi oder am Eröffnungskonzert mit dem Lausan-ner Kammerorchester in Werken von Mendelssohn, Mozart und Schumann war die
vierhundert Plätze fassende Dorfkirche voll besetzt. Es ist das zweite Mal, dass ein Com-poser in Residence eingeladen wurde. Vor vier Jahren was es Jörg Widmann, jetzt der ehemalige Bratschist der Ber-liner Philharmoniker Brett Dean mit Jahrgang 1961, der seit dem Jahr 2000
Der australische Komponist Brett Dean (Foto D.A.)
als Dirigent und Komponist wieder in seiner australischen Heimat lebt. Von ihm erklangen drei Werke: „Etüdenfest“ für Streichorchester mit Klavier, das in ein Programm mit Bach, Haydn und Mendelssohn gut eingebettet war, „Carlo“ für Streicher, Sampler und Ton-band das auf Madrigale von Carlo Ge- |
sualdo Bezug nimmt stand dem Oktett von Franz Schubert gegenüber, und schliesslich „Some Birthday“ für zwei Bratschen und Violoncello, das von Teilnehmern der Akademie im Ryffelalp-Konzert aufgeführt wurde.
Bleibt noch anzumerken, dass das aus Mitgliedern der Berliner
Philharmoniker zusammengesetzte Scharoun-Ensem-ble (Anspielung auf den
Namen des Architekten der Berliner Philharmonie) im Quintett g-moll von
Mozart oder im Oktett von Schubert und dann noch im „Stabat Mater“ von
Pergolesi mit Rachel Harnisch, Sopran, und Stella Doufexis,
Mezzosopran, massstäbliche Interpre-tationen lieferte, die sowohl
künstle-risch perfekt wie auch ausserordentlich berührend und packend
waren.
Und wenn das Wetter, wie an einigen wunderschönen Herbsttagen während
des Festivals, mitspielt, ist es ein Er-lebnis für den anspruchsvollen
und in-teressierten Kunstfreund, der ja gleich-zeitig auch Freude an
grossartiger Berglandschaft und inspirierenden Ar-ven- und
Lärchenwäldern in reinster Luft haben kann. |
Das Ryffelalp-Tram führt die Gäste ans Konzert Konzert der Stipendiaten
Konzert für die Schulklassen von Zermatt in der Dorfkirche Das Scharoun-Ensemble und Stipendiaten der Akademie in Beethovens Bläseroktett
Der Komponist Brett Dean
Hochkarätige Musik am Fuss des Matterhorns
7. September 2008.
In Zermatt wurde am Wochenende das vierte Zermatt Musikfestival eröffnet.Ein Ereignis war das Rezital mit dem Geiger Corey Cerovsek auf der Ryffelalp.
Daniel Andres
Corey Cerovsek und Julien Quentin in der Ryffelalp-Kapelle (Foto Daniel Andres)
Schon zum zweiten Mal war zur Er-öffnung das Lausanner Kammerorchester mit seinem Chef und gleichzeitig Pianisten Christian Zacharias zu Gast. Die Pfarrkirche St.Mauritius im Dorfzentrum war für diesen Anlass beinahe aus-verkauft. Das Lausanner Kammerorchester ge-niesst immer noch einen guten, interna-tionalen Ruf. Aber es präsentiert sich nicht so herausragend wie vielleicht noch zu Zeiten als Armin Jordan Chefdirigent war. Unser Eindruck: der Inter-pretationsstil ist weder Fisch noch Vo-gel in einer Zeit, da man doch vermehrt eine klare Identität eines Orchesters erwartet. Zwei romantische Werke rahmten das Klavierkonzert in C-Dur KV 467 von Mozart mit Christian Zacharias am Flügel ein.
Auf Schönklang ausgerichtet
Die „Hebriden“-Ouvertüre von Felix Mendelssohn klang pastos aber bereits etwas zu wenig differenziert in der leicht halligen Kirchenakustik. Und bei der „Frühlings“-Sinfonie, der Ersten von Robert Schumann, konnte sich das Or-chester in den Forte nicht den Verhältnissen anpassen, etliches klang zu dick und auch manchmal zu unpräzis. Und ein richtiges veritables Piano war fast nicht zu hören, die dynamische Un-tergrenze lag fast bei einem Mezzoforte. Im Klavierkonzert von Mozart konnten sich Klavier und Orchester im ersten Satz schwer auf ein gemeinsames Tempo einigen, bereits zwischen Streichern und Bläsern waren zu Beginn Differen- |
zen in der Auffassung wahrnehmbar. Und der Mozartstil war im Gegensatz zu neueren Tendenzen eher auf Schönklang, denn auf lebendige Artikulation ausgerichtet, was bei Christian Zacharias überraschen mag, der vor Jahren noch als frischer Mozart-Exponent gehandelt wurde.
Stilistisch lupenrein
Stilistisch sauber dagegen der Auftritt des Ensemble Capriccio Stravagante mit dem Cembalisten Skip Sempé als Leiter. Es präsentierte Konzerte für drei und zwei Cembali und das Konzert für Cem-balo in d-moll von Bach, sowie mit dem Blockflötisten Julien Martin die Suite in a-moll von Georg Friedrich Telemann. Hervorragende Solisten, neben Skip Sempé noch die Cembalisten Olivier For-tin und Bertrand Cuiller, und gut einge-spielte Streicher auf barocken Instru-menten in lupenreiner historischer Aufführungspraxis und mit viel musikali-scher Verve. Auch hier ein Tribut an die Kirchenakustik: die Cembali waren ne-ben den Streichern kaum verständlich wahrnehmbar mit Ausnahme des Kon-zerts in C-Dur, das auch mit zwei Cem-bali und ganz ohne Orchester aufführbar wäre. Trotzdem: für diejenigen die die Musik gut in den Ohren hatten, war das Konzert ein Genuss. Spontaneität und Intelligenz
Am Sonntagvormittag fuhr die Klassikgemeinde auf die Ryffelalp, wo schon |
fast traditionsgemäss in der Kapelle, dort wo das Festival auch seinen Ausgang genommen hatte, Kammermusik statt-findet. Diesmal war der kanadische Gei-ger Corey Cerovsek eingeladen worden. Dem noch jungen und dazu sehr jugend-lich wirkenden Musiker begegnete man bereits vor einigen Jahren am Verbier-Festival, unterdessen spielte er beim CD-Label Claves sämtliche Violinsonaten von Beethoven ein, - eine ausserordentlich empfehlenswerte Aufnahme – und nun beglückte er die Zuhörer mit einem gemischten Programm von Mozart (G-Dur-Sonate) über die jugendlich unge-stüme Violinsonate von Richard Strauss zur ebenso frischen ersten Violinsonate von Gabriel Fauré und der Faust-Fantasie von Henryk Wieniawski. Es gab zu Recht eine Standing Ovation zum Schluss, denn der Violinist (er ist gleichzeitig offenbar ein genialer Infor-matiker und Mathematiker) überzeugte durch stupende Technik, herrlichen aber mannigfach timbrierten Ton auf einem wunderschönen Instrument und durch Intelligenz und gleichzeitig hinreissender Spontaneität der Gestaltung. Es war ein grosses Rezital an einem nebligen Herbstmorgen.
Das Zermatt Festival findet seine Fortsetzung an den zwei nächsten Wo-chenenden. Gleichzeitig findet ab dieser Woche eine Kammermusik-Akademie statt, an der Mitglieder der Berliner Phil-harmoniker unterrichten und zusammen mit den Studierenden auch in einem Fes-tival-Kammerorchester auftreten.
Programm und Informationen unter: |
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