Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic
Das Swiss-Classic-Journal
30.06.2017
Solothurn
Inhalt:
In Solothurn angekommen Eine erfolgreiche Mozart Gala
Von Fingerfertigkeit und Transzendenz
Ein konventioneller "Don Giovanni" mit Schwächen (Classic Openair)
In Solothurn angekommen
Eine erfolgreiche Mozart Gala
Eine Mozart-Gala des Sinfonieorchester Biel Solothurn füllte den Konzertsaal von Solothurn sozusagen bis auf den letzten Platz. Damit wurde suggeriert, dass das Sinfonieorchester, den Solothurnern seit Jahren vor allem als Theaterorchester vertraut, auch als sinfonischer Klangkörper in Solothurn angekommen ist. Die Sinfoniekonzerte, die seit einigen Jahren auch in Solothurn angeboten werden, fanden offenbar bislang noch zu wenig Anklang. Das könnten sich nun ändern, so die Hoffnung von Intendant Dieter Kägi in seinen Begrüssungsworten. Immerhin boten die Musiker des Orchesters unter der Leitung ihres Chedirigenten Kaspar Zehnder und die beiden Solothurner Solisten, der Pianist Adalbert Roetschi und die Pianistin Evelyne Grandy eine vorzügliche Leistung in Mozarts „Jupiter“-Sinfonie Nr. 41 in C-Dur KV 551 und dem Konzert für zwei Klavier und Orchester Es-Dur KV 365.
Die Sinfonie erklang straff und akzentuiert aber auch differenziert und mit schönem Streicherklang in den melodiösen Passagen, namentlich im langsamen Satz. Trotz der recht kompakten Spielweise fehlte die nötige Klarheit nicht, insbesondere im gut abgestuften Finale, wo Fugentechnik und klassische motivische Verarbeitung aufeinanderprallen und in den Steigerungen eine komplexe Klangstruktur ergeben.
Spritziges Doppelkonzert
Das Konzert für zwei Klavier wurde im ersten Satz auch etwas straff angegangen, aber die beiden Solisten fanden sich gut im Zusammenspiel und wurden vor allem im zweiten und dritten Satz zunehmend freier bis zu neckischem Zuwurf der einzelnen Floskeln. Auch hier wiederum war der musikalische Höhepunkt im langsamen Satz zu finden mit einem beinahe opernhaften, innigen Duett der Soloinstrumente, das Finale hatte viel „Drive“ und die nötige Spritzigkeit. Die wurde – vielleicht nicht so ganz passend – in der Zugabe mit dem effektvollen Säbeltanz aus „Gayaneh“ von Aram Katchaturian fortgesetzt. Jedenfalls riss die Darbietung von Solisten, Dirigent und Orchester die Zuhörer von den Sitzen und es gab eine ausdauernde stehende Ovation.
Im Vorfeld wurde die neue CD des Orchesters mit Werken des nahezu vergessenen deutschen Romantikers Robert Radecke vorgestellt. Dazu ein sehr gut gemachter Film über die Entstehung der Aufnahme, und der Urenkel des Komponisten zeigte aus seiner privaten Sammlung einige wertvolle Dokumente, Fotos, ein Brief von Clara Schumann und Original-Manuskripte des Komponisten.
Classic Openair 2010
Ein konventioneller "Don Giovanni" mit Schwächen
Mit „Don Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Mozart wurden am Dienstag die Solothurner Classic Openair auf der Bastion eröffnet.
Daniel Andres
Dino Arici, Gründer und künstlerischer Lei-ter des Festivals, hat zum zwanzigjährigen Jubiläum wiederum Chor und Orchester der Staatsoper Russe Bulgarien geholt und damit auch etliche Solisten dieses Ensem-bles. Auf dem Programm stehen bis am 10. Juli nicht weniger als zehn Opern, eine So-isten-Gala und ein Gratis-Jubiläumskonzert auf der Treppe der St.Ursen-Kathedrale. Man kann dies und das kritisieren am Kon-zept dieses Ereignisses, fest steht immer-hin, dass der Opernfan Dino Arici der Stadt Solothurn im Sommer seit zwanzig Jahren ein Ereignis beschert, das über die Region hinaus strahlt. Wie üblich war auch der „Don Giovanni“ am ersten Abend vor vollen Rängen eine halbszenische Aufführung. Das Festival setzt nicht auf neue Inszenierungen oder gar eine neue Schau auf ein Werk, sondern in erster Linie auf schöne Stimmen und musikalischen Genuss. Dabei gibt es auf der Weltbühne natürlich noch bedeuten-dere Interpreten als sie Solothurn bieten
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kann, und eine künstlerische Beurteilung muss in diesem Sinne relativieren.
Wenig Zwischentöne
An der Eröffnungsvorstellung gefiel vor allem Luca Gallo als Leporello mit seiner Agilität, sowohl als Akteur wie stimmlich. Schön anzuhören war auch die natürlich wirkende und mit leichter und unforcierter Stimme agierende Zerlina von Nelea Crav-chenko. Masetto muss ja etwas hölzern und ungelenk wirken, und Momchil Mila-nov fügte sich gut in diese Rolle. Die zwei grossen Frauenrollen Donna Anna und Donna Elvira waren mit Noemi Nadelmann und Radostina Nikolaeva zuverlässig be-setzt, bei beiden spürte man jedoch an diesem Abend gewisse Grenzen und eine gewisse Überanstrengung. Bei Nadelmann vor allem in ihrer zweiten grossen Arie. Bei Nikolaeva von Beginn an in einigen brüchi-gen Stellen. Auch der Titelheld, von Carmelo Corrado |
Caruso verkörpert, zeigte Grenzen und hatte zeitweise Mühe, den Tempi präzise zu folgen. Jörg Schneider war als Don Ottavio schön und etwas brav, wie es sich gehört, und der Komtur von Plamen Beykov er-füllte sicher die Erwartungen.
Träge Tempi
Nayden Todorov wählte am Dirigentenpult - gemessen an heutiger Aufführungspra-xis, - häufig etwas träge Tempi und ver-führte damit die Protagonisten vielleicht zu breitem und pastosem Aussingen, was im Freien auch zum Forcieren und damit zu Ermüdungen führen kann. Abgesehen da-von, dass Zwischentöne verloren gehen können. Neue Erkenntnisse zum Werk ergaben sich an diesem Abend gewiss nicht, aber die Musik von Mozart erwies sich einmal mehr und immer wieder als genial unverwüstlich.
www.classic-openair.ch
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Von Fingerfertigkeit und Transzendenz
10.Oktober 2006. Vor Heimpublikum gab der Solothurner Pianist Gabriel Arnold im Konzertsaal Solothurn ein Rezital. Programmwahl und Auftreten zeigten Selbstsicherheit des 27-Jährigen. Und er hatte Erfolg, doch Entwicklungspotential ist noch vorhanden.
Daniel Andres
Mit einem „Brocken“ (ach eigenen Worten) begann der junge Pianist, der bei Gérard Wyss in Basel und bei Klaus Hellwig in Berlin studierte hatte und sich an Meis-terkursen weiteres Rüstzeug geholt hatte. Es war die „Chaconne“ von Bach in der Be-arbeitung von Ferrucio Busoni. Der italie-nisch-deutsche Komponist machte aus dem Stück für Solo-Violine ein Bravour-stück für das Klavier und fügt der Tra-dition von Liszt) viele Töne hinzu, es ist al-so wesentlich mehr als bloss eine Trans-kription. Gabriel Arnold fühlte sich sichtlich wohl in dieser Welt zwischen Barock und klassizistischer Spätromantik und vor allem in der Welt der rauschenden Kaskaden und schnellen Läufe. Das zeigte sich im Laufe des Abends immer deutlicher. Der Pianist verfügt über bemer-kenswertes Handwerk und über Virtuosität und geniesst sichtlich diese Beherrschung der Tasten. In der dritten Sonate von Serge Prokofieff konnte er dieses Spiel voll auskosten, der junge Prokofieff war selbst ein glänzender Klaviervirtuose und liebte die verblüffenden Effekte. In den „Variations sérieuses“ von Felix Mendelssohn geht es zwar um mehr als blosse Fingerfertigkeit. Wie durchaus auch |
in den anderen Stücken zeigte Gabriel Ar-nold natürlich auch nüancierte Anschlags-
Gabriel Arnold (*1981)
techniken und eine differenzierte dynamische Gestaltung, die Fähigkeit, sangliche Melodien aus den Saiten zu holen. Und doch hat man im Moment den Eindruck, dass auch diese gestalterischen Elemente Teil des Handwerks und der Technik sind. Der zweifellos sehr intel-ligente Musiker hat (noch) nicht in die wirklichen Geheimnisse der Erfassung ein-es musikalischen Werks gefunden. Das zeigte sich in der Wahl und der Interpretation von Beethovens letzter Klaviersonate Opus 111 in c-moll. Es haben |
sich schon viele junge Pianisten an diese und die anderen späten Sonaten Beet-hovens gewagt. Ich neige nicht dazu, den Zugang zu diesen Werken bloss älteren, reifen Herren zuzutrauen. Aber es braucht doch mehr als einen intelligenten pianistischen Zugang, denn da sind auch kompositorische Kühnheiten und Neuheiten interpretatorisch zu „bewäl-tigen“ die gleichsam eine höhere geistige Auseinandersetzung bedingen. Und da fehlt zurzeit dem Springinsfeld noch eine Dimension. Vielleicht war es mehr als bloss Zufall, dass dem Pianisten ausgerechnet bei Beethoven kleine Mängel unterliefen, wo in anderen Werken die Finger „auto-matisch“ ihren Weg fanden. Der erste Satz wirkte eigentlich recht flach und in der Aria mit Variationen wurden die pianistischen Anforderungen erfüllt, aber die „Trans-zendenz“ der Musik wurde eindeutig nicht erreicht. Ich habe in jüngster Zeit andere sehr junge Pianisten erlebt, die mehr Reife ausgestrahlt haben, aber das heisst ja nicht, dass der junge Solothurner nicht auch in dieser Beziehung noch wachsen kann. Voraussetzungen dazu hat er auf jeden Fall.
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