Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic
Das Swiss-Classic-Journal
Bekanntes auf hohem Niveau
Ein klassisches Festival-Programm mit zwei Meisterwerken des frühen 19. Jahrhunderts im Schlosshof zu
Murten mit der Slowakischen Philharmonie unter Kaspar Zehnder.
Daniel Andres
Beethovens Violinkonzert und Schuberts Unvollendete: eine Paarung, welche die Festivalbesucher und damit den Kassen-wart freut, aber den Kenner abschrecken könnte. Denn, was gibt es bei diesen zu den „beliebtesten Stücken“ der Klassik zählenden, auf ungezählten Aufnahmen festgehaltenen Werken Neues zu sagen.
Nicht aufregend
Nun, aufregend Neues wussten auch Kaspar Zehnder und der Violinist Dmitri Makhtin nicht anzubieten. Zu Beginn des Violinkonzertes befürchtete man sogar eine eher betuliche Version in einem sehr be-schaulichen Tempo. Das korrigierte sich mit dem ersten Forte im Eingangstutti, als Kaspar Zehnder nun doch eine etwas for-schere Gangart anschlug. Der erste Satz lebt ja vom Gegensatz der unerbittlichen vier Paukenschläge und den einfachen ly-rischen und gesanglichen Themen, einem Gegensatz, dem man beinahe ein literari-sches oder philosophisches Programm unterlegen könnte. Und nur allzu oft wird diese Dialektik in Beethovens Werk geglät-tet und eingeebnet.
Spannungen austragen
Doch im Laufe des Satzes gewann man den Eindruck, dass die Spannung zwischen Orchester und Solist und innerhalb des
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Orchesters doch ausgetragen wurde, mit einem bei Beethoven versöhnlichen Ende. Der Solist schliff zwar einige Passagen, vor allem in Übergängen zu Orchestereinsätzen etwas ab, aber insgesamt hörte man doch gerne zu. Dmitri Makhtin lieferte eine ton-lich schöne Wiedergabe auch im zweiten Satz und war weitgehend makellos auch im Finale. Kaspar Zehnder ging etwas diffe-renzierter mit dem Orchesterpart um und entlockte den Musikern schöne und durch-aus auch interessante Details.
Souveräne Gestaltung
Nach der Pause konnte man Kaspar Zehnder in der Aufführung von Schuberts „Unvollendeter“, seiner 1823 entstandenen achten Sinfonie in h-moll aus nur zwei voll-endeten Sätzen, als überlegenen Gestalter erleben. Auch hier brachte er nicht eine grundlegend neue Sicht ein. Es ist der nicht unberechtigte Ehrgeiz vieler Dirigen-ten, bekannte Werke neu zu beleuchten oder aus einer „neuen“ Sicht erfahrbar zu machen. Das war hier nicht der Fall und hätte auch nicht den Erwartungen der Fes-tivalbesucher entsprochen. Aber er hat das Werk nach allen Seiten und bis in Details ausgeleuchtet, so dass man aufhorchte und das fast allzu bekannte Werk gerne wieder hörte. Etwa auffallend war, dass er die dramatischen Seiten in der Durchführ-ung des ersten Satzes ernst nahm und
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nicht bloss als Episode betrachtete. Und im zweiten Satz wurde die Aufmerksamkeit geweckt, dadurch, dass er die synkopi-schen Begleitfiguren in den Streichern zu den weit gespannten Melodien der Holz-bläser sehr detailverliebt dynamisch aus-gestaltete. Dabei hatte man nicht den Ein-druck, dass er je die Gesamtübersicht ver-loren hätte, im Gegenteil Kaspar Zehnder wirkte sehr souverän und man stellte fest, dass seine angeborene Musikalität durch die zunehmende Erfahrung als Orchester-leiter glücklich untermauert wird.
Notwendiger Spagat
Musikfestivals haben sehr oft eine Dop-pelfunktion: einerseits sollen sie Musik-freunde ansprechen, andererseits haben sie fast ausnahmslos einen wirtschaftli-chen Hintergrund, indem sie touristische Interessen befriedigen aber auch die so notwendigen Sponsoren ansprechen und damit für ein breites Publikum attraktiv sein müssen. Für die Programmierung ist das jeweils ein Spagat. Nur Luzern, dank seiner Grösse, kann sich leisten, auch Unbekann-tes, Abseitiges und gründlich Neues zu bieten (und hat sogar Erfolg damit). Aber auch mit einem konventionellen Programm ist im Glücksfall ein musikalischer Höhe-punkt möglich, wie der Abend in Murten zeigte.
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2010
Warmer Abend – kühles Iberia
21. August 2010 Die diesjährigen Sommerfestspiele Murten haben in spanischer oder spanisch inspirierter
Musik einen Schwerpunkt. Die „Symphonie espagnole“ von Edouard Lalo am zweiten Sinfoniekonzert stand
unter diesem Leitfaden.
Daniel Andres
Für die ersten beiden Sinfoniekonzerte wurden die Brünner Philharmoniker aus der mährischen Hauptstadt Brno eingeladen. Am zweiten Abend standen sie unter der Leitung ihres jungen Chefdirigenten Aleksandar Marković, und mit der Solistin Priya Mitchell eröffneten sie den Abend mit der „Symphonie espagnole“, einem fünfsätzigen Violinkonzert. Edouard Lalo schrieb es für den spanischen Geiger Pablo de Sarasate, der dem Komponisten auch einige spanische Volksweisen und Tänze vermittelte. Im, bei voller Zuhörertribüne praktisch resonanzlosen, Schlosshof von Murten hatte das spanische Kolorit etwas Mühe, sich zu entfalten. Das Orchester erweckte in diesem ersten Konzertteil den Eindruck, eher eine Pflichtübung zu absolvieren, man lieferte die richtigen Noten zur richtigen Zeit, aber spanisches Heissblut oder auch eine mitreissende Kantilene stellte sich nirgends ein. Auch die Solistin stellte ihre zweifellosen virtuosen Fähigkeiten unter Beweis, konnte aber kaum weder das
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Temperament noch die verführerische Süsse eines Geigentons (den man Sarasate nachsagte) wirklich ausspielen. Trotz des warmen Sommerabends wirkte alles etwas zu kühl.
Leichter Beethoven
In der zweiten Hälfte begegnete man fast einem anderen Orchester. Nicht dass die „Pastoral“-Sinfonie von Ludwig van Beet-hoven heissblütiger daher kam, aber das Spiel der Musiker kam der klassischen (und weniger naturalistischen) Naturschilder-ung des Komponisten sehr viel näher. Da trugen die mit zehn ersten Violinen eher klein besetzten Streicher und die trocken klare Akustik gemeinsam zu einer schon fast vorbildlichen Transparenz und Leich-tigkeit des Klanges bei. Der Dirigent, der in Wien studiert und mehrere Jahre in Inns-bruck an der Oper gewirkt hatte, erreichte auch mit seiner motivischen Detailarbeit eine sehr heutige Sicht dieser sechsten Sinfonie Beethovens. Schliesslich konnten
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sich die solistischen Holzbläser hervor-agend entfalten und steuerten sehr leben-dig empfundene und mehr als bloss gepflegte Einlagen bei. Der erste Oboist suchte sichtlich den Kontakt zu seinen Pultnachbarn und erfreute mit seinen Soli (was ihm vom aufmerksamen Publikum den stärksten Sonderapplaus einbrachte). Die Fagottisten gefielen durch ihre agilen und – etwa mit den Cellisten – rhythmisch, dynamisch und klanglich abgestimmten Einsätzen und auch Flöte und Klarinette oder die Hörner fielen immer wieder erfreulich auf. Das Festival „MurtenClassics“ dauert noch bis 5. September, wobei in zwei Konzerten (2./3. September) der Bieler Chefdirigent Thomas Rösner zum Zuge kommt. Zum Abschluss dirigiert Kaspar Zehnder eine konzertante Aufführung von Bizets Oper „Carmen“.
Link: www.murtenclassics.ch
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Musik für einen lauen Sommerabend
15. August 2009 Das Sinfonieorchester Biel eröffnete letzte Woche mit drei Konzerten das diesjährige Festival
MurtenClassics.
Daniel Andres
Das Festival steht unter dem Motto „Nord-licht“ und tatsächlich kommen bis am 30. August etliche Werke, von Orchester- über Kammermusik bis zu Liedern, von bekann-ten und wenig bekannten skandinavischen Komponisten zur Aufführung. Das Eröffnungskonzert mit dem Sinfonie-orchester Biel unter der Leitung von Kas-hromantische Musik, die auch hervorra-gend zu einem wolkenlosen und angenehm lauen Sommerabend im Murtener Schloss-hof passte.
Gründliche Vorbereitung
Das Bieler Orchester trat nicht in seiner Stammformation sondern in der sommer-lichen Besetzung mit fast zur Hälfte Prak-tikanten an den Bläser- und Streicherpul-ten an. Die jungen Musikerinnen und Musiker mit wenig oder gar keiner Orches-tererfahrung zeigten aber genug Können, und die Vorbereitung unter Kaspar Zehn-der geschah offensichtlich und hörbar mit gründlicher Sorgfalt, so dass das Orchester auch den Erwartungen eines Festivalpub-likums entsprach. Die Aufführungen im Freien haben noch ihre besonderen Tü-cken, etwa der Akustik oder auch bloss die Musiker störende Mücken. Davon liess sich das Orchester wenig beeindrucken, und ausser einigen kleinen Intonations-problemen bei den Bläsern, zwei drei
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wackligen Einsätzen und geringen Abstri-chen in der Präzision gab es nichts auszu-setzen.
Sommernacht-Zauber
Die Ouvertüre zu „Oberon“ von Carl Maria von Weber entfaltete vom ersten Horn-einsatz an ihren romantischen Zauber. Sie schlug inhaltlich auch einen Bogen zur „Sommernachtstraum“-Musik von Felix Mendelssohn mit ihren Feen und Rüpeln, dem überaus bekannten Hochzeitsmarsch und bis in die Zugaben hinein, die Kaspar Zehnder witzig in den Ausklang des Kon-zertes hinaus verlängerte. Auch hier eine doch bemerkenswerte Präzision in den luftigen Streicherpassagen der Ouvertüre und des Scherzo, dazu schöne Soli der Hörner, der Klarinette, Flöte und Oboe. Eine Musik die vom Stil und von der Auf-führung her geeignet war, ein unbeschwer-tes Sommerpublikum zu beglücken.
Gemässigte Expressivität
Etwas weniger heiter ist das Cellokonzert in a-moll von Robert Schumann, ein Spät-werk, das sowohl bedrückende wie auch beglückende Seiten hat. Die holländische Cellistin Quirine Virsen, unter anderem Gewinnerin des Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbes, des |
Rostropowitsch-Wettbewerbes in Paris und des begehrten Credit Suisse Award in Luzern, gestaltete das musikalisch an-spruchsvolle Werk mit gemässigter Expres-sivität, aber vital und in einem aufmerk-samen Wechselspiel mit dem Orchester, insbesondere auch mit der ersten Cellistin Brigitte Fatton im ergreifend schönen lang-samen Mittelteil.
Sorgsame Begleitung
Sowohl Solistin wie auch das für die reinen Orchesterwerke eher klein besetzte Orches-ter liessen sich trotz der geringen Reso-nanz im Schlosshof nicht zu forciertem Spiel hinreissen. Der Klanggenuss kann in einem geschlossenen Saal schöner sein, und doch gab es auch gerade im Piano sehr gelungene und bezaubernde Partien bei der Solistin wie auch bei den aufmerk-sam und sorgsam begleitenden Streichern des Orchesters. Kaspar Zehnder hat in letzter Zeit öfter mit dem Bieler Orchester gearbeitet und er hat sowohl das Orchester wie auch das Publikum immer wieder durch genaue Proben und sehr lebendige Auf-führungen überzeugt. Erfreulich ist daher auch die hoffentlich regelmässige Zusam-menarbeit mit dem künstlerischen Leiter des Festivals von Murten.
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Serenadenkonzert im Schlosshof
Leichtfüssiges Abendständchen im Schlosshof
20.August 2008. Am Festival MurtenClassics spielte das Sinfonieorchester Biel unter Thomas Rösners Leitung
vergangenen Mittwoch ein gelungenes Serenadenkonzert.
Daniel Andres
Die über dem Murtensee untergehende Sonne blendete anfangs die Musiker im Schlosshof zu Murten ein wenig, aber sonst war es ein eher kühler Sommerabend. Klar wie die kühle Luft war auch der Or-chesterklang, man hörte jede kleinste Un-reinheit, die feinste Unebenheit in der Frei-licht-Akustik. Klar und lebendig Allerdings wurde dies nicht zum Störfaktor, denn die Musiker des Sinfonieorchesters Biel spielten Klassik von Boccherini über Haydn zu Mozart in nahezu perfekter Rein-heit. Vielleicht, dem kühlen Klima entspre-chend, etwas kühl, aber kristallklar und doch bis ins letzte Detail mit Leben erfüllt. Zur Eröffnung erklang die Ouvertüre zu „Lodoïska" des französischen Klassikers Luigi Cherubini. In der Einleitung abwech-selnd Bläser und Streichereinsätze, die be-reits aufhorchen liessen und dann im Alle-gro-Teil auch die raschen Streicherfiguren blitzsauber. Ein vielversprechender Auf-takt. Wunderbare Leichtigkeit Vor der Pause spielte Thomas Demenga
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zwei Cellokonzerte von Luigi Boccherini und Joseph Haydn. Schön dass wieder ein-mal eines der Konzerte des Italieners Boccherini, der am spanischen Hof Karriere machte und selbst ein Cellovirtuose war, zum Zuge kam. Seine Konzerte nützen die Fähigkeiten des Violoncellos, das eigent-lich damals vor allem noch ein Begleit-instrument war, virtuos und bis in die höchsten Lagen aus, zudem war er ein begnadeter melodischer Erfinder, den auch Mozart schätzte. Solist und Orchester entwickelten eine wunderbare Leichtigkeit und harmonierten auch in den zeitlichen Abläufen sehr organisch. Der melodische zweite Satz, das Cello bloss von den Geigen begleitet, war neben den spritzigen Ecksätzen ein beson-derer Genuss. Eine ähnlich gute Performance erreichten die Musiker im bekannteren Konzert in C-Dur von Joseph Haydn. Auch hier eine durchsichtige Klarheit des Klangs. Trotz der (abwesenden) Akustik liessen sich we-der Solist noch Orchester zu druckvollem Spiel verleiten, sondern blieben locker aber wiederum sehr akzentuiert in der Artiku-lation der belebten Teile, aber der Solist auch gesanglich im mittleren Adagio. Die Streicher des Bieler Orchesters, auch die |
jungen Praktikanten fielen durch ein hoch präzises Zusammenspiel auch in den ra-senden Tempi des mit „Allegro molto" überschriebenen Schlusssatzes auf. Solo für das Posthorn Nach der Pause wurde die siebensätzige „Posthorn"-Serenade in D-Dur KV 320 von Wolfgang Amadeus Mozart geboten. Ein Werk, das für eine Aufführung im Freien wohl geschaffen wurde. Im Gegensatz zu den fast ohne Bläser auskommenden Cello-konzerten arbeitet Mozart in diesem Werk mit der ganzen Farbigkeit einer in der dama-ligen Zeit reichhaltigen Bläserbesetzung und gibt der Flöte, der Oboe, dem Fagott und im zweiten Menuett einem leibhaftigen Posthorn solistische Aufgaben. Beson-derer Erfolg natürlich für den kurzen, aber schön reüssierten Einsatz des Posthorns. Alle Beteiligten wie auch die Streicher und Pauken erfreuten im Übrigen vor ausver-kauftem Schlosshof mit prächtig gelun-genen Leistungen. Thomas Rösner wählte in den Ecksätzen zügige Tempi liess aber in den ruhigeren Teilen die Musik auch at-men. Die einfallsreiche und trotz kleinen Stimmungsschwierigkeiten wegen der küh-len Temperatur wundervoll gebotene Sere-nade war wie das gesamte Konzert ein schwereloser Genuss.
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