Klassik Schweiz - Suisse classique - Swiss classic
Das Swiss-Classic-Journal
heute ist der 21.03.2011
20. März 2011 Eine Begegnung der Kulturen (Frühlingskonzert Grenchner Stadtorchester)
14. November 2010 Junger Solist mit reifer Leistung (Grenchner Stadtorchester mit Nicolas Altstaedt)
20. Juni 2010 Junge Pianistin spielt Werke des jungen Chopin (Marianne Walker im Bachtelen)
2. Mai 2010 Französisch inspirierte Musik im Bachtelen
21. März 2010 Mit Mozart den Frühling eröffnet (Stadtorchester Grenchen)
25. Januar 2009 Parallelen zwischen Klängen und Epochen (Orgel und Saxophon in der Zwinglikirche)
8. November 2008 Übereinstimmung zwischen Werk und Interpreten (Yehudi Menuhin-Stiftung)
26. Oktober 2008. Gelungenes partnerschaftliches Musizieren (Grenchner Stadtorchester)
17. Oktober 2008. Klangschönes Gastspiel aus St. Petersburg
14. September 2008. Die dunkle Schwester der Violine
Eine Begegnung der Kulturen
Das Grenchner Stadtorchester bot im Parktheater mit seinem Frühlingskonzert
ein bemerkenswertes Programm mit weniger bekannten Komponisten an.
von Daniel Andres
Das Stadtorchester und Solistin Barbara Jost. dab
In mindestens dreifacher Hinsicht war das Frühlingskonzert des Stadtorchesters
Grenchen am Samstag im Parktheater, am Sonntag in der Kirche Oberwil, inte-
ressant und auch mutig. Die Werkwahl beschränkte sich auf zwei Komponisten
der Vorklassik und mehrere Namen der Neuzeit, worunter eine Uraufführung.
Es gab eine Begegnung verschiedener Kulturen mit den beiden Stücken des
sudanesischen, in Ägypten wirkenden Komponisten Ali Osman. Das Orches-
ter bestand ausschliesslich aus Streichern und verzichtete auf die sonst übli-
chen Bläser-Zuzüger.
Gegen den Strich
Die Werke der Vorklassik entstammen der Feder von zwei Söhnen Johann
Sebastian Bachs. Carl Philipp Emmanuel war einer der bedeutendsten Kom
ponisten seiner Zeit, er wirkte in Berlin und Hamburg und hatte grossen Ein
fluss auf die Musikentwicklung seiner Zeit. Für Joseph Haydn war er ein
grosses Vorbild und sein Stil, der vorwiegend mit der Epoche des «Sturm
und Drang» verbunden wird, wirkte über Haydn bis zu Beethoven, aber so-
gar noch bis zum jungen Mendelssohn nach. Wilhelm Friedemann hatte nicht
eine so breite Wirkung, aber er war ein genialer Kopf. Beide stehen heute
etwas im Schatten bekannterer Meister, weil sie in einer Periode des Um-
bruchs wirkten und andere ihre Neuerungen zur Reife brachten.
Beide Sinfonien, die das Stadtorchester unter der Leitung von Daniel Polenta-
rutti darbrachte, sind vor allem für die hohen Streicher inklusive Bratsche nicht
einfach zu spielen wegen ihres «durchbrochenen» Stils und auch der häufigen
Brüche in Tempo und Charakter, wie auch einer manchmal «gegen den Strich»
verlaufenden melodischen Linie. Dessen unbeirrt legte der Dirigent den Schwer-
punkt auf eine angemessene Interpretation, und trotz gewisser Unzulänglichkei-
ten im Technischen oder der Intonation entstand ein gutes und belebtes Klang-
bild, das auch neuere Erkenntnisse in der stilgerechten Wiedergabe berücksich-
tigte.
Arabisch gefärbte Musiksprache
Der sudanesische Komponist Ali Osman schrieb ein Stück für die Oboistin Bar-
bara Jost. Schade konnte er der Uraufführung – unter anderem wohl wegen
Visum-Schwierigkeiten – nicht beiwohnen. Die Solistin wie das Orchester hat-
ten alle Mühe darauf verwendet, die stark arabisch gefärbte Musiksprache mög-
lichst adäquat und überzeugend wiederzugeben. Die «Sudanese Impressions»
wie auch das folgende Stück «Fusion» für Streicher und das Schlaginstrument
Riqq, in welchem auch die Streicher über grössere Strecken zu Perkussionisten
wurden, fanden bei den Ausführenden sichtlich Anklang und hatten den verdien-
ten Erfolg.
Sehr schön gelang auch die Rhapsodie für Englischhorn und Streicher des Eng-
länders Gordon Jacob, mit ihren eher romantischen, im Mittelteil aber auch stark
synkopierten Klängen. Den Abschluss bildete ein Concerto grosso für Streich-
orchester von Ralph Vaughan Williams, dem man anmerkte, dass es für Laien-
musiker und dazu für ein Riesenorchester geschrieben war. Es wirkt etwas pla-
kativ, auch wenn das Streichorchester mannigfach aufgeteilt wird und vom Quar-
tett über Sextett und andere Gruppierungen bis zum Tutti verschiedenste Kom-
binationen eingesetzt werden.
Die anwesenden Hörer spendeten vor allem der Solistin wie auch dem Orches-
ter und seinem Dirigenten den durchaus verdienten Beifall.
Junger Solist mit reifer Leistung
Das Grenchner Stadtorchester spielte ein Jubiläumskonzert zu neunzig Jahren seines Bestehens. Ohne
Ansprachen, aber mit einem reputierten Solisten im voll besetzten Parktheater.
Daniel Andres
Wie machen die das bloss, fragt sich der Aussenstehende, denn wieder hat es das Grenchner Stadtorchester fertiggebracht, einen zwar noch jungen aber doch bereits international renommierten Solisten in die Uhrenstadt zu holen. Der deutsche Violon-cellist Nicolas Altstaedt hat bereits einige bedeutende Preise errungen, darunter den Credit Suisse Young Artists Award 2010, der ihm nicht „nur“ eine erkleckliche Preis-summe, sondern einen Auftritt mit den Wiener Philharmonikern am Luzern Festival im Sommer einbrachte. Mit dem Stadtorchester Grenchen spielte er am Sonntag das Cellokonzert a-moll op.129 von Robert Schumann. Das ist einerseits ein Prüfstein für die technische Virtuosität eines Cellisten, aber noch fast viel mehr lässt sich an diesem Konzert die musikali-sche Intelligenz und das Verständnis, man möchte sagen, die künstlerische Reife ei-nes Solisten erkennen.
Gute Zusammenarbeit
Und der absolut uneitle junge Musiker gab im Parktheater eine eindrückliche, bewe-gende und berührende Probe seines Kön-
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nens und seiner Reife ab. In seinem Spätwerk hat Schumann, der bei der Entstehung des in vielem ausserge-wöhnlichen Werks bereits in seelischen Schwierigkeiten steckte, ganz Neues ver-sucht, was ihm in diesem Stück auch ge-lungen ist. Die motivische und thematische Verbind-ung der drei Sätze, die konsequente Ver-webung des Soloinstrumentes mit dem Orchester sind so Punkte, welche die Auf-führung für Solist und Orchester an-spruchsvoll machen. Und trotzdem das Grenchner Orchester zum Teil aus Laien-musikern besteht, wurden die Anforder-ungen in erstaunlich hohem Mass erfüllt. Wohl auch dank der guten und sichtbar freundschaftlichen Zusammenarbeit zwi-schen Solist, Dirigent und Orchester. Hervorzuheben etwa die erste Hornistin und auch die Cellistin, die im wundervollen langsamen Teil mit dem Solisten duettiert und dafür auch seinen Blumenstrauss erntete. Und der Solist konnte sich frei bewegen und bot eine Interpretation die nicht bloss auf Schönklang aus war, son-dern von Leidenschaft, Wärme und Ener- gie erfüllt war und die auch die Widerha-ken, welche dieses Werk aufweist nicht
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beschönigte. Alles höchst eindrucksvoll.
Keine Angst vor Beethoven
Daniel Polentarutti dirigierte im zweiten Teil die siebente Sinfonie in A-Dur op. 92 von Ludwig van Beethoven. Auch ein Wagnis für ein halbes Laienorchester. In etlichen Partien der Aufführung trat dies auch zu Tage. Der Beginn des zweiten Satzes mag auf Anhieb einfach erscheinen, aber wenn in den tiefen Streichern nicht völlige Ein-heit und Reinheit der Intonation herrscht, geht Vieles von der Wirkung verloren. Auch in den hohen Streichern gab es ab und zu Spitzentöne, die nicht makellos waren. Dafür waren die Bläser fast stets zuverlässig und boten auch sehr ausge-wogene und schöne Klänge. Insgesamt war auch diese Darbietung von Energie und schwungvollem Elan erfüllt, und wenn die Klangkultur nicht mit derjenigen von Philharmonikern mithalten konnte, wurde dem Publikum eine sehr erfreuliche und weitgehend präzise Aufführung mit Profil geboten. Zu Beginn erklang die Ouvertüre zu „Preziosa“ von Carl Maria von Weber, preziös und präzis vor allem in der rhythmischen Gestaltung.
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Junge Pianistin spielt Werke des jungen Chopin
Zum Gedenken an den 200. Geburtstag von Frédéric Chopin spielte die junge Pianistin Marianne Walker im Girardsaal des Bachtelenheims Jugendwerke des Komponisten.
Daniel Andres
Sagt man Jugendwerke, so ist das sehr wörtlich zu nehmen. Chopin war ein Wun-derkind und die zwei Polonaisen in g-moll und B-Dur, welche Marianne Walker nach zwei einleitenden Mazurken spielte, schrieb der Komponist mit sage und schreibe sie-ben Jahren. Die beiden Nocturnes opus 9, die gegen Ende des reichhaltigen Programms erklan-gen, entstanden im zwanzigsten Lebens-jahr des Komponisten. Zu dieser Zeit war Chopin bereits ein reifer und in Warschau wie in Wien und Paris hoch geschätzter Pianist und Komponist. Die Variationen über das Duett „La ci darem la mano“ aus der Oper „Don Giovanni“ von Mozart, welche zwischen dem 17. und 18. Lebens-jahr entstanden, entlockten dem ein Jahr älteren Robert Schumann als Kritiker der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ bewundernde Worte.
Intime Gedanken
Die Grenchner Pianistin leitete ihr Konzert
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mit den zwei Mazurken in G-Dur und B-Dur ein, welche 1825/26 entstanden. Die Mazur-ka begleitete den polnischen Patrioten, der ab 1830 in Paris im Exil weilte, das ganze Leben lang. Noch auf dem Totenbett schrieb er seine letzte Mazurka, und diesen oft schlichten Tänzen vertraute er seine kühnsten Harmonien und intimsten Ge-danken an. Die drei Mazurken opus 68 hingegen wurden zwar erst nach seinem Tod veröffentlicht, aber bereits um 1830 komponiert. Marianne Walkers Spiel gefiel in den drei frühjugendlichen Polonaisen durch Leich-tigkeit und Anmut. Die Stücke haben nicht die Dramatik späterer Polonaisen von Cho-pin. Auch die Variationen „sur un air alle-mand“ sind im Charakter leicht und spie-lerisch, während das anschliessend ge-spielte „Rondo à la mazur“ opus 5 in den Zwischenteilen sehr konzertant wirkt und technische Anforderungen stellt, denen sich Marianne Walker in überlegener Ma-nier gewachsen zeigte. Mit etwas mehr Mut hätte sie in diesem Stück die dynami-
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sche Bandbreite ausweiten und den konz-ertanten Charakter damit hervorheben können. Dunklere Schattierungen In den Nocturnes opus 9 konnte die Pia-nistin auch das gesangliche Legatospiel pflegen. Vor allem das erste der beiden Stücke ist harmonisch vielfältiger, auch mit dunklen Schattierungen als die früheren Stücke. In den abschliessenden Variationen über das berühmte Thema aus Mozarts „Don Giovanni“ konnte Marianne Walker ihre technischen Fähigkeiten, vor allem eine leichte Geläufigkeit, zur Geltung bringen. Das bereits reife Werk mit einem brillanten Finale und dem für Chopin charakteristi-schen Klavierklang gelang der Interpretin überzeugend und bildete einen schönen Abschluss des abwechslungsreichen Einblicks in Chopins Jugendwerk.
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Französisch inspirierte Musik im Bachtelen
Im schönen Girard-Saal des Kinderheims Bachtelen fand am Sonntag ein geschickt gestaltetes Programm
mit französischer Musik und zwei Werken von Komponisten aus der Region statt.
Daniel Andres
Die Mazzini-Stiftung als Veranstalterin hat offenbar angeregt, unbekannte oder fast vergessene Komponisten aus der Region aufzuspüren und ihre Musik aufzuführen. So wurde man fündig bei Peter Escher in Olten und Alban Roetschi in Solothurn. Peter Escher ist 2008 hochbetagt gestor-ben. Er hat, als gebürtiger Basler, jahrzehn-telang in Olten als Chor- und Orchester-leiter gewirkt, dabei den Laienmusikern immer wieder neuere Musik aus dem 20. Jahrhundert nahegebracht und auch zahl-reiche eigene Chor- und Orchesterwerke geschaffen.
Klanglich reizvoll
Von ihm gelangte eine Fantasie für Flöte und Klavier opus 59 zur Aufführung. Der Flötist Beda Mast und die Pianistin Mari-anne Walker waren dem einfallsreichen und klanglich reizvollen, dem französi-schen Stil des frühen 20. Jahrhunderts verpflichteten Werk hervorragende Inter-preten. Alban Roetschi hat als Musikpädagoge, Chor- und Orchesterleiter ebenfalls jahr-zehntelang gedrungen, obwohl von ihm im |
Laufe der Zeit etliche Werke aufgeführt worden sind. Wiederum waren
es Beda Mast und Marianne Walker, die sich der Sonatine für Flöte
und Klavier annahmen und das gefällige, in einem „gemässigt
modernen“ Stil gehaltene dreisätzige Werk in seiner ebenfalls
französisch inspirierten Frische interpretierten. Nebenbei: Es ist
auffallend, wie viele Komponisten aus Bern, dem Jurasüdfuss und bis
Basel sich zur französischen Musik hingezogen fühl-ten und noch
fühlen.
Fast vergessen
Das französische Programm des Abends begann mit einem Duo für zwei gleich hohe Instrumente des Barockmeisters François Couperin, den man vor allem von seinen Cembalo- und Orgelwerken her kennt. Die Klarinettistin Junko Otani gesellte sich in diesem „Concert pour deux instruments“ zum Flötisten Beda Mast. Die Pianistin Marianne Walker bewies ihr Können an-schliessend in der Suite „Pour le piano“ von Claude Debussy, einem vor allem in der abschlies-senden Toccata auch virtu-osem Werk. Auf dem kleinen Flügel des
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Saals gelang der Pianistin doch eine beein-druckende Wiedergabe, mit gelegentlich ein bisschen zuviel Pedal. Den Komponisten Charles-Marie Widor kennen heute fast nur noch die Organisten und doch hat er auch Orchesterwerke und Kammermusik geschaffen, die auch heute noch oder wieder Interesse verdienen, wie „Introduction et Rondo“ op.72 für Klarinet-te und Klavier bewies, das von Junko Ota-ni und Marianne Walker hervorragend vorgetragen wurde.
Unterhaltender Schluss
Schliesslich gab es einen beinahe unter-haltenden Abschluss mit einer Suite (be-arbeitet von Michael Webbster für Flöte, Klarinette und Klavier) von Melodien aus der Oper „Carmen“ von Georges Bizet, ei-nem tragischen Stück, aus dem das Pub-likum aber vor allem die mitreissenden spa-nischen Rhythmen und Melodien liebt. Das recht zahlreiche Publikum im Saal freu-te sich an der Musik und an der brillanten Wiedergabe durch das ausgezeichnete Trio.
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Mit Mozart den Frühling eröffnet
Mit Werken von Wolfgang Amadeus Mozart eröffnete das Grenchner Stadtorchester letzten Samstag
pünktlich den Frühling.
Daniel Andres
Nachdem Daniel Polentarutti bereits letztes Jahr zwei Konzerte in Grenchen dirigiert hatte, leitete er nun das erste Konzert als gewählter Dirigent des Stadtorchesters. Mit einem reinen Mozart-Programm ging er auch ein gewisses Wagnis ein, denn für Laien wie Profis ist Mozart bei weitem nicht so einfach zu spielen wie es scheint. In der ersten Programmhälfte standen Werke des jungen Mozarts, eine Opern-Ouvertüre des 16-Jährigen und das einzige Fagottkonzert, das er im Alter von 18 Jahren schrieb. Mit der letzten Sinfonie Mozarts, der „Jupiter“-Sinfonie in C-Dur, die im August 1788, also drei Jahre vor Mozarts Tod entstand, wagte man sich an ein schwieriges und anspruchsvolles Werk.
Werke eines Jünglings
„Lucio Silla“ ist eine Oper, die Mozart 1772 im Auftrag der Mailänder Oper schrieb, nachdem er dort schon zwei Jahre vorher auf seiner ersten Italienreise Erfolge als Komponist feiern konnte. Die Ouvertüre ist naturgemäss etwas plakativ – sie sollte in erster Linie das Publikum zum Schweigen bringen, bevor die eigentliche Handlung |
begann – aber mit raschen Figuren in den Violinen doch auch heikel zu spielen. Aber das Ergebnis konnte überzeugen, Daniel Polentarutti wählte recht forsche Tempi und kam damit an eine heutige, zeitgemäs-se Auffassung des Mozart-Stils heran, und das Orchester präsentierte eine gefällige Aufführung. Das Fagottkonzert entstand nach der Rückkehr nach Salzburg und ist eines der ersten Instrumentalkonzerte des Kompo-nisten. Es folgt auch dem dreisätzigen italienischen Vorbild. Das Fagott war als Solo-Instrument zu allen Zeiten nicht eben häufig anzutreffen. Der Solist Patrik Lü-scher konnte aus den Solopassagen in den raschen Ecksätzen mit beweglichem und virtuosem Spiel Gewinn schlagen. Der langsame Satz ist liedhaft mit kantablen Linien, worin der Fagottist auch die klang-lichen Eigenschaften des Instrumentes zur Geltung bringen konnte. Zusammen mit dem sauber musizierenden Orchester ergab sich eine Wiedergabe, der man zustimmen konnte. Die 41. Sinfonie in C-Dur, von späteren Bewunderern nach dem Gott „Jupiter“ genannt, ist zwar die letzte Sinfonie Mo- |
zarts, aber kein Abschiedswerk. Mozart lebte nach diesem Werk, das mit den Sin-fonien in Es-Dur und g-moll Bestandteil einer Trilogie bildet, noch drei Jahre und hätte wohl weitere Sinfonien geschrieben, wenn ihm dies vergönnt gewesen wäre.
Etwas Endgültiges
Doch hat sie etwas Endgültiges, weil in ihrem Finale verschiedene Stile und Kom-positionstechniken des Barock und der Klassik auf eine meisterhafte und fast nicht überbietbare Weise verknüpft werden. Zur Aufführung ist zu sagen, dass sie für ein Laienorchester respektabel war und von solider Vorbereitung zeugte. Grenzen waren insofern festzustellen, als der Di-rigent, im Bestreben das Zusammenspiel so präzis wie möglich zu gestalten, etwas stark auf das Metrum fokussierte und die Musik deshalb etwas eckig wirkte. In bewegten Teilen geriet auch den tiefen Streichern gelegentlich nicht alles nach Wunsch. Aber insgesamt war auch diese Aufführ-ung eine beachtliche Leistung des Stadt-orchesters und seines neuen Leiters.
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Parallelen zwischen Klängen und Epochen
Saxophon und Orgel ist eine eher unkonventionelle Kombination. In der Grenchner Zwinglikirche fanden sich
der Saxophonist Jürg Morgenthaler und der Organist Stefan Schättin zu einem Programm das von BaRock bis
zu JazzRock reichte.
Daniel Andres
Das Saxophon ist ein sehr wandlungs-fähiges Instrument. Der eigentlich im Jazz beheimatete Jürg Morgenthaler hat das auch in diesem Programm aufgezeigt. So klingt das Sopransaxophon in einem Stück von Johann Sebastian Bach plötzlich wie ein Zink, einem Instrument das in der Re-naissance seine Blüte erlebte und – ja ganz ähnlich wie das Saxophon – ein bisschen ein Zwitter zwischen Blech- und Holz-blasinstrument ist. Wenn man dann noch die Register auf der Orgel zieht, welche alte Instrumente imitieren (der Zink gehört auch dazu, oder der Dulzian, das Kornett oder die Schalmei) so können sich spannende Klänge ergeben. Das „Air“ aus der dritten Orchestersuite von Bach war ein Beispiel, wie ein „modernes“ Instrument durchaus Assoziationen an barocke Instrumente we-cken kann. Und dazu kommt dann noch die barocke Spielpraxis, die den gedruckten Notentext auch ganz frei mit zusätzlichen Verzierungen ausschmücken kann, was wiederum eine Verbindung zum Jazz ergibt, |
der ja viel mit Improvisation und spieler-ischer Freiheit zu tun hat.
Zu wenig Improvisation
Leider bemerkte man von diesen Parallelen etwas zu wenig in den Stücken und den Bearbeitungen welche die beiden Musiker für ihr Programm ausgewählt hatten. Das halbe Hundert Zuhörer mochte sich wohl auch nicht um musikhistorische Zusam-menhänge kümmern, sondern erfreute sich an den mehrheitlich jazzigen Klängen. Noch eine kleine Nörgelei sei angebracht. Es waren eigentlich recht gute Arrange-ments der Stücke zu hören, aber ausser dem weitgehenden Fehlen von improvisa-torischen Elementen klangen die Rhythmen trotz der vielen Synkopen etwas viereckig, also so richtig swingen wollte es auf der Orgel doch nicht. Am jazzigsten oder funkigsten noch das Stück von Herbie Hancock „Watermelon Man“ und beim letzten Titel im Programm,
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„Evening Song“ von Thomas Peter-Ho-ras,einem klassischen Pianisten, der aber auch Jazz- und Popstücke komponiert, wur-de es gar ein wenig jazz-rockig. Auch Mi-chael Schütz ist so ein Grenzgänger, der ur-sprünglich Kirchenmusik studierte und nun als Dozent für Popularmusik in Tros-singen wirkt. Von ihm erklangen ein Or-gelsolo und ein Duo für Sax und Orgel. Ein Orgelstück des in Zürich wirkenden Ap-penzellers Theo Wegmann „Church Blues“ zeigte die Eignung der Orgel für jazzbe-einflusste Musik, was man ja auch von Amerika und dem Gospel her kennt, wirkte aber wie viele der Arrangements zu wenig „free“. Ein Konzert mit vielen schönen Me-lodien und synkopierten Rhythmen. Neben Bachs berühmter d-moll-Toccata und dem ebenso berühmten C-Dur-Präludium kamen auch bekannte Standards von Oscar Peter-son („Hymn to freedom“), Johnny Mandel („The Shadow of your smile“) und ein „Holy Blues“ von Barbara Dennerlein zum Erklingen. Die Zuhörer belohnten die Mu-siker am Schluss mit viel Beifall.
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Übereinstimmung zwischen Werk und Interpreten
Das Konzert der Yehudi-Menuhin-Stiftung Grenchen lockte am Samstag viele Zuhörer ins Parktheater. Das Winterthurer Musikkollegium und der Pianist Sergey Koudriakov boten ein hochstehendes Programm.
Daniel Andres
Anstelle des angekündigten Alan Buri-bayev dirigierte Michael Sanderling das Konzert. Das war insofern kein Verlust, als der Sohn des weltbekannten Dirigenten Kurt Sanderling als Interpret von Beetho-ven und Brahms sehr überzeugte. Vor der Pause aber sass der noch junge Sergey Koudriakov am Flügel und brillierte im fünften Klavierkonzert in Es-Dur opus 73 von Ludwig van Beethoven. Es sei nicht unterschlagen, dass dem Géza-Anda-Preisträger von 2006 kleine Pannen unter-liefen, eher kleine Konzentrationsmängel als technische Fehlbarkeiten. Aber er führ-te einen einerseits kräftigen und impul-siven Beethoven vor, fand aber auch immer wieder den Rückzug in intimere Gefühls-welten. Vor allem im langsamen Satz, dem „Adagio un poco mosso“ (gemächlich, ein wenig bewegt) konnte er die sanglichen Fähigkeiten seines Anschlages entfalten. Gemeinsam mit der sehr leisen Grundier-ung der Streicher und den feinfühlig gebla-senen Einwürfen der Holzbläser blühte hier eine sehr intime Seelenwelt auf. Sie wird durch den jähen Einsatz des Rondothemas als Auftakt zum Finale fast übermütig durchbrochen. Der Pianist glänzte hier wie im ersten Satz nicht bloss durch Kraft die nie hart wirkte, sondern auch durch perlen- |
de Leichtigkeit in Läufen oder den Spiel-figuren im obersten Diskant des Klaviers.
Zupackende Intensität
Mit dem Orchester wurde weitgehende Einigkeit in den Abläufen erzielt. Der Klangkörper aus Winterthur wirkte solide, akkurat und genau. Als Zugabe wählte der Pianist den „Erlkönig“ von Schubert in der Bearbeitung für Klavier solo von Franz Liszt und zeigte auch hier Virtuosität, zu-packende Intensität und dynamische Diffe-renzierung. Den zweiten Teil nach der Pause fühlte die erste Sinfonie von Brahms aus, ein Werk mit dem sich der Komponist Zeit gelassen hatte, zu stark wirkte auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch das fast erdrückende Vorbild von Beethoven nach. Für heutige Verhältnisse in den philharmo-nischen Orchestern gingen die Winter-thurer mit einer relativ kleinen Streicherbe-setzung ans Werk. Zu Zeiten des Kompo-nisten aber war dies in etwa die übliche Stärke. Der Streicherklang wirkt deshalb vielleicht etwas weniger „seidig“, ins-besondere in einem eher trockenen Saal wie dem Parktheater.
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Gute Abstimmung
Aber Brahms, dem man auch – zu Recht oder zu Unrecht – auch eine gewisse Knorrigkeit nachsagt, kommt das mögli-cherweise auch zustatten. Jedenfalls über-zeugte uns die Interpretation von Minute zu Minute mehr und mehr. Die Streicher brachten doch Intensität und Wärme etwa im zweiten Satz oder im Hauptthema des letzten Satzes hervor. Die Holzbläser waren klangschön im Ensemble wie auch in den Soli etwa der Oboe oder der Klarinette. Das Blech spielte sehr genau und integrierte sich hervorragend in den Gesamtklang. Wie weit dies das Verdienst des kurzfristig eingesprungenen Dirigenten ist, können wir auf Anhieb schwer einschätzen, doch hatten wir den Eindruck, dass sich Dirigent und Orchester immer besser verstanden. Michael Sanderling hielt mit solider Schlag-technik auf Präzision und da war auch im Orchester kaum eine Schwäche auszu-machen. Dazu stimmte die Ausgewo-genheit der Register und – was vielleicht am wichtigsten ist – die Übereinstimmung zwischen Werk und Ausführenden wuchs zunehmend. So genossen die Zuhörer eine sehr schöne und erfüllte Wiedergabe die-ses reichen Werkes.
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Gelungenes partnerschaftliches Musizieren
Das Grenchner Stadtorchester spielte am Sonntag vor fast vollem Parktheater. Es war das letzte Konzert, das
Rudolf Emanuel Baumann dirigierte, und der russische Pianist Boris Berezovsky zog sicher das Publikum an.
Daniel Andres
Es war nur leicht untertrieben, wenn die Sprecherin des Orchesters den Pianisten Boris Berezovsky als junges Talent auf dem Sprung zu einer grossen Karriere an-pries. Tatsächlich hat der Pianist 1990 die Goldmedaille am renommierten Tschaiko-wsky-Wettbewerb in Moskau gewonnen und ist seither in den grössten Konzert-sälen der Welt anzutreffen. Und nun hat er es auch ins Parktheater von Grenchen ge-schafft. Tatsächlich eine Ehre für das mit profes-sionellen Musikern verstärkte Amateur-orchester, das aber doch in vergangenen Zeiten schon des Öftern prominente Gäste empfangen durfte. Und bei Berezovsky fiel nun zudem auf, dass er sich völlig auf das Zusammenspiel mit Orchester und Dirigent einliess und keine Solo-Show abzog. Das machte das Unterfangen einer gemeinsa-men Interpretation des vierten Klavier-konzertes in G-Dur, opus 58, von Ludwig van Beethoven von Anfang an sympa-thisch und trug zum Gelingen bei.
In sich geschlossen
Der Stil von Berezovsky ist eher zurückhaltend, dabei nicht ausgesprochen sensibel im Anschlag und sogar ein wenig nüchtern und trocken. Aber dabei kommen andere Qualitäten zum Tragen. An sich hätte er im ersten Satz – nach den Ein-leitungstakten zu schliessen – ein etwas
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flüssigeres Tempo angeschlagen, doch Ru-dolf Emanuel Baumann konnte oder moch-te dieses Tempo nicht übernehmen, und der Solist hat sich sorgsam angepasst und in fast kammermusikalischer Manier stets mit dem Orchester zusammen musiziert und bei allen Übergängen aufmerksam Rück-sicht genommen. Trotzdem gelang ihm eine persönliche, in sich geschlossene und schlüssige Interpretation. Sie wirkte nicht romantisierend, sondern klar und trans-parent, keineswegs weich, obwohl das ers-te kräftige Forte erst zu Beginn der Reprise im ersten Satz auftrat. Im langsamen Satz trat er im Dialog mit dem durchwegs Forte spielenden Orchester aus dem vorge-schriebenen Pianissimo heraus und schlug einen dynamischen Bogen, der vielleicht nicht ganz den Vorstellungen von Beet-hoven entsprach. Das Rondo wiederum war spielfreudig und auch überraschend geheimnisvoll im Seitenthema. Insgesamt eine schöne, auch mit Spannung erfüllte Wiedergabe des Pianisten. Ein bisschen Spannung bereitete auch die Frage, ob das Orchester der anspruchsvollen partner-schaftlichen Aufgabe in diesem Konzert mit Tempowechseln und dazu einigen Frei-heiten in den Tempi gewachsen sei. Und siehe, mit wenigen kleinen Pannen (die wir hier verschweigen) bewältigten Dirigent und Orchester ihre Aufgabe fast über Er-warten gut. Für die Zuhörer jedenfalls war die Aufführung ein erfreuliches Erlebnis, wie auch die beiden Zugaben von Chopin, |
in denen Boris Berezowsky technische Überlegenheit und eine beneidenswerte Leichtigkeit und auch Klangkultur bewies.
Lebendig trotz Vorsicht
Im ersten Teil des Konzertes spielte das Orchester Felix Mendelssohns vierte Sin-fonie in A-Dur, opus 90, die „Italienische“. Vor Wochenfrist hatte dasselbe Werk die Russische Kammerphilharmonie St Peters-burg in der Eusebiuskirche gespielt und Vergleiche drängten sich daher beinahe auf. Man kann sagen, dass das Grenchner Stadtorchester dabei gar nicht schlecht aussieht. Rudolf Emanuel Baumann wählte für die spritzigen Ecksätze etwas vorsich-tige Tempi, aber lebendig blieb die Musik trotzdem. Die schwierigen Streicherpassa-gen gelangen nicht alle ganz perfekt, aber doch erstaunlich präzis in einer unbarm-herzigen Akustik, in welcher man jedes Pat-zerchen hört. Die Bläser (die Meisten da-von Profis) spielten sauber und tonschön, so dass im Ganzen gesehen doch eine sehr erfreuliche und gefällige Aufführung des nicht leicht zu spielenden Werks zustande kam. Es war Rudolf Emanuel Baumanns letztes Konzert als Chefdirigent des Grenchner Stadtorchesters, was der andere Boris, nämlich Stadtpräsident Boris Banga am Schluss des Konzertes mit Dankesworten und mit der Überreichung einer kleinen Skulptur würdigte.
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Klangschönes Gastspiel aus St. Petersburg
In der Eusebiuskirche Grenchen gastierte vergangenen Freitag die Russische Kammerphilharmonie aus St. Petersburg. Die Internationale Musikwoche Grenchen IMG hatte das Konzert organisiert.
Daniel Andres
Eine Kammerphilharmonie ist grösser als ein Kammerorchester, aber kleiner als ein Philharmonisches Orchester. Die Bezeich-nung ist in den letzten Jahrzehnten ent-standen für Besetzungen mit Streichern und Bläsern und einem Bestand von rund fünfunddreissig bis höchstens fünfzig Mu-sikern. Damit kann ein solches Orchester fast das ganze klassische und frühromantische Repertoire von Haydn über Mozart und Beethoven bis zu Mendelssohn und den Sinfonien von Schumann abdecken. Das Konzert unter der Leitung von Juri Gilbo begann denn auch mit drei Stücken aus der Schauspielmusik zum „Sommernachts-traum“, die Felix Mendelssohn teilweise in noch sehr jungen Jahren komponiert hatte. Vor allem die Ouvertüre, die er mit sieb-zehneinhalb Jahren komponiert hatte, er-weckte immer wieder Erstaunen. Wobei er-wähnt sei, dass der junge Mendelssohn schon mit sechzehn und früher ganz er-staunlich meisterliche Werke geschrieben hatte, Streichquartette oder das heute wie-der viel gespielte Oktett für Streicher.
Leicht verwischte Linien
Der Dirigent hatte die Reihenfolge um-gestellt, was viele Zuhörer in der Euse-biuskirche verwirrte und nach dem Hoch-zeitsmarsch in Beifall ausbrechen liess, obwohl noch das Scherzo folgte, das wie- derum mit der leichtfüssigen Ouvertüre ge- wisse Ähnlichkeiten aufweist. |
In der Kirchenakustik wurden die feinen Li-nien der Musik etwas verwischt, aber die Interpretation durch das tüchtige Orches-ter und den sensibel agierenden Dirigen-ten hinterliess gute Eindrücke. Für unsere Meinung leicht deplatziert wirk-ten die nun folgenden zwei Ungarischen Tänze von Johannes Brahms, sie sind sonst eher Zugaben als Bestandteil eines sinfonischen Programms. Immerhin lernte das Publikum mit dem Tanz Nr. 3 in F-Dur auch eines der nicht so oft gespielten Stücke aus dieser Serie kennen.
Spontane Musikalität
Im Konzert für Klarinette und Orchester in A-Dur KV 622 von Wolfgang Amadeus Mozart trat der bekannte Klarinettist Vla-dimir Ashkenazy als Solist auf. Er spielte den Solopart tonschön, mit weichem Klang und mit viel spontaner Musikalität erfüllt. Das sehr bekannte und oft gehörte Werk erklang so in ganzer Frische. Wobei der Solist auch einige kleine fantasievolle Kadenzen einflocht, vor der Wiederkehr des zweiten Themas im ersten Satz sogar entgegen allem Brauch eine längere Ka-denz, die auch tonartlich etwas fernere Ge-filde ansteuerte. Mozart hat im Gegensatz zu den Klavierkonzerten in diesem Konzert keine eigentlichen Kadenzen vorgesehen, höchsten sogenannte Übergänge vor Ein-tritt des Hauptthemas im abschliessenden Rondo, doch der kleine Ausflug des Solis- ten wirkte auch nicht störend. |
Italienische Eindrücke
Nach der Pause widmete sich das Orchester noch einmal Felix Mendelssohn, diesmal der Vierten Sinfonie in A-Dur opus 90, die „Italienische“ genannt. Auch diese Sinfonie schrieb der Komponist in jungen Jahren nach einer Italienreise mit vielen Eindrücken. Er hat sie aber später noch überarbeitet. Hier wählte der Dirigent in den Ecksätzen, vielleicht aufgrund der Kirchenakustik re-lativ gemässigte Tempi, vor allem der „Sal-tarello“ des spritzigen letzten Satzes hört man häufig wesentlich schneller. Dafür zog Juri Gilbo gegen Ende des ersten und des letzten Satzes das Tempo etwas an, was ei-gentlich unnötig wäre. Dem Gesamtein-druck tat dies jedoch kaum Abbruch. Auch hier lernte man ein tüchtiges, spielfreu-diges und flexibel auf die Absichten des Dirigenten eingehendes Orchester mit schönem Klang kennen. Die für das Konzert nicht ganz, sondern etwa zu drei Vierteln gefüllte Kirche – die Veranstalter hätten sich eigentlich ein ausverkauftes Konzert gewünscht – nahm die Aufführungen beifällig auf. Als Zugabe gab es deshalb einen der schönsten Tango des Argentiniers Astor Piazzolla, für Streichorchester bearbeitet und vom Or-chester und dem Konzertmeister als Solo-geiger wunderschön vorgetragen. Ein star-ker Abschluss.
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Die dunkle Schwester der Violine
14. Septermber 2008. Zwei junge Musikerinnen erfreuten am Sonntagnachmittag im Girardsaal des
Kinderheims Bachtelen auf Einladung der Mazzini-Stiftung das Publikum mit Bratschensonaten von
Mozart, Schostakowitsch und Brahms.
Daniel Andres
Sarah Basciani ist Bratschistin, d.h. sie spielt die Viola da braccia, die grössere Schwester der Violine. Es gibt relativ wenig Sololiteratur für dieses Instrument mit dun-kel gefärbtem Klang. Im Orchester oder im Streichquartett spielt es eine Nebenrolle als Mittelstimme und hat selten Gelegenheit, die erste Stimme zu spielen. So behelfen sich die Bratschistinnen und Bratschisten gelegentlich mit Bearbeitungen. Sie spielen Stücke, die eigentlich für das Cello oder aber für die Violine geschrieben wurden. Einige Komponisten haben aber auch das spezielle Timbre dieses Instruments er-kannt und bedeutende Werke dafür ge-schrieben. Bratsche statt Geige
Die schönste Violapartie bei Mozart und ei-ne der schönsten überhaupt ist die Sinfo-nia concertante für Violine, Viola und Or-chester von Mozart. Aber im Duo mit Kla-vier musste Sarah Basciani eine der Gei-gensonaten von Mozart auswählen, die er 1778 auf der Reise nach Paris in Mannheim komponiert hat. Die Sonate in e-moll KV 304, eine der wenigen in einer Moll-Tonart, eignet sich durchaus für eine solche Über-tragung auf die dunklere Klangfarbe der Viola. Mit ihr gelang beiden, auch der Pia-
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nistin Maki Wiederkehr, der Auftakt zu einem interessanten Konzert.
Letzte Werke
Es folgten zwei Spätwerke von Kompo-nisten, die eigentlich schon mit dem Leben abgeschlossen hatten und nicht ganz zu-fällig die dunkle Bratsche als Ausdruck ih-rer Melancholie und ihres Schmerzes ge-wählt hatten. Die Sonate Opus 147 von Dimitri Schosta-kowitsch aus dem Todesjahr 1975 ist das letzte Werk des damals bereits seit Jahren kranken Komponisten. Aus ihr spricht Re-signation, manchmal auch bittere Ironie und im letzten Satz versöhnliche Erinner-ung mit Zitaten aus Beethovens „Mond-schein“-Sonate. Im Ganzen haben die beiden Musikerinnen den Ton der Sonate gut getroffen. Der Bratschistin wünschen wir noch etwas mehr Mut zur Zuspitzung in den grellen und bizarren Teilen vor allem des zweiten Satzes. Aber das allmähliche Verlöschen, schon in den ersten Sätzen und besonders im letzten Adagio, haben sie sehr gut nachempfunden. Die Bratschistin verfügt über ein gutes technisches Rüstzeug und auch die Pianis-tin hat solides Handwerk. Sie ist manchmal |
auch bestimmter und zugriffiger, ist also nicht bloss verlässliche Partnerin son-dern liefert entscheidende Impulse. Sarah Basciani wirkte zu Beginn eher noch etwas gehemmt und vorsichtig, konnte sich aber im Laufe der Zeit immer mehr befreien und auch klanglich entfalten. Aus depressiver Stimmung
Die Sonate in Es-Dur op.120 Nr. 2 gehört auch zu den letzten Werken von Johannes Brahms. Nachdem er eigentlich mit dem Komponieren schon aufhören wollte, hat ihn der Klarinettist Richard Mühlfeld aus depressiven Stimmungen geholt und ihn zu einigen der schönsten Werke angeregt, worunter die zwei Sonaten für Klarinette Opus 120, die Brahms dann auch für die Bratschisten eingerichtet hat. Der verhal-tenen Stimmung der zweiten Sonate, aber auch der Lieblichkeit der Ecksätze, mit ein-em kurzen leidenschaftlichen Aufbäumen im mittleren Satz, wurden die beiden Künst-lerinnen in hohem Mass gerecht. Am meis-ten befreit wirkte dann die Zugabe, das Scherzo aus der F.A.E – Sonate (frei aber einsam), die Brahms viel früher zusammen mit dem Freund Robert Schumann und dem heute unbekannten Komponisten Albert Dietrich als Violinsonate geschrieben hatte.
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