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Bern

 

 

Moderner Bruckner trifft gemässigte Schweizer Moderne

In der Berner Petruskirche fand ein Chorkonzert statt, welches die Messe in e-moll von Anton Bruckner Chorkompositionen von zwei Schweizer Komponisten des 20. Jahrhunderts gegenüberstellte. Ausführend war die Zürcher Singakademie unter der Leitung von Florian Helgath und in der Bruckner-Messe wirkten Bläser des Berner Kammerorchesters mit.

Florian HelgathIm ersten Teil erklangen a capella-Kompositionen von Adolf Brunner und Walter Furrer, beides zu ihrer Zeit beachtete Komponisten, welche aber inzwischen der Vergessenheit anheim zu fallen drohen. Wären da nicht Nachkommen, im Falle

Florian Helgath

von Walter Furrer die Tochter Beatrice Wolf, welche erhebliche Anstrengungen unternehmen, um den Werken zu Wiederaufführungen zu verhelfen.

 

Im Programmheft waren auch sorgfältig verfasste Texte zu Leben und Werk der Komponisten zu lesen.

Die Werke der Schweizer Komponisten wurden jeweils von einem „Aequale“ für 3 Posaunen von Anton Bruckner eingeleitet. Als erstes sang der Chor eine sechsstimmige Motette von Adolf Brunner „Der Mensch“ auf einen Text von Matthias Claudius. Die Motette ist sorgfältig gearbeitet in einer erweiterten Tonalität mit starkem Einfluss der Gregorianik. Das zweite Werk ist eine Vertonung eines Prosatextes „Die Versuchung Jesu“ aus dem Matthäus-Evangelium. Auch hier eine sorgfältige Stimmführung und die Beherrschung des Kontrapunktes im Vordergrund, die Musik illustriert nur leicht die Worte und bewegt sich in einem begrenzten Ambitus. So dass auch dieses, vom Chor mit gepflegter Intonation gesungen, etwas blass wirkte.

Drei religiöse Chöre aus Faust I, seinerzeit für eine Faust-Aufführung am Berner Stadttheater vom damaligen Chorleiter Walter Furrer komponiert, offenbarten eine andere Klangwelt. Es ist auch eine bis zur Atonalität erweiterte Tonalität, doch mit viel, offenbar auch von Frankreich her, wo Furrer studiert hatte, inspirierte Klanglichkeit. Da wehte auch ein freierer Umgang mit den Stimmen, welche teils mit Vokalisen den Text umspielten und ein viel weniger eingegrenzter Stimmumfang, so dass die Soprane in den Höhen leuchtende Akzente setzen konnten.

Sind die Werke von Brunner wohl guten Kirchenchören zugänglich, so sind die Chöre von Walter Furrer anspruchsvoller und verlangen einen gut geschulten Berufschor. Dies konnte die Zürcher Singakademie denn auch hervorragend leisten, so dass die Aufführung der drei Gesänge „Mater dolorosa“, „Dies irae“ und „Chorus ad diem festi paschae“ zu einem eindrücklichen Hörerlebnis wurde.

Die anschliessende Messe in e-moll von Bruckner mit ihrer kühnen, oft in die Zukunft weisenden Harmonik verlangt ebenfalls einen intonationssicheren Chor, den man in der Zürcher Singakademie mit Florian Helgath auf eindrückliche Weise fand. Zusammen mit den Hörnern, Blechbläsern und einigen Holzbläsern erreichte Florian Helgath mit dem Chor und den Instrumentalisten eine geschlossene und nachhaltig wirkende Wiedergabe des kühnen und ergreifenden Werks. Die Gegenüberstellung des für seine Zeit fortgeschrittenen Werks von Bruckner mit Komponisten des 20. Jahrhunderts, welche in ihrer Zeit doch eine vergleichsweise retardierende Stellung einnahmen, ging sicher nicht zu Ungunsten des zeitlebens oft verschmähten Romantikers aus. Das ganze Konzert war sehr beeindruckend und rief eine stehende Ovation hervor.

 

 

Türkische Einflüsse und französisches Klanggewand

Konzert des Berner Kammerorchesters vom 21. Mai 2017

Alla Turca“ lautete das Motto des Konzerts des Berner Kammerorchesters vom Sonntag, 21. Mai, im Saal des Konservatoriums. Philipp Bach dirigierte als Erstes eine „Chamber Symphony“ des türkischen Pianisten und Komponisten Fazil Say. Das ist Musik, die stark in der türkischen Nationalmusik verwurzelt ist – ob Volkmusik oder doch eher „gehoben“ bleibe dahingestellt, denn beispielsweise in den arabischen Ländern gibt es auch mehrere Sparten oder Schichten der einheimischen Musik.

Fazil Say knüpft ebenso stark an westliche Formen an und die Mischung ist gefällig, eingänglich und doch nicht ganz einfach harmlos. Eine Aussage ist zu erkennen. Die Streicherinnen des Berner Kammerorchesters spielten solid aber nicht lupenrein in der Intonation, was sich auch klanglich auswirkt.

Walter FurrerAls zweites Werk erklangen sechs Lieder auf Texte türkischer Dichter (ins Deutsche übersetzt von Annemarie Schimmel) ) des Berner Komponisten Walter Furrer, der am Theater und beim Radio gewirkt hatte. Es war keine Uraufführung, das Werk war schon mal 1971 in Genf aufgeführt worden, aber seither wie auch der 1978 verstorbene Komponist in Vergessenheit geraten. Die Musik Walter Furrers verrät einerseits eine gründliche Schulung durch Nadia Boulanger in Paris und eine Beherrschung der Satztechnik in einem freien atonalen Stil. Und gleichzeitig wirkt sie ausdrucksstark und ausgesprochen farbig, wiederum die Nähe zur französischen Schule verratend. Die Mezzosopranistin Claude Eichenberger war eine starke Interpretin der abwechslungsreichen und kontrastreichen, oft auch rhythmisch prägnanten Lieder. Das nun auch mit Bläsern, Harfe und Perkussion besetzte Orchester gab das Werk farbig wieder, wobei auch hier zusätzliche klangliche Differenzierung möglich wäre.

Ein weiteres Verdienst des Programms war die Aufführung eines berührenden und leider viel zu selten aufgeführten Werks von Frank Martin, die „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ auf einen Text von Rainer Maria Rilke. Das aus 23 Abschnitten bestehende Werk, in welchem der Dichter weitgehend bloss mit Andeutungen die tragische Geschichte eines jungen adeligen Soldaten erzählt, wurde von Frank Martin im Auftrag des Basler Kammerorchesters und von Paul Sacher vertont. Es stammt aus der wohl fruchtbarsten Schaffensperiode des Komponisten, in der auch die „Petite symphonie concertante“ oder „Le vin herbé“ entstanden und ist vom Besten was uns Frank Martin hinterlassen hat. Einerseits streng und konzis, andererseits in einer ebenfalls französisch inspirierten Farbigkeit, welche dem Text gerecht wird und den Zuhörer gefangen nimmt. Auch hier beeindruckte Claude Eichenberger stimmlich und gestalterisch und das Orchester unter Philipp Bach vollbrachte eine gute Leistung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weicher Mozart, schlagkräftiger Strawinsky

 

Orchestre de Paris mit Paavo Järvi und dem Pianisten Andreas Häfliger auf Schweiz-Tournee

 

Daniel Andres

 

Das Orchestre de Paris tourt durch

die Schweiz, organisiert vom

Migros-Kulturprozent. Paavo Järvi

dirigiert und die Migros schickt

jeweils einen Schweizer Solisten

auf die Bühne, diesmal Andreas

Häfliger mit dem Klavierkonzert cmoll

KV 491 von Mozart.

Ich habe das Konzert im Berner

Kultur-Casino besucht, hatte einen

Platz fast ohne Sicht auf dem

Seitenbalkon links zuhinterst. Aber

es hatte noch Plätze frei, so dass

ich mich etwas nach vorne ver-

schieben konnte, und mehr als

die Hälfte des Konzerts habe ich

stehend an die Seitenwand ge-

lehnt verbracht. Paavo Järvi ist

ein Dirigent, den ich durchaus

schätze und mit ein Grund dafür,

dass ich das Konzert besuchte. Seit

2011/12 ist er Chefdirigent des

Orchestre de Paris. Ich habe den

Dirigenten mehrmals in Verbier

gesehen, aber ihn jetzt mit seinem

Eigenen Orchester zu erleben, war

schon interessant.

Das Konzert begann mit Debussy

„Prélude à l’après-midi d’un

faune“, da kann ein französisches

Orchester schon mal seine Klangkultur

demonstrieren. Vor fünfzig Jah-

ren war es tatsächlich noch so,

dass man mit einigem Recht glaubte,

nur französische Orchester

könnten Debussy mit dem richtigen

 

Klang spielen. Mittlerweise ist

diese Ansicht überholt und man

hört den impressionistischen Klang

von allen Spitzenorchestern auf

der Welt. Ich fand sogar, der Klang

in Bern sei etwas robust gewesen,

bei aller Differenzierung und

Schattierung durch den Dirigenten

und bei aller Qualität der Holzbläser.

Einen ähnlichen Eindruck hatte ich

auch beim „Sacre du Printemps“ in

der zweiten Konzerthälfte.

Archaisch und elementar ist ja ein

Markenzeichen von Strawinskys

Szenen aus dem heidnischen Russ-

land. Aber die Fortissimo-Orgien

klangen doch etwas hemdsärmelig,

da habe ich von den Berlinern mit Boulez am Pult aber auch von San Francisco mit Michael Tilson Thomas andere Klangeindrücke (Tilson

Thomas schon fast eine Spur zu

elegant und seidig).

Aber es gab auch hervorragende

Farbabmischungen zu Beginn des

zweiten Teils etwa. Oder bewunderns-werte Piani der Trompeten.

Vielleicht tat auch die Akustik des

Saales etwas zu dem nicht hundert-prozentig stimmigen Eindruck.

Andreas Häfliger begann seinen

Einsatz im Konzert von Mozart etwas weich und eine Spur zu lyrisch,

und das wurde vom Orchester zu wörtlich aufgenommen und damit wurde fast der ganze erste Satz

 

Satz etwas schwammig. Der Pianist

gab zwar zwischendurch Schub,

aber das Orchester wollte nicht so

recht folgen. Auch im zweiten Satz

spielte Andreas Häfliger „andante“,

also fliessend gehend, doch das Orchester neigte zu Adagio und war immer eine Spur zu spät.

Ein zweigeteilter Mozart, der Solist

nach den einleitenden Takten und

auch im Finale vorwärtsdrängend,

das Orchester eher zurückhaltend.

Dabei lag es eher an der stilistischen

Einstellung des Orchesters denn am Dirigenten, denn von ihm kamen schon Impulse, die aber irgendwie wieder verpufften.

Als „Zugabe“ spielten Orchester

und Pianist ein Concerto eines

jungen schweiz-französischen

Komponisten (den Namen habe

ich nicht verstanden). Einige klang-liche Einfälle, aber zuviel Wieder-holungen desselben Motivs leicht variiert. Hübsche Klänge, doch man war immer am Suchen, wo man dies oder jenes schon gehört habe, Poulenc, Frank Martin, oder doch Messiaën? Eine schöne Chance für einen unbekannten Komponisten, so prominent vorgestellt zu werden und eine schöne Geste des Pianisten zweifellos. Die Zugabe nach dem „Sacre“ (aus der Arlésienne-Suite von Bizet) hätte man sich allerdings definitiv schenken können.

 

 

 

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Für die KomponistInnen aufschlussreich

 

Konzert des Festivals l'art pour l'Aar mit vier Uraufführungen

 

Daniel Andres

 

Gestern, Freitag, 9. November im Le Cap in Bern. Das ensemble bern modern spielte vier Uraufführungen im Rahmen des Festivals l'art pour l'Aar.  Wie (fast) immer, ausser den Komponisten ein paar Freunde als Zuhörer. Wichtig ist ja, dass die Stücke mal aufgeführt werden, dass die Komponistin der Komponist sein Werk real anhören kann. Vier "Berner" Komponisten unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichem Stilansatz. Das ist ein Markenzeichen von "L'art pour l'Aar", dass da keine Scheu-klappen vorhanden sind, neuste Tendenzen (sofern es denn solche gibt) und mehr in der Tradition verwurzel-tes haben die gleichen Chancen. Und manchmal sogar ein Artefakt aus längst vergangener Zeit.

Pierre-André Bovey, Flöte, Gabrielle Brunner, Violine, Frédéric Carrière, Viola, Barbara Gasser, Violoncello, setzten sich diesmal für dei Werke ein.liegenden oder in sich bewegten Klangflächen, die mit fast ausschliess-

lich neueren Techniken vor allem der Streicher erzeugt Vladislas Jaros, in Tschechien geboren, in Bern u.a. bei Sandor Veress ausgebildet steuerte mit "A la recherche du temps perdu" das erste Stück bei. Zeit, die vorwärts schreitet, in der Erinnerung aber auch rückwärts und verweilend erlebt werden kann. Die Musik markiert den Zeitablauf mit regelmässigen Impulsen, steht aber auch mal still oder hat Inseln, die sozusagen zurück blicken.

Ursula Seiler Kombaratov, Flötistin und Musikpädagogin, überrascht zunächst mit sehr harmonischen Gebilden, mit grossen und kleinen Terzen. Sie entwickelt das frei und ohne Scheu weiter, gelangt mitunter zu spätromantischen Akkordbildungen, mit denen sie aber recht unkonven-tionell und doch einleuchtend verfährt. Frei tonale Gebilde fügen Farbigkeit hinzu. "Signatures", auch mit gestischen Elementen, klingt gut und ansprechend.

 

Stefan Werren verwendet von den vier Komponisten vielleicht die avanciertesten Mittel, sein "Herbstlicht" besteht weitgehend aus  werden. Es ist eine farbige, meist stille Musik mit kleinen Aus- oder Aufbrüchen.

Ich stellte vier Blumenbilder vor. Resultat botanischer Streifzüge, aber mehr noch Versuch, Farben und Düfte und Charaktere musi-kalisch darzustellen. Mit Mitteln die teils aus der Tradition kommen (melodische Wendungen, Motive), gefärbt mit Klangfarben aus Spiel-techniken wie Flageolett, sul pon-ticello, pizziccati mit Glissandi und Flageolett-Glissandi. Auch hier das Bestreben nach Klangfarbenreich-tum, ohne in reines Klangdesign zu verfallen.

Die Vergleiche und der Versuch der Einordnung innerhalb der vier Werke von vier Komponisten war doch auf-schlussreich und für die einzelnen Komponisten eine kleine Standort-bestimmung.

 

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Letzte Aktualisierung: 20. März 2018 .